Windows am Mac

Parallels Desktop 14 und Vmware Fusion 11 im Vergleich

12.10.2018 von Stephan Wiesend
In unserem Test erweist sich die neue Version von Parallels Desktop als gelungenes Upgrade, aber auch Fusion zeigt neue Stärken.
Auch unter Mojave kann man dank Virtualisierungssoftware Windows und Linux nutzen.

Für die meisten Mac-Anwender ist Parallels Desktop längst kein Unbekannter mehr. Das Programm hat einen hohen Reifegrad erreicht und bietet nur noch wenig Überraschungen – im positiven aber auch negativen Sinne. Neben dem spartanischen Virtual Box ist der stärkste Konkurrent das gerade aktualisierte Fusion 11 – steht doch hinter der Lösung der Software-Gigant Vmware. Zeit für einen Vergleich der beiden Lösungen.

Virtualisierungssoftware: Vorteile und Nachteile

Will man Windows-Anwendungen auf seinem Mac verwenden, kann man Bootcamp installieren. Für jeden Zugriff auf eine Windows-App muss man dann aber in dieses System booten – und hat danach eben keinen Zugriff auf seine vertrauten Mac-Anwendungen mehr. Bei einer Virtualisierungssoftware wird dagegen ein Betriebssystem wie Windows wie ein zusätzliches Programm installiert: Problemlos kann man neben Mail und Safari dann Visio, Access oder die nur unter Windows lauffähige Branchensoftware nutzen – fast als wären sie ein Mac-Programm. Das Prinzip bringt einige Vor- und Nachteile. Das Huckepack laufende Gast-Betriebssystem hat zwar direkten Zugriff auf die CPU, die komplette restliche Hardware eines PCs muss aber in Software emuliert werden. Das führt dazu, dass Apps, die vorrangig die CPU belasten wie Browser und Office-Programme, schnell und performant laufen. Da eine Grafikkarte aber nur als Software-Version zur Verfügung steht, ist die Grafikleistung begrenzt. Nur ältere Spiele laufen mit vernünftiger Geschwindigkeit. Interessant ist eine Virtualisierungssoftware vor allem, wenn man auf PC-Anwendungen wie Framemaker, Visio oder Sketchup zugreifen muss. Parallels Desktop und Fusion werden vor allem für Windows-Hosts genutzt, unterstützen aber auch Linux, macOS und andere Betriebssysteme als so genanntes Gastsystem. Profis nutzen oft mehrere Systeme parallel, etwa um eine Webanwendung unter Windows 7, Windows 10 und macOS zu testen.

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Komfort und Funktionsumfang

Viel Wert legte Parallels bei einer Vorab-Demonstration auf die gute Unterstützung von Microsoft Ink, was die Nutzung in Anwendungen wie Office, Photoshop oder Corel Draw ermöglicht. Allgemein ist Parallels klar überlegen, wenn es um die Integration von Windows in macOS geht. Datenaustausch zwischen Mac und Windows ist nach der Installation sofort möglich, bei der täglichen Nutzung bietet Parallels zahlreiche praktische Zusatzfunktionen. So hat man etwa über einen automatisch ergänzten Ordner im Dock direkten Zugriff auf alle Windows-Apps, man kann Cortana nutzen und die bei virtuellen Maschinen oft lästigen Wartungsvorgänge von Windows 10 manuell starten oder verschieben. Selbst die Touchbar kann man dank speziellem Editor nutzen und konfigurieren.

Gut gefällt uns bei Parallels die einfache Installation neuer Systeme, so kann man aus dem Installationsassistent aus mehreren kostenlosen Systemen auswählen und sofort eine Windows-Entwicklungsumgebung, Microsoft-Edge-Testumgebung oder auch macOS High Sierra installieren. Profis bietet Parallels bei Kauf der Pro-Version außerdem eine Reihe an Developer-Tools wie ein Kommandozeilentool, ein Jenkins-Plug-in, Docker-Treiber, Chef, Vagrant-Provider und Nestet Hyper-V-Support.

Ergänzt hat Parallels die im Lieferumfang enthaltene Tool-Sammlung Toolbox. Dabei handelt es sich um eine Sammlung an Hilfsprogrammen für Mac und Windows, die auch als separates Produkt erhältlich ist. Neu dazugekommen ist ein Tool, das Screenshots einer kompletten Webseite anfertigt, eine Funktion für das Freigeben von Arbeitsspeicher und ein Batch-Konverter für das Ändern der Größe von Bilddateien.

