Patentschlacht: Cobion-Chef wegen Erpressung angezeigt

09.10.2003
Die Nutzwerk GmbH aus Leipzig hat Strafanzeige wegen versuchter Erpressung und Nötigung gegen den Vorstandsvorsitzenden der Cobion AG in Kassel erstattet. Hintergrund ist ein Patentrechtsstreit der beiden Internetfilter-Anbieter.

Die Leipziger Nutzwerk GmbH besitzt Schutzrechte an verschiedenen Filtertechnologien. Das Patent Nummer 19958638 wurde dem Unternehmen jedoch am 10. September 2003 vom Bundespatentgericht in München aberkannt. Begründung: Der Stand der Technik war bereits vor Patentanmeldung bekannt, und daher sei kein Neuigkeits- oder Erfindungswert erkennbar. Geklagt hatte der Wettbewerber Cobion, der dafür keine Lizenzgebühren an Nutzwerk zahlen wollte.

Das Urteil ist gefallen, doch Nutzwerk gibt sich noch lange nicht geschlagen. Sie wendet sich an die nächsthöhere Instanz: die Öffentlichkeit. Der werden in diesen Tagen via Pressemitteilung Auszüge aus dem E-Mail-Verkehr zwischen Cobion-Vorstandund der Nutzwerk-Chefin präsentiert.

Ein unmoralisches Angebot?

Angeblich soll der Manager schon vor Monaten "gedroht" haben, das strittige Patent "kaputtzumachen", sagt jedenfalls Nutzwerk. Und einen juristischen Rückzieher habe er auch versprochen, falls seine Firma eine "kostenlose, lebenslange Nutzungslizenz" für das strittige Patent bekommen würde. Zitatbeispiel: "Für 20.000 Euro pro Jahr ziehen wir die Klage zurück und lassen die anderen Patente in Ruhe. Voraussetzung ist aber wiederum eine kostenneutrale, lebenslange Nutzungslizenz auf Ihre Patente. Fair? Gruß aus Kassel". Ein unmoralisches Angebot, findet die Geschäftsführerin der Nutzwerk GmbH. Sie erstattete Strafanzeige wegen versuchter Erpressung und Nötigung gegen den Konkurrenten.

Nutzwerk wollte nicht zahlen und ging vor Gericht

Bei Cobion herrscht blankes Entsetzen über die Veröffentlichung: Die Zitate seien irreführend aus dem Zusammenhang gerissen worden und seien außerdem doch Teil einer vertraulichen Geschäftskorrespondenz. "Die Nutzwerk GmbH scheint nicht nur die zivilgerichtlichen Prozesse, sondern nunmehr auch die Nerven verloren zu haben", lässt Cobion über seine Sprecherin ausrichten. "Anders lässt sich der Griff zu Strafanzeigen und Pressemitteilungen nicht erklären."

Weil die Technologie bereits bekannt und eben nicht von Nutzwerk erfunden wurde, wollte man dafür auch keine Gebühren an den Gegner entrichten. "Nutzwerk hätte sich das weitere gerichtliche Vorgehen ersparen können, wenn es uns mit seinen Forderungen unbehelligt gelassen und uns eine kostenlose Nutzungslizenz erteilt hätte. In diesem Fall wäre es uns egal gewesen, ob das Nutzwerkpatent ungerechtfertigterweise bestehen geblieben wäre oder nicht", so der Cobion-Vorstand.

Das nächste Kapitel der Patentstreit-Soap ist bereits in Arbeit: Cobion will sich nicht nur gegen die Strafanzeige der Nutzwerk GmbH zur Wehr setzten, sondern auch die Veröffentlichung der vertraulichen Briefe juristisch prüfen lassen - "und zwar ohne die Auseinandersetzung in die Öffentlichkeit zu tragen".

www.cobion.de; www.nutzwerk.de

ComputerPartner-Meinung

Wer hier wem eigentlich was angetan hat, wird sich wohl auch in der Zukunft nicht mehr genau klären lassen. Sicher ist nur, dass auch Business-Klamotten und ein Chef-Posten nicht vor kindischen Verhaltensweisen schützen. (mf)