Aufmüpfige Mitarbeiter

PC-Ware Schweiz vor Scherbenhaufen

22.04.2010
180 von 200 Mitarbeitern der Schweizer PC-Ware-Tocher Comparex haben gekündigt. Sie wechselten zu PC-Ware-Gesellschafter Bison.

Der Schweizer PC-Ware-Tochter laufen die Mitarbeiter davon. 180 von 200 Mitarbeitern inklusive der Geschäftsleitung der Schweizer PC-Ware-Tocher Comparex haben gekündigt. Sie wollen zu PC-Ware-Gesellschafter Bison AG, einem Anbieter von ERP-Software, wechseln. Bison hält 30 Prozent an der PC-Ware AG, auch nach deren Verkauf an die Raiffeisen Informatik aus Wien.

Mit dieser Entwicklung ist die PC-Ware naturgemäß nicht einverstanden. Sie erwägt rechtliche Schritte gegen Comparex und Bison wegen "geschäftsschädigenden Verhaltens". Sie habe Strafanzeige gegen die Geschäftsleitung der Comparex Schweiz gestellt und prüfe "zpivilrechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen der Mitarbeiter-Transaktionen". Mehrmonatige Kündigungsfristen der Mitarbeiter seien missachtet worden.

Bison-Geschäftsführer Rudolf Fehlmann will davon nichts wissen. Er macht die Leipziger Konzernleitung um Vorstand Klaus Elsbacher für die Kündigungswelle in der Schweiz verantwortlich. Um die Comparex als IT-Dienstleister zu schützen, habe er handeln müssen. "Wenn bei Comparex ein Exodus eintritt, haben die Kunden ein Problem", sagte er gegenüber der Leipziger Volkszeitung.

PC-Ware dagegen spricht von Diebstahl, wie Vorstand Elsbacher formulierte.

Bison (45 Millionen Euro Umsatz, 340 Mitarbeiter) ist einer der größten Kunden der PC-Ware-Tochter und gleichzeitig Gesellschafter. Das Schweizer Software-Unternehmen hält 30 Prozent der Anteile. Die restlichen 70 Prozent gehören PC-Ware (890 Millionen Euro Umsatz, 1.700 Mitarbeiter). Bison gehört seinerseits dem größten Comparex-Kunden Fenaco. Der Landwirtschafskonzern fürchtete Presseberichten zufolge, sein RZ-Betrieb könnte Schaden nehmen.

Die Befürchtungen der Mitarbeiter

Hintergrund dieser gewiss seltenen Arbeitssituation ist, wie unsere Schweizer Schwesterpublikation "Computerworld" schreibt, die Entwicklung der PC-Ware seit ihrem Verkauf an die Raiffeisen-Tochter im Oktober 2008 und der Neupositionierung des Unternehmens als Betreiber von Rechenzentren und Reseller von Software, etwa von Microsoft.

Konkret waren hohe Verluste im letzten Jahr, die Aufgabe des Hardware-Geschäftes sowie die unumgänglichen Restrukturierungen, rund 170 Entlassungen und die Befürchtung weiterer Entlassungen die Ursache für diese Entwicklung. Nachdem PC-Ware-Boss Klaus Elsbacher klar gesagt hatte, man werde auch die Ländergesellschaften durchleuchten, war man in der Schweiz offensichtlich hellhörig geworden.

Die Computerworld schreibt weiter: "Für die gut laufende Schweizer Niederlassung - so die bisherige Sprachregelung - seien keine Entlassungen vorgesehen. Offenbar hat aber in Sursee dennoch die Verunsicherung Überhand genommen, machten doch Gerüchte die Runde, es soll auch in der Schweiz eine neue Ausrichtung geplant sein und massiv Stellen abgebaut werden, indem zum Beispiel gewisse Field Services und Outsourcing-Aktivitäten über Bord geworfen werden sollen.

Bis Anfang voriger Woche hätte es keinerlei Anzeichen für eine generelle Unzufriedenheit bei den Angestellten von Comparex Schweiz gegeben - weder in Vorstandssitzungen, noch in E-Mails oder in Telefonaten. Vorwürfe einer Umstrukturierung und einer damit verbundenen Entlassungswelle weist Elsbacher als unwahr zurück. Vielmehr seien diese gezielt gestreut worden. Den Leipzigern zufolge will der Konzern am Schweizer Geschäftsmodell festhalten, aber hierzulande auch in das RZ-Business (Rechenzentrum) hineinwachsen. Im vergangenen Geschäftsjahr hätte man den Personalbestand bei Comparex Schweiz sogar ausgebaut."

Im Moment ist PC-Ware um Schadensbekämpfung bemüht. Zwar halten die Leipziger daran fest, mit allen Mitteln gegen die Bison und den vormaligen Comparex-Vorstand vorzugehen, zudem gehe man davon aus, dass die Angestellten der Comparex "unter Druck gesetzt und getäuscht wurden", doch sei man am Erhalt der Mitarbeiter interessiert. Man wolle wieder Ruhe in das Unternehmen bringen. Auf einer Mitarbeiterversammlung sagte Peter Jung, Interimschef von Comparex Schweiz, "nach einer Kündigung ist vor einer Anstellung".

Man darf gespannt sein, wie die turbulenten Entwicklungen bei der Schweizer PC-Ware-Tochter weitergehen. (wl)