Passend zur "ARD-Themenwoche Mobilität" trifft uns diese Meldung wie die Faust aufs Auge: Arbeitspendeln wird für Beschäftigte oft zur Falle. Obwohl die Mobilität in vielen Fällen die Karrierechancen und das Einkommen aufbessert, leiden andere Lebensbereiche häufig an ihr. Für Partner, Kinder und Freunde bleibt zu wenig Zeit, zudem schieben beruflich Mobile oft das Kinderkriegen auf oder unterlassen es ganz. Forscher vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung BiB untersuchen, wie Arbeitsmobilität heute aussieht und wie sie die Lebensrealität verändert.
"Die häufigste Form der berufsbedingten Mobilität ist das Fernpendeln", erklärt die am BiB forschende Soziologin Silvia Ruppenthal Rund sieben Prozent der deutschen Erwerbstätigen gehören zu dieser Gruppe, die mindestens dreimal wöchentlich zwei Stunden für den Hin- und Rückweg zur Arbeit braucht. Das ist Zeit, die anderswo abgeht. "Viele Pendler berichten von zu wenig Freizeit, Zeitdruck und Erschöpfung. Häufig belasten die langen Arbeitswege das Wohlbefinden und steigern den Stress, speziell wenn bei Stau oder Zugverspätungen ein Zuspätkommen droht."
Dass das Pendeln auch eine harte Probe für Beziehungen ist, berichtet die Sozialgeografin Erika Sandow von der Universität Umea. Ehen von Fernpendlern gehen um 40 Prozent öfter in Brüche als beim Durchschnitt, zeigt ihre Analyse statistischer Daten von zwei Mio. Schweden. Zwar bringt das Pendeln berufliche Vorteile, doch belastet es speziell den nicht-pendelnden Partner - in der Regel die Frau. Gibt es Kinder, so übernimmt sie meist alleine deren Obsorge und Erziehung, den Haushalt und eventuell auch weniger qualifizierte Arbeiten oder Teilzeitjobs in Wohnortnähe.
Von dieser ungleichen Geschlechtsverteilung berichtet auch Ruppenthal. "Pendelt nur der Mann, entlastet ihn die Frau in häuslichen Belangen häufig völlig. Bei Mobilität der Frau einigen sich die Paare eher auf ein Modell, in dem beide zu gleichen Teilen Kinderbetreuung und Hausarbeit leisten." Dabei sind Frauen, die keine Kinder und Partner haben, mit 34 Prozent sogar deutlich mobiler als Männer in vergleichbarer Lebenssituation, die hier bei 22 Prozent liegen. Mit Partner- und Elternschaft dreht sich dieses Verhältnis um und lautet bei Frauen sechs und bei Männern 23 Prozent.
Wie die schwedische Kollegin berichtet auch Ruppenthal, dass ein Teil der Fernpendler gut mit der Situation zurecht kommt. "Das ist vor allem der Fall, wenn berufliche Mobilität freiwillig gewählt ist und nicht als Zwang empfunden wird. Manche haben zudem gute Strategien um die Pendelzeiten zu nutzen, indem sie etwa während des Weges offene Arbeiten erledigen oder sich bewusst entspannen und erholen."
Neben dem Fernpendeln untersuchten die BiB-Forscher auch noch drei weitere Mobilitätsformen. Unter die Gruppe der "Übernachter", die mindestens 60 Nächte pro Jahr aus Berufsgründen außer Haus schlafen, fallen etwa Wochenendpendler, Saisonarbeiter, Dienstreisende oder auch Menschen in Fernbeziehungen, die aus beruflichen Gründen ihre Haushalte nicht zusammenlegen. "Umzugsmobile" wechseln hingegen aufgrund ihres Berufes den Wohnort über Distanzen von über 50 Kilometer, während bei "Multi-Mobilen" Mischformen auftreten. (pte/haf)