Microsoft holt erneut aus: Einen zweistelligen Millionenbetrag will das Unternehmen in den kommenden sechs Monaten investieren, um Partnern den Einstieg in das Cloud-Geschäft zu erleichtern. "Das Cloud Business ist und bleibt für uns ein Partner Business", kommentierte Bernd Stopper, Direktor Partner Business & Development bei Microsoft Deutschland, die Ankündigung. Alexandra Hanke, bei Microsoft-Partner Glück & Kanja Consulting für strategische Allianzen verantwortlich, kann das aus eigener Erfahrung bestätigen. Das Office-365-Projekt, das Glück & Kanja kürzlich bei der Fachhochschule Düsseldorf abgeschlossen hat, kam auf Vermittlung des Herstellers zustande: "Der CIO der Hochschule hatte sich zunächst direkt an Microsoft gewandt und wurde an uns weiter vermittelt."
Zwar vermarktet Microsoft die Office 365-Angebote auch direkt. Partnern nehme man damit aber kein Geschäft weg, betont Wolfgang Brehm, Direktor Mittelstand, Distribution und Fachhandel bei Microsoft Deutschland: "Das Direktgeschäft zielt auf kleine Kunden, die typischerweise keine Partner und deren Leistung in Anspruch nehmen und diese auch nicht bezahlen könnten. Derzeit haben wir hier einen Durchschnitt von 4 Lizenzen pro Kunde. Wir adressieren also hier die richtige Zielgruppe und nehmen unseren Partnern kein Geschäft weg." Genaue Zahlen zum Anteil des Direktgeschäfts im Office-365-Segement gibt der Hersteller nicht bekannt.
Doch trotz aller Beteuerungen, die Microsoft zum Channel-Vertrieb bekundet, begegnen viele Partner den Cloud-Plänen des Herstellers mit Misstrauen. Stopper sieht die Ursache für dieses Misstrauen vor allem in mangelnder Kommunikation. "Der Informationsbedarf ist hoch, und wir werden hier verstärkt aktiv werden", erklärte er.
Um Zweifel am Erfolg des Cloud-, speziell des Office-365-Geschäfts in Deutschland auszuräumen, präsentierte Brehm auch erstmals konkrete Zahlen:
Von den aktuell 36.500 Partnern haben im Jahr 2013 hierzulande 6.821 Partner (also knapp 19 Prozent) mindestens einen Office-365-Volumenlizenzvertrag abgeschlossen. 4.178 von ihnen brachten mindestens einen Vertrag für Office 365 unter Dach und Fach, weitere 2.437 Reseller schlossen Exchange-Verträge ab, und noch einmal 2.400 Partner verkauften mindestens ein Office 365-Paket. Nicht miteingerechnet sind hier die SPLA-Projekte (Service Provider Licence Agreements) der Hosting-Partner, die Stopper auf rund 1.500 beziffert.
"Es gibt ebenso viele Partner, die Cloud-Geschäfte machen wie Partner, die On-Premise-Lizenzen verkaufen. Das ist kein Pflänzchen, sondern wir sind auf Ballhöhe", zieht Brehm Bilanz.
Förderprogramm "SureStep" für Office 365
Wenn das Cloud-Geschäft in Deutschland so gut läuft, warum investiert dann Microsoft erneut Millionen? Es geht offenbar nicht schnell genug voran mit der Cloud – der Abstand zu den europäischen Nachbarländern macht zu schaffen. Die Gelder fließen deshalb in ein neues Einsteigerprogramm namens "SureStep". Es soll Startups und bestehende Partner unterstützen, das Office 365 Business anzupacken.
Wer sich für SureStep registriert, erhält einen festen Ansprechpartner und kann spezielle Trainings absolvieren. Im Gegenzug verpflichtet sich der Reseller, mit Hilfe seines SureStep-Ansprechpartners mindestens zwei seiner Bestandskunden für ein Office-365-Projekt zu gewinnen und die Migration umzusetzen.
Nach Abschluss dieser ersten beiden Projekte werden Schritte für die Weiterentwicklung des Geschäfts sowie die passenden Trainings- und Programmbausteine festgelegt. Betreut wird der Partner ab diesem Zeitpunkt von einem der Distributoren. "Wir wollen binnen zwölf Monaten eine zweistellige Zahl an Partnern für dieses Programm gewinnen", erklärt Brehm.
Partnerprogramm MPN auf Cloud getrimmt
"Die Chancen für Partner, mit Cloud-Angeboten neues Geschäft zu generieren und ihre Profitabilität zu erhöhen, sind enorm", begründete Stopper die angekündigten Neuerungen für das Partner Network (MPN).
Die folgenden, ersten Änderungen greifen zum 24. Februar 2014:
Das Cloud Essentials-Programm, wird eingestellt und ersetzt durch das "Action Pack", das Partnern unter anderem die kostenlose Nutzung aller Cloud-Produkte für den internen Gebrauch gewährt.
