Praxistest: Motorola RIZR

31.01.2007

Lieferumfang / Verarbeitung

Insbesondere Handy-Freaks dürften angesichts des konsequenten Ausschlachtens der Designikone RAZR mit entsprechend vielen Handy-Versionen allmählich genervt sein, dennoch ist es ein kluger Schachzug, dass das Unternehmen auch die immer grö�er werdende Slider-Fraktion mit dem unverwechselbaren Designkonzept beglückt, denn Klapphandys sind nun einmal nicht jedermanns Sache. Im schwarzblauen Karton mit raffiniertem "Akkordeon"-Ausziehmechanismus lagern neben Handy, Bedienungsanleitung und USB-Ladekabel ein Datenkabel, ein hochwertiges Headset in schwarzer Klavierlack-Optik sowie Motorolas PC Suite "Phone Tools".

Seine Wurzeln findet Motorolas RIZR im Fashion-Verwandten KRZR: der betont schlanke Formfaktor erinnert stark an den jüngsten Designstreich der US-Firma. Statt dünn und breit, wie es für die älteren RAZR-Handys typisch war, entschied sich Motorola für eine deutlich höhere Bautiefe (1,6 cm) zugunsten einer geringeren Breite (4,5 cm). Dieser Schritt ist letztlich wohl ein technologischer Kompromiss, denn die Slidermechanik verschlingt üblicherweise mehr Platz in der Tiefe als ein Klappscharnier. Das Konzept geht gleich beim ersten Versuch auf: der Slidermechanismus des RIZR federt souverän auf und zu, sitzt stramm an seinem Platz und wurde rückseitig mit einem netten Tribal-Ornament verziert.

Bei der Materialauswahl wechselten die Designer von der aufwändigen Glasverkleidung des KRZR auf dunkelblaues Hartplastik und matt schimmernde Oberflächen. Haptisch erinnert das RIZR daher eher ans weiche PEBL: das Handy liegt mit 115 Gramm angenehm schwer in der Hand und die Verarbeitung gibt keinerlei Gründe zur Beanstandung. Die Tastatur wurde der ultraflachen Metalltastatur des Erfolgsfolders RAZR entlehnt, auch beim Display setzt Motorola auf die bewährte Komponente mit 176x220 Pixeln Auflösung. Angesichts der Fokussierung auf Lifestyle-Haptik und Coolness ist das zu verkraften - eher Multimedia-orientierte Nutzer werden aber die QVGA-Komponenten der UMTS-Modellreihe vermissen.

Ausstattung

Ausstattungstechnisch geht RIZR mit dem verwandten KRZR-Folder konform. Die 2 Megapixel-Kamera wird beim Slider mit einer überdurchschnittlich hellen LED-Leuchte tatkräftig unterstützt und erlaubt damit auch Aufnahmen von bis zu einem Meter entfernten Motiven bei Nacht. Dabei kämpft die Kamera selbst mit den bekannten Problemen: ein stärkerer Blaustich bei Innenaufnahmen und mangelnde Detailschärfe sind die Gründe, warum man weder RIZR noch KRZR als designierte Kamerahandys bezeichnet.

Für Multimedia-Fans gibt es gleich drei Media-Player, darunter einen für Videoclips und eine Java-Applikation namens "Digital Audio Player" die Such- und Sortierfunktionen für Alben, Künstler und Genres bietet, sich aber im Gegensatz zum featureärmeren System-Player nicht in den Hintergrund schalten lässt. Mit Musikdateien in Microsofts WMA-Format, wie sie beispielsweise MediaPlayer 11 in der Grundeinstellung produziert, kann das RIZR nichts anfangen, AAC-/M4A-Dateien und MP3s aller Art werden aber anstandslos wiedergegeben und lassen sich auch als individuellen Ruf- und SMS-Ton verwenden. Dank Unterstützung des Bluetooth A2DP-Profils gelangen Stereoklänge auch kabellos zu kompatiblen Bluetooth-Headsets, Motorola bietet hierfür beispielsweise die drahtlosen DJ-Kopfhörer S805 an, andere professionelle Kopfhörer kann man mangels Klinkenadapter nicht ans RIZR anschlie�en. Die Maximallautstärke des integrierten Lautsprechers liegt wie bei den meisten Motorolas über dem Durchschnitt gängiger MP3-fähiger Handys. Den akustischen Höhenflug bremst nur ein leicht scheppernder Klang bei zu niedrig gesampleten Musikdateien.

Statt eines belanglosen Spielchens steht dem Gelegenheitszocker Gamelofts Breakout-Variante BlockBreaker Deluxe zum schnellen Stromverbrauch zur Verfügung. Darüber hinaus fanden wir in unserem Testmuster einige Motorola-eigene Applikationen zur Sicherung von Textnachrichten und Kontakten auf den Webseiten des Herstellers und einen optisch und logisch sehr gut aufbereiteten Client zur Bearbeitung und Beobachtung von eBay-Auktionen.

