Herr Keller, nach dem Weggang von Arnulf Keese hat sich PayPal mit Ihnen erneut für eine interne Nachfolgeregelung entschieden - Sie sind seit 2011 in verschiedenen Positionen für das Unternehmen tätig. Darf man das als Zeichen dafür werten, dass sich PayPal in einer Phase befindet, in der es vor allem um die Optimierung des bestehenden Geschäfts geht?
Frank Keller: Knapp zwei Jahre nach der Trennung von unserer ehemaligen Konzernmutter eBay befinden wir uns als Unternehmen in einer spannenden Phase. Wir wandeln uns immer stärker hin zu einer Bezahlplattform, die für Kunden unseres beidseitigen Netzwerks mehr als nur ein Bezahlbutton im Online-Shop ist.
Händlerseitig zeigt sich das mit Produkten wie PayPal Plus oder Ratenzahlung Powered by PayPal, auf der Verbraucherseite mit Angeboten wie Geld senden an Freunde und Familie oder Kostenlose Retouren. Daraus ergeben sich für uns als globale Plattform im Kern zwei Herausforderungen: das vorhandene Geschäft weiter ausbauen und neue Geschäftsfelder erschließen.
Um beide Aufgaben für den lokalen Markt, das heißt Deutschland, Österreich und die Schweiz, erfolgreich zu meistern, benötigt man zum einen Wissen über Markt und Kunden, zum anderen aber auch ein entsprechend gutes Verständnis des eigenen Unternehmens.
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Von den deutschen Top 100 Online-Händlern im Ranking von EHI bieten 88 die Bezahloption PayPal an. Mit welchen Argumenten wollen Sie das verbleibende Dutzend von Ihrem Angebot überzeugen?
Frank Keller: Ein starkes Pfund ist sicherlich unsere Verbreitung auf der Kundenseite. 200 Millionen Menschen weltweit zahlen mit PayPal, darunter 18,9 Millionen Deutsche. Und das übrigens mit steigender Frequenz: Im Schnitt zahlt ein Kunde 31 Mal pro Jahr mit PayPal. Was sicherlich einerseits daran liegt, dass man sehr viele Möglichkeiten hat, mit PayPal zu bezahlen, vor allem aber auch daran, dass die Leute gern mit uns zahlen.
Letzteres belegt auch immer wieder die ECC-Studie. 71 Prozent aller Online-Shopper und 79,9 Prozent der so genannten Heavy-Online-Shopper nannten PayPal als Lieblingszahlverfahren. In der Praxis erleben wir das zum Beispiel in der Form, dass Händler auf uns zukommen und PayPal als Bezahlmethode einführen möchten, weil ihre Kunden sie eindringlich danach fragen.
Jeder unserer Kunden auf der Verbraucherseite ist daher ein Argument dafür, weshalb ein Händler darüber nachdenken sollte, PayPal seinem Bezahlarten-Mix hinzuzufügen, um seine Conversion zu steigern und Kunden dauerhaft zu binden. Ein weiterer Aspekt ist sicherlich unser Angebot für Händler, welches inzwischen über den klassischen Bezahlbutton im Online-Shop hinausgeht. Mit Ratenzahlung Powered by PayPal zum Beispiel bieten wir weitaus mehr als "nur" eine weitere Bezahlmethode.
"Bei der Internationalisierung ist noch viel Luft nach oben"
Andere neue PayPal-Produkte der letzten Zeit wie PayPal Plus und "Zahlungen empfangen" richten sich dagegen eher an kleine und mittlere Online-Händler, die oft beim Einsatz neuer E-Payment-Verfahren zögerlich sind und zum Teil noch auf Bezahloptionen wie Vorkasse und Nachnahme setzen. Wie kommen Sie in diesem Händlersegment voran?
Frank Keller: Kurz gesagt, sehr gut! Wie Sie bereits andeuten, unterscheiden sich die Bedürfnisse kleiner und mittelständischer Onlinehändler sehr von denen der großen Player im Markt. Sie benötigen einen echten Payment-Partner an ihrer Seite.