Partner können sich ab diesem Zeitpunkt zum "Intelligent Systems"-Spezialisten zertifizieren und damit alle Kompetenzen für "das Internet der Dinge" erwerben. Elementarer Bestandteil sind dabei Microsofts Embedded Systems.
Änderungen im MPN ab dem dritten Quartal 2014:
Die Programme Cloud Accelerate (das ursprünglich jetzt auslaufen sollte) sowie Cloud Deployment & Azure Circle bleiben voraussichtlich bis zum vierten Quartal 2014 bestehen. Ab dem dritten Quartal 2014 werden sie in Kompetenzprogramme überführt
Die bislang getrennten Kompetenzen für Server Platform, Management & Virtualization und Identity & Access werden in der Datacenter-Kompetenz gebündelt.
Hosting Tracks für die drei Themen Datacenter, Data Platform, Messaging und Communications gehen an den Start.
Die Voraussetzungen zum Erwerb der SAM-Kompetenz werden geändert ebenso wie die Auflagen für die Business Intelligence-Spezialisierung, die zudem umbenannt wird in "Data Analytics"
Die Mobility-Kompetenz wird ersetzt durch die Spezialisierung auf Application Development oder Devices and Deployment.
Vergütungsprogramme angepasst
Bereits mit Wirkung zum 25. Januar wurden die Rahmenbedingungen für die "Online Advisor Incentives" geändert. Diese Prämien können Partner für Projekte mit Großkunden (Enterprise Agreements ab 250 User, kurz EA) erhalten.
Im Zuge der Änderungen wurden das Deployment & Design (DD) und das Solution Provider Pack verschmolzen sowie die Bemessungsgrundlage (EA Rate Card) für die Vergütung der Cloud Essential & Cloud Accelerate Partner geändert. Im Channel hatte das für Wirbel gesorgt (ChannelPartner berichtete).
"Wir haben die Vergütungen nicht reduziert", kontert Stopper auf kritische Stimmen, und begründet die Maßnahme: Die Höhe der Online Advisor Incentives basiere auf der Annahme eines geschätzten und quartalsweise angepassten Durchschnittspreises, den der Endkunde für Office 365 bezahlt. Im August 2013 hatte Microsoft die Preise für Office 365 erneut gesenkt. "Die Incentives ab August wurden aber noch auf Basis der alten, höheren Preise ausbezahlt", führt Stopper aus. "Wir haben jetzt lediglich die Incentives den aktuell gültigen Preisen angepasst." Im Gegenzug wurde die Bandbreite der bonifizierbaren Cloud-Produkte erweitert. "Wir belohnen Partner, die in die Cloud gehen", betonte der Partnermanager.
An der Struktur der Incentives für Deployment-Partner, für Reseller (Open/EA) und für "Web Direct" habe sich nichts verändert: "Das Deployment wird weiterhin mit einmalig 12 Prozent vergütet, Accelerator mit einmalig 7 Prozent und Manage mit 4 Prozent jährlich, basierend auf der EA Rate Card."
Strategische Beratung
Technologisch sind nach Ansicht Stoppers viele Partner bereits sehr fit für die Cloud. Probleme bereiteten eher der Umbau des Geschäftsmodells, beispielsweise die Anpassung der Provisionsregelungen für Vertriebsmitarbeiter, das Design eines passenden Webshops sowie Aspekte der Datensicherheit und des Datenschutzes. Deshalb bietet Microsoft ergänzend zu den Trainingsprogrammen auch Workshops an, in denen Partner mit Hilfe eines externen Beraters all diese Detail-Aspekte klären können, die für die Transformation ihres Geschäftsmodells wichtig sind.
Unruhe im Channel
Microsoft müht sich also redlich, Partnern den Weg in die Cloud zu ebnen. Die Partnerprogramme für das Cloud-Portfolio werden erweitert und die Strategie für Social, Mobile und Big Data soll besser vermittelt werden. Fraglich ist aber, ob das reicht, um die seit längerem spürbare Unruhe im Channel zu glätten.
Microsoft hat seine Vertriebspartner in jüngster Zeit kräftig aufgemischt. Vergleichsweise schnell und nach Ansicht vieler Partner viel zu radikal drehte der Software-Tanker auf Cloud-Kurs. Preise, Lizenz- und Vertriebsmodelle für das Flaggschiff, Office 365, wurden mehrfach neu justiert.
Für einen Teil der Partner war das kein Problem. Utilitas und Pironet beispielsweise, integrierten Microsofts Cloud-Strategie zügig in ihr Geschäftsmodell - oder legten es im Fall von Utilitas - sogar komplett darauf aus.
Ringen um das Geschäftsmodell
Das Geschäft mit klassischen On-Premise-Produkten rund um Virtualisierung, Software-Infrastruktur und Betriebssystemen, lief und läuft derweil zwar weiter. In der Kommunikation und beim Support gerieten diese Geschäftssegmente - trotz der zahlreichen neuen Produkt-Releases - aber massiv ins Hintertreffen, monieren die Partner.
Für Systemhäuser, die ihr Kerngeschäft viele Jahre lang sehr erfolgreich mit Microsofts Infrastruktur-Produkten bestritten, erweist sich diese Gemengelage deshalb als hoch explosiv. Zum einen, weil sie derzeit in diesem Segment keine klare Strategie erkennen. Zum anderen, weil trotz aller Bekenntnisse zum Channel befürchtet wird, Microsoft könnte langfristig die Cloud-Produkte direkt abwickeln, weil diese standardisierten Produkte weder individueller Beratung noch Anpassungen noch sonst nennenswerter Dienstleistungen bedürften.
Das ist auch der Grund, weshalb Partner auf jede Veränderung der Preis- und Vergütungsmodelle hoch empfindlich reagieren. Dass Microsoft die für den Channel äußerst interessante SPLA-Variante (Server Provider Licence Agreement) seltener erwähnt als das Office 365-Modell, schürt ebenfalls die Bedenken.
SPLA-Partner haben nicht nur die Möglichkeit, das Cloud-Angebot von Microsoft individuell anzupassen und eigene Services mit einzubringen, sondern behalten auch die Kundenhoheit. Das Modell setzt voraus, dass der Partner selbst hostet oder die Hosting-Leistungen bei einem Rechenzentrumsbetreiber anmietet. Vermarkten kann er alle Produkte, die auch in Office 365 stecken - allerdings nicht unter diesem Namen.
Bei manchen Microsoft-Partnern erweckt das Schweigen über SPLA den Eindruck, Microsoft betrachte das SPLA-Modell schon gar nicht mehr als "Cloud": "Die beginnt erst bei Office 365 - also wenn ausschließlich Microsoft die Bereitstellung - und damit auch die Kundenbeziehung kontrolliert. Im Grunde gelten bei Microsoft nur noch Azure, Office 365 und deren Add Ons als "Cloud", wie es ein Systemhauspartner formuliert.
Es ist nicht nur Misstrauen gegenüber der Channeltreue, das die Partner umtreibt. Es ist vor allem auch die Frage, welche Art Geschäftsmodell die Cloud-Strategie des Herstellers impliziert. Und das sieht nach Ansicht vieler Systemhäuser so aus: Erst wenn der Partner zum reinen Cloud-Makler geworden ist, der ausschließlich volumenstarke Standard-Dienste verkauft, erst dann ist er für Microsoft ein echter Cloud-Partner. "So funktioniert aber das Geschäft nicht", kritisiert ein Partner. "Für ein Systemhaus wird es auch künftig entscheidend sein, dem Kunden die ganze Bandbreite anzubieten: klassische Dienstleistungen und Cloud Services."
"Kerngeschäft rund um Infrastruktur wird vernachlässigt"
Hinzu kommen lokale Befindlichkeiten: Die Nachfrage nach traditionellen On-Premise-Produkten, insbesondere im Bereich Infrastruktur wie SystemCenter, sei ungebrochen hoch, gleiches gelte generell für das gesamte UCC-Portfolio. Noch immer suchten außerdem viele ihrer Kunden, die beispielsweise Teile ihre Office-Anwendungen nicht in die Cloud verlagern wollten, nach einer kostengünstigen Alternative für den Small Business Server (SBS). Doch diese Themen habe Microsoft in der Kommunikation mit Partnern komplett aus den Augen verloren.
Zudem hake es beim Support rund um die Infrastruktur-Produkte. "Alles wirklich gute Lösungen, aber immer wieder tauchen massive Probleme bei der Integration auf, weil bei den Upgrades und Service-Packs plötzlich wichtige Funktionen der Vorgängerversion fehlen – oder vergesse wurden", ist immer wieder von Partnern zu hören. Die wenigen Support-Tickets, die im Rahmen des Partnerprogramms zur Verfügung stehen, seien damit schnell aufgebraucht. Und dann beginne die Odyssee durch die Hotlines.
Die Cloud habe Microsoft den Blick verschleiert für die Gegebenheiten des deutschen Marktes, monieren die Kritiker, alles drehe sich nur um Office 365 und Azure.
Dass die Cloud künftig eine wichtige Rolle spielen werde, bestreitet dabei keiner der Partner, im Gegenteil. Wie Microsoft sind sie überzeugt, dass Kunden hybride Szenarien, also einen Mix aus hausintern betriebener und aus der Cloud bezogener IT-Ressourcen, einsetzen werden. Sie stört, dass Microsoft die zweite Komponente dieses Mixes vernachlässigt und gleichzeitig in überstürztem Tempo neue, nicht ausreichend getestete Produkt-Releases oder Versionen auf den Markt bringt.
Vielleicht werden sich Kunden in Deutschland tatsächlich viel schneller Richtung Cloud bewegen, als es die Partner erwarten. Dann müssten sich bei Microsoft schon jetzt Projektanfragen all jener Kunden häufen, deren Dienstleister noch nicht auf den Zug aufgesprungen ist.