Speicherplatz ist beim RIZR mit rund 20,7 MB zwar nicht gerade im �berfluss vorhanden, doch dank eines microSD-Steckplatzes oberhalb des SIM-Karten-Slots ist für Flexibilität gesorgt. Vielsimser und Menschen mit gro�em Freundeskreis können zudem beruhigt sein, denn es lassen sich bis zu 2000 Kontakte verwalten und der Speicherplatz für Kurzmitteilungen wurde dynamisch gestaltet. Apropos Kontakte: Jedem Eintrag können bis zu 14 Merkmale zugeordnet werden, darunter auch Geburtstage (die leider nicht direkt im Kalender erscheinen), EMail-, Web- und Postadressen. Ansonsten geht es im Businessbereich eher unspektakulär zu: ein Kalender mit Terminerinnerungen, Wochen- und Agendaansicht, Taschenrechner mit Währungsumrechner, ein Wecker - die Basisfunktionen zur Organisation des Alltags sind dem RIZR geläufig. Was einige globetrottende Geschäftsleute jedoch schmerzlich vermissen könnten, sind Funktionen wie Timer, Notizzettel und vor allem Situationsprofile.

Für den mobilen Datenaustausch steht neben einem MiniUSB-Adapter, der den Betrieb des RIZR als Wechselspeichermedium an PCs erlaubt auch Bluetooth und GPRS zur Verfügung. Letztgenannter Standard arbeitet wie schon beim KRZR auf Klasse 12-Niveau, was die Geschwindigkeit von Datenuploads und Anfragen an Webseiten merklich beschleunigt. Weiteres Plus: wer seine Kontakte und Kalenderdaten online verwalten will, kann sie wahlweise mit Microsofts Exchange/ActiveSync oder dem freien Standard SyncML abgleichen. Ein solches Ma� an Flexibilität findet man sonst nur auf einigen wenigen Symbian-Smartphones.

Telefonfunktionen / Ausdauer

Bei einem Slider-Modell geht es schnell eng zu auf dem Tastenfeld, doch beim RIZR haben die Macher eine gute Dimensionierung gefunden, denn selbst die untere und obere Zahlenreihe lassen sich einwandfrei erreichen. Die Knöpfe selbst weisen gleichmä�ig weiche Druckpunkte und lange Tastenhübe auf, sodass sich schnell und präzise SMS mit dem RIZR tippen lassen. Gebremst wird man allerdings vom bisweilen sehr zäh reagierenden iTap-Wörterbuch, das das bereits Getippte zu vollständigen Wörtern zu ergänzen versucht. Der kreisförmig ausgelegte Navkey fungiert im Ausgangsmenü als vom Nutzer selbst belegbare Shortcut-Taste zu häufig benötigten Funktionen. Drückt man das Pad beispielsweise nach links, gelangt man in der Werkseinstellung automatisch zur Google-Suchseite im WAP-Netz. Wechsler von anderen Handymarken werden auch bei Motorolas RIZR auf Unzulänglichkeiten des Bedienkomforts sto�en, die sie längst als selbstverständlich angenommen hatten. Um einige Beispiele zu nennen: Das Hauptmenü in bewährter animierter Comic-Optik erlaubt nicht die Anwahl eines Menüpunkts per Zifferntastatur. Nervig ist zudem, dass sich die Signaltöne nicht separat deaktivieren lassen: Bettelt beispielsweise der Akku nach Strom, bleibt dem Besitzer nichts anderes übrig, als das Gepiepse zu ertragen oder das Handy komplett stumm zu schalten. Dafür nahm sich Motorola die Zeit, um für den Slider neue Oberflächen-Skins zu entwickeln: die stimmigen Themes Alkali, Indium und Cobalt nehmen Einfluss auf Farbe und Form der Bedienelemente und das Hintergrundbild, lassen aber die Icons des Hauptmenüs völlig unverändert.

Bei moderater Nutzung aller Funktionen des Sliders erlaubt der 720mAh starke Akku im Schnitt fünf volle Tage Dauereinsatz. Die Empfangsleistung fiel uns durchgängig gut auf und erlaubte selbst in entlegenen Regionen die Telefonie übers E-Netz. Das RIZR empfiehlt sich damit auch für Nutzer, die nicht im Einzugsgebiet gro�er Ballungsräume wohnen oder arbeiten. Weniger glorreich schlägt sich der Slider im Bereich Sprachqualität. Typische GSM-Nebengeräusche treten zwar eher selten auf, doch in Empfängerrichtung kommen Stimmen des �fteren verzerrt und blechern an, was bei einem höheren Lärmpegel zu Verständigungsproblemen führen kann.

Fazit

Schieben statt klappen: was die Konkurrenz schon seit Jahren realisiert, währte bei Motorola viele Jahre, bis es endlich gut wurde. Da sich das RIZR im direkten Vergleich zum Schwestermodell KRZR nicht viel nimmt, entscheidet letztlich der reine Geschmack, für welches der beiden Handymodelle sich der Käufer entscheidet. Wir empfanden die grö�ere Tastatur des Sliders als echten Vorteil im Alltag, grundlegende Software-Nachteile, die Motorolas Handys gegenüber vielen ähnlich bepreisten Konkurrenten aufweisen, wurden aber auch bei diesem Modell nicht behoben. Dabei bezieht sich unsere Kritik weniger auf den eigentlichen Leistungsumfang als auf die alltägliche Nutzbarkeit der Komponenten: der Kamera sieht man ihre Auflösung nicht an, der Kalender bedarf dringend einer bedientechnischen Generalüberholung und Email- wie Webfunktionen sind angesichts des lahmen Prozessors und des eingeschränkten Blickfelds kaum nutzbar. Wer primär mit seinem Handy telefoniert und dabei wirklich gut aussehen will, wird sich vom stimmigen Gesamtbild des RIZR aber begeistern lassen.

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