Wir füllen diese Rolle aus, indem wir für unsere Händler die Komplexität des Themas Bezahlens übernehmen. Diese müssen sich dadurch nicht mit Zahlungsmanagement herumschlagen, sondern können sich voll und ganz auf ihren Markt und ihre Kunden konzentrieren. Denn: Neukundengewinnung und Kundenbindung sind natürlich auch in diesem Segment zwei der größten Herausforderungen.
Hinzu kommen der hohe Wettbewerbsdruck und die verbundene Frage, wie man sich gegen die Großen der Branche erfolgreich behaupten kann. Da ist es umso ärgerlicher, wenn potenzielle Kunden ausgerechnet im Checkout, insbesondere beim Bezahlvorgang, verloren gehen. Häufigste Ursache hierfür ist das Fehlen der vom Käufer präferierten Bezahlmethode.
Mit PayPal Plus haben wir eine Lösung eingeführt, die genau hierauf eingeht. Speziell für kleine und mittelständische Händler entwickelt, bietet sie ihnen als Rundumlösung die vier beliebtesten Bezahlmethoden der Deutschen. Dass wir damit den Nerv der Zielgruppe getroffen haben, sehen wir nicht zuletzt daran, dass sich auch zwei Jahre nach der Einführung Woche für Woche zahlreiche Händler bei uns melden, die Interesse daran haben, PayPal Plus in ihrem Shop als Bezahllösung zu integrieren.
Auch Ratenzahlung Powered by PayPal entwickelt sich erfreulich. Hier hatten wir ja bereits in der Pilotphase auf kleine und mittelständische Händler gesetzt. Generell richtet sich die Lösung an Händler aller Größen. Wir sehen aber, dass es gerade die kleinen und mittelständischen sind, die hierin eine Möglichkeit erkennen, sich mit dem Angebot eines Ratenkaufs im Wettbewerb zu behaupten beziehungsweise ihr bestehendes Geschäft weiter auszubauen.
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Einer Ihrer aktuellen Schwerpunkte ist das Thema Internationalisierung. Wo sehen Sie in dieser Hinsicht deutsche Online-Händler und was kann ihnen PayPal dabei bieten?
Frank Keller: Da ist noch ordentlich Luft nach oben! Internationalisierung ist das derzeit am wenigsten genutzte Wachstumspotenzial deutscher Online-Händler. Das sehen wir immer wieder im Vergleich mit anderen Ländern, in den Online-Händler bereits deutlich mehr aus den Möglichkeiten machen, die ihnen dieses Thema bietet.
Die Deutschen haben da einiges an Nachholbedarf. Denn die Nachfrage ist auf jeden Fall da. Wir haben Anfang Februar die Ergebnisse einer Umfrage unter Online-Shoppern aus 32 Ländern vorgestellt. Daraus geht klar hervor, dass diese gern in deutschen Online-Shops einkaufen. Das Potenzial ist also durchaus vorhanden - und zwar nicht nur in der Ferne mit China und den USA.
Auch für unsere europäischen Nachbarn, beispielsweise Italien, und die Niederlande, sind deutsche Online-Shops ein beliebtes Einkaufsziel. Freihandelsgrenzen und die gemeinsame Währung erleichtern dabei den Einstieg. Eine Hürde ist sicherlich das Thema Sprache. Mit einem rein deutschsprachigen Online-Shop komme ich als Händler nicht weit, eine englische Version ist ein Muss.
Helfen können da beispielsweise Angebote von Übersetzungsspezialisten. Wir haben deshalb vor einiger Zeit damit begonnen, Partner rund um das Thema Internationalisierung zu gewinnen. Deren Angebote bündeln wird auf PayPal PassPort. Das ist ein Online-Portal, auf dem wir Informationen rund um das internationale Geschäft bündeln, um unseren Händlern beim Einstieg zu helfen. Das reicht von Wissen über einzelne Märkte und Handelskorridore bis hin zu Partnerangeboten für Themen wie Recht und Steuern, Logistik, Zölle, Lokalisierung und Vermarktung.
Bald auch in Deutschland: Schnellkredite für Händler
PayPal hat vor kurzem angekündigt, den bisher nur in den USA verfügbaren Service PayPal Working Capital auch nach Deutschland bringen zu wollen. Was können Händler davon erwarten?
Frank Keller: Auf unserer US-Website heißt es so schön "Welcome to faster, easier business funding with PayPal Working Capital". Ich denke, das fasst es ganz gut zusammen: Mit PayPal Working Capital geben wir Händlern die Möglichkeit, unkompliziert und schnell an einen Vorschuss für ihr Geschäft zu kommen.
Lassen Sie es mich einmal an einem Beispiel erklären: Die Weihnachtssaison stellt für viele Händler die umsatzstärkste Zeit des Jahres dar. Die Ware, die ich dann verkaufe, muss ich jedoch bereits vorher gekauft haben. Auf traditionellem Wege eine Finanzierung zu erhalten, kann sich dabei gern mal etwas hinziehen. Bei PayPal Working Capital erhalten Händler online und innerhalb weniger Minuten den notwendigen Vorschuss.
Dafür zahlen sie eine Gebühr, die als feststehender Einmalbetrag anfällt. Die Rückzahlung von Vorschuss und Gebühr leisten sie dann Stück für Stück mit einem Anteil ihrer PayPal-Umsätze. Momentan bieten wir diesen Service bereits in den USA, Großbritannien und Australien an. Dort nehmen kleine und mittelständische Händler diesen gern und wiederholt in Anspruch, da er ihnen ein echtes Problem löst.
Wird PayPal vom Online-Bezahldienst damit mittelfristig zur Internet-Bank, auch für Privatkunden?
Frank Keller: Eine interessante Frage. Ich denke, PayPal wird in immer mehr Alltagssituationen auftauchen und damit noch stärker zu einem täglichen Begleiter werden. Das kann das Senden von Geld an Freunde und Familie sein, das Zahlen von Verwaltungsleistungen im Bürgerportal meiner Stadt oder auch das Bezahlen meines Snacks am Automaten.
Die klassische Eingrenzung auf das Thema E-Commerce weicht damit Stück für Stück auf und wir gehen mehr in die Breite im Sinne von "Bezahlsituationen". Girokonten für Privatkunden sehe ich dabei allerdings nicht. Unsere Kompetenz liegt darin, Zahlungen zwischen zwei Seiten, das heißt Sender und Empfänger, abzuwickeln - und das schnell, sicher und zuverlässig. Das ist und bleibt Kern unseres Geschäfts und der Fokus unserer Aktivitäten.
Ihr Chef, der amerikanische PayPal-CEO Dan Schulman, hat in einem Interview mit dem Handelsblatt vor einigen Wochen von einem "Krieg gegen das Bargeld" gesprochen. Wie groß schätzen Sie die Chancen ein, dass sich die Deutschen zum Abschied vom Bargeld bewegen lassen?
Frank Keller: Wie wir alle wissen, ist die Liebe der Deutschen zum Bargeld weiterhin ungebrochen. Zu einem Abschied im Sinne einer vollständigen Abschaffung wird es denke ich nicht kommen. Aber es werden weitere Bezahlmöglichkeiten neu hinzukommen, so dass der Konsument im Ergebnis mehr Auswahl hat und frei entscheiden kann, in welcher Situation er zur Münze, zur Karte oder zum Smartphone greift.
Denn Fakt ist, dass wir heute häufig gar nicht die Wahl haben, sondern quasi gezwungen werden, mit Bargeld zu bezahlen. Nehmen wir einmal das Beispiel Restaurantbesuch. Da wünsche ich mir als Kunde die Möglichkeit, bargeldlos zahlen zu können.
Beim Trinkgeld für den Kellner wiederum bin ich sehr traditionell, das gebe ich gerne in bar. Ziel sollte es also sein, dem Verbraucher mehr Flexibilität zu geben und darüber hinaus Anwendungsfälle zu schaffen, bei denen digitales Geld echte Mehrwerte für den Kunden schafft, die es traditionell nicht gibt - zum Beispiel das komplett digitale Bestellen und Bezahlen eines Taxis per Smartphone-App.
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"Die größte Rolle spielt der Konsument"
In einigen besonders reifen Online-Segmenten wie zum Beispiel der Unterhaltungselektronik weisen Studien zufolge inzwischen Omnichannel-Händler die höheren Wachstumsraten auf als Online Pure Player. Sehen Sie darin eine Gefahr für einen Online-Bezahldienst wie PayPal?