Mit der Toolbox kann man jetzt auch seine Windows-Umgebung aufräumen und Speicherplatz sparen.

Beim Komfort und Funktionsumfang kann Fusion nicht mithalten. Nach der Installation stehen zwar alle Funktionen von Windows zur Verfügung, es gibt aber weit weniger Optionen für die nahtlose Integration ins Mac-System. Es gibt zwar ein nützliches Menüleistensymbol für den direkten Start von Windows-Apps und man kann per Kontextmenü eine Datei in einer Windows-App öffnen. Bei der Freigabe von Ordnern und Dateien ist Fusion aber deutlich unkomfortabler und erfordert häufiger eine manuelle Konfiguration. Selbst die Installation der speziellen Erweiterungen, der Vmware Tools ist etwas umständlicher. Man kann bei Vmware ebenfalls Windows-App als Einzelanwendungen unter macOS nutzen, dieser Unity-Modus funktioniert aber weniger flüssig als Coherence bei Parallels – das fällt uns schon beim Bewegen von Browser-Fenstern auf.

Wichtig für viele Fusion-Nutzer ist aber die gute Einbindung ins Vmware-Ökosystem, so kann man sich mit einem vSphere/ESXi-Server verbinden oder vSphere Remote View nutzen. Zahllose Anwendungsvorlagen im als Standardformat OVF kann man direkt nutzen wie das REST API von Vmware. Fusion 11 nutzt außerdem die gleiche Hardware-Plattform (Virtual Hardware Version 16) wie die Windows-Version Workstation Pro 15 was den Austausch von virtuellen Maschinen erleichtern sollte.

Wichtig für die problemlose Nutzung als virtuelles System ist die Installation spezieller Erweiterungen.

Mojave wird von beiden Tools bereits unterstützt. Mindestvoraussetzung bei Parallels ist macOS 10.11, bei Fusion erst macOS 10.12.

Schneller starten

Wichtigste Neuerungen sind bei Parallels 14 aber Verbesserungen in der Performance und geringerer Platzbedarf. Besonders stark profitieren Besitzer eines iMac Pro, da erstmals die Hardwarebeschleunigung AVX512 der iMac-Pro-CPUs unterstützt wird – laut Hersteller kann dies Leistungssteigerungen von bis zu 200 Prozent bringen. Unser direkter Vergleich der wichtigsten Systemaktionen unter Paralles 13 und Parallels 14 kann eine deutliche Beschleunigung bestätigen, allerdings war auch Version 13 schon keine lahme Ente. Sparsam mit RAM geht Parallels aber weiterhin nicht um, für die parallele Nutzung von Windows- und Mac-Apps empfehlen wir mindestens 8 GB an RAM. Programmstarts sollen außerdem bis zu 80 Prozent schneller, der Start um bis zu 10 Prozent zügiger ablaufen. Auch der Standby-Vorgang auf APFS-Medium wurde um bis zu 30 Prozent beschleunigt, so der Hersteller.

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Wir überprüfen dies aber lieber selbst und vergleichen die Performance der beiden Programme Fusion und Parallels auf einem Mac Mini 2012 mit SSD und 8 GB RAM. Bei vielen Alltagsaufgaben muss sich Vmware klar geschlagen geben: Bei einem kompletten Neustart warten wir bei Parallels 20 Sekunden, Fusion benötigt dagegen 69 Sekunden. Auch iTunes startet mit 9 statt 11 Sekunden unter Fusion langsamer. Der Windows-Start eines gespeicherten Systems erfolgt mit 7 Sekunden sogar doppelt so schnell wie unter Fusion. Beim Duplizieren eines Ordners gibt es weniger Unterschiede, mit 20 vs. 25 Sekunden ist aber wieder Vmware gemächlicher.

Viele Optimierungen bei Parallels betreffen außerdem den zurückhaltenderen Umgang mit Speicherplatz auf dem Mac: Eine neue Speicherplatzoptimierung, die sowohl Mechanismen von Windows als auch Mac kombiniert, soll erhebliche Einsparungen bringen. Snapshots eines Systems (eine Art Backup) benötigen etwa 15 Prozent weniger Speicherplatz.

Grafikleistