Bisher hat Microsoft das eigene "Azure"-Cloud-Angebot nur selbst gehostet, das hat sich nun geändert. Wolfgang Miedl sprach darüber mit Microsoft-Manager Prashant Ketkar. Dieser erzählte ihm, dass Microsoft auf die Exklusivität der eigenen Wolke nicht mehr bestehen werden. Bisher haben nämlich noch viele Microsoft-Partner und ISVs (Independent Software Vendors, unahbängige Softwarehäuser) befürchtet, dass der Softwareriese durch den Direktvertrieb von Online-Services mit ihnen in Wettbewerb treten würde.
Dem ist nun nicht so: "Wir werden Azure unseren Partnern öffnen. Auf Basis Cloud-fähiger Windows-Server können diese dann beispielsweise eine Private Cloud in ihren eigenen Rechenzentren installieren, betreiben und ihren Kunden anbieten." Zunächst seien aber noch einige technische Hürden zu meistern, so der Microsoft-Marketier Ketkar.
Außerdem gewährte Ketkar uns einige Einblicken in die technische Basis des Microsoftschen Cloud-Systems: "Azure ist stark vereinfacht betrachtet nichts anderes als ein Windows Server plus Verwaltungskomponenten aus der System-Management-Suite System Center." Damit trat er dem Eindruck entgegen, wonach es sich um ein technisch weitgehend neuartiges System handle, das die Entwicklung komplett neuer Anwendungen erforderlich mache. Zwar habe man viele Elemente neu entwickelt und auch eine Reihe von neuen Programmierschnittstellen geschaffen, jedoch bestehe das Cloud-System im Kern aus Windows-Techniken.
Dass sich Azure im aktuellen Entwicklungsstand dennoch nicht wie ein herkömmliches Windows verhält, liegt in erster Linie an der neuen Architektur, die auf Service-Management und einfache Installation ausgelegt ist. "Uns ging es vor allem darum, die Anwendungsentwicklung von der Plattform zu entkoppeln und die Infrastruktur zu automatisieren", sagt Ketkar. Davon profitieren in erster Linie ISVs , weil sie sich zukünftig keine Gedanken mehr über Verteilungs- und Administrationsaspekte ihrer Software im machen müssen.
Sollte sich beispielsweise die Nutzung einer Applikation stärker als erwartet entwickeln oder tritt zu bestimmten Zeiten eine extrem hohe Last auf, dann kümmert sich im Hintergrund die Azure-Plattform nach den Scale-out-Prinzipien um ein automatisches Hoch- oder Herunterskalieren der Systeme. Scale-out steht dabei für eine stufenlose Skalierung der Infrastruktur je nach der Auslastung einer Anwendung. Demgegenüber steht das klassische Scale-up für ein relativ starres Erweitern mit immer größeren beziehungsweise mehr Maschinen, die dann bei sinkender Nachfrage unausgelastet weiterlaufen.
Unterschiede zwischen Windows Server und Azure
Um diesen hohen Grad der Betriebs- und Provisioning-Automatisierung zu erreichen, müssen Azure-fähige Anwendungen derzeit gewisse formale Kriterien erfüllen. So sind Web-Standards einzuhalten, indem beispielsweise ein Silverlight-Frontend und eine SQL-Azure-Datenbank im Backend zum Einsatz kommen. Azure-Applikationen werden dabei nach einem einheitlichen Paketierungsverfahren in die Cloud hochgeladen, wo sie sich in die Mechanismen zur automatischen Verwaltung und Skalierung einklinken.
Die Beschränkungen bezüglich der Anwendungsarchitektur sind dem aktuellen Entwicklungsstand geschuldet, betont Ketkar. Langfristig laute das Ziel aber ganz klar, dass es weder für Entwickler noch für Anwender einen Unterschied zwischen der Online- und der Offline-Plattform geben soll: "Wir arbeiten an einer Brücke, die eine nahtlose Migration von Windows-Server-Anwendungen auf Azure ermöglicht. In Zukunft wird es egal sein, ob eine Anwendung lokal, also On Premise, oder in der Cloud installiert wird." Doch derzeit ist das noch Zukunftsmusik, da eine Reihe technischer Unterschiede zwischen einem lokalen Windows Server und Azure existieren. Organisatorisch haben die Redmonder die Weichen für diese Verschmelzung aber schon gestellt, indem sie im vergangenen November die Entwicklungsabteilungen für Windows Server und Azure zusammenlegten.
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Wolfgang Miedl ist freier Journalist in ErdingDer Autor
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Derzeit noch nicht möglich ist der Betrieb von klassischen Windows-Desktop-Applikationen auf Azure. Als Lösungsansatz würde sich ein Applikations-Hosting auf Terminal-Server-Basis anbieten, wie es beim alten ASP-Modell praktiziert wurde. Hierbei steigt jedoch der Speicherbedarf auf den Servern enorm, da für jede Benutzersitzung das Basis-Image einer Betriebssystem-Instanz geladen wird. Denkbar wäre laut Ketkar, künftig eine Virtual-Machine-(VM-)Rolle in Azure zu implementieren, die der Administrator als Terminal-Server konfiguriert. Konkret geplant ist hingegen die Option, komplette Windows Server aus dem unternehmenseigenen Rechenzentrum auf Azure und zurück zu migrieren.
Neben der Betriebsplattform wird Microsoft auch andere Produktbereiche zunehmend Cloud-orientiert ausrichten. Exchange 2010 wurde laut Ketkar bereits auf Scale-out-Fähigkeit getrimmt und lässt sich so in On-Premise- und Cloud-Umgebungen flexibel einsetzen. Im Zuge der neuen konzernweiten Cloud-Strategie seien alle Produktgruppen angehalten, ihr Portfolio auf Cloud-Möglichkeiten zu überprüfen. "Wir werden Azure nicht nur als ein Platform-as-a-Service-Angebot unseren Kunden zur Verfügung stellen, sondern Schritt für Schritt auch unsere Anwendungen darauf portieren. Die gehosteten Office-Services BPOS (Business Producktivity Office Suite, Anm. d. Red.) sind dabei erst ein Anfang."
Erste Azure-Partner
Einige Microsoft-Partner haben inzwischen erste Erfahrungen mit Windows Azure sammeln können, so zum Beispiel die Höltl Retail Solutions in Bad Hersfeld, die sich auf ERP-Systeme für den Einzelhandel spezialisiert hat. Höltl entwickelte ein neues Kassensystem auf Cloud-Basis mit einem Silverlight-Client. Im Unterschied zu herkömmlichen Kassen fällt bei diesem System die Hardwareinstallation beim Kunden flach. Wo bisher ein Techniker zum Kunden fahren und vor Ort PC-Kassen installieren und konfigurieren musste, reicht heute die Eingabe einer URL auf einem beliebigen Browser-Client. Damit lädt sich die Kassenoberfläche aus dem Netz, die Geschäftslogik läuft im Azure-Rechenzentrum.
Siemens IT Solutions und Services (SIS) haben auf AzureBasis eine neue Generation ihrer Software-Management-Plattform cRSP entwickelt. Sie dient der ferngesteuerten Softwareverteilung und -wartung für etwa 80.000 von Siemens weltweit installierte Apparate und Anlagen vom Kraftwerksbau bis zur Medizintechnik. Da die Betreuung der Installationen über bisherige VPN-Verbindungen einen enormen Ausbau der Infrastruktur erfordert hätte, wurde die Architektur auf ein Cloud-System umgestellt. Installationspakete werden hierbei zentral in einer SQL-Azure-Datenbank gespeichert und über Internet-Verbindungen an lokale Verteil-Server ausgebracht. Unter anderem entfällt die direkte Verbindung der Endgeräte mit dem Rechenzentrum. Siemens verspricht sich niedrigere Kosten, da die Infrastruktur bei Lastspitzen hochskaliert und bei niedriger Auslastung nur wenige Ressourcen in Anspruch nimmt. (rw)
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