Frank Keller: Nein, im Gegenteil. Wir finden es sehr spannend zu sehen, welche Wege unsere Händler rund um Online und Offline gehen. Der eine startet online und hat so bereits früh Berührungspunkte mit PayPal, der andere kommt aus der traditionellen Offline-Welt und holt uns für sein Online-Geschäft mit ins Boot. Wobei diese isolierte Betrachtung ja ohnehin passé sein sollte.
Die Grenzen zwischen stationärem und Online-Handel weichen zunehmend auf und der Konsument erwartet letztlich ein nahtloses Einkaufserlebnis. Das ist gerade eine spannende Zeit und wir von PayPal sehen uns dabei als Partner, der gemeinsam mit seinen Händlern nach Lösungen für die Zukunft ihres Geschäfts sucht.
Wichtig ist für uns dabei, dass die Lösungen mit Vorteilen für beide Seiten - Händler und Verbraucher - verbunden sind. Ein Beispiel ist Click & Collect, das heißt Kauf und Bezahlung im Internet mit Abholung im Ladengeschäft. Das bieten wir bereits gemeinsam mit einigen unserer Händler an.
Mit Pilotprojekten wie dem Bezahlen per Check-In hat sich PayPal bereits an den Point of Sale vorgewagt. In letzter Zeit wurde es um diese Projekte eher still. Dafür haben Sie kürzlich mit dem Mobilfunkkonzern Vodafone eine Partnerschaft für die Bezahlung mittels NFC präsentiert. Setzen Sie im Offline-Umfeld künftig generell eher auf Partnermodelle?
Frank Keller: Mit unseren Pilotprojekten haben wir zu einem sehr frühen Zeitpunkt wertvolle Erfahrungen dazu gesammelt, welche Modelle aktuell funktionieren und welche nicht. Im vergangenen Jahr haben wir bei PayPal dann begonnen, das Thema Partnerschaften sehr stark voranzutreiben.
Mittlerweile hat es sich zu einem zentralen Bestandteil unserer Unternehmensstrategie entwickelt, verbunden mit dem Ziel, dass wir unseren Kunden beim Bezahlen noch mehr Flexibilität und Auswahlmöglichkeiten geben möchten. Denn auch wenn jedes Unternehmen in unserer Branche sicherlich einen ganz eigenen Ansatz und Angebot hat, eint uns am Ende das gemeinsame Bestreben, bestehende Ineffizienzen rund um das Thema Bezahlen aus dem Weg räumen zu wollen.
Im Rahmen von strategischen Partnerschaften können beide Seiten ihre jeweiligen Stärken kombinieren. Das Ergebnis sind dann Lösungen, die unseren Service für Verbraucher besser zugänglich machen und unseren Händlern dabei helfen, ihre Konversionsraten zu erhöhen.
"Das neue Geld", so lautete eine große Werbekampagne Ihres Unternehmens im vergangenen Jahr. In der Tat ist es sehr wahrscheinlich, dass die Digitalisierung in den nächsten fünf, zehn Jahren auch unsere Art des Bezahlens weiter verändern wird. Wer wird bei der Einführung des "neuen Geldes" Ihrer Meinung nach die größte Rolle spielen: PayPal, Apple oder gar doch die traditionellen Banken?
Frank Keller: Die größte Rolle wird klar der Konsument spielen - denn am Ende entscheidet er, wie er bezahlen möchte. Da der Mensch bekanntlich ein Gewohnheitstier ist, sind es die Bezahlgewohnheiten, die es zu überwinden gilt.
Von diesen Gewohnheiten wird sich der Verbraucher nur dann verabschieden, wenn ihm das "neue Geld" und neue Bezahlwege einen Mehrwert bieten. Nehmen wir einmal das Beispiel Kino: Tickets online reservieren ist das eine. Sie direkt per Smartphone-App kaufen zu können und dann digital auf dem Telefon dabei zu haben, bietet mir einen echten Mehrwert - und damit meine ich nicht, dass ich sie nicht ausdrucken muss.
Ich spare mir vielmehr das Anstehen an der Kasse, kann direkt zum Kartenabreißer gehen und mich danach Popcorn, Eis und Cola widmen...und parallel dazu das für meine Freunde ausgelegte Geld per PayPal einsammeln. (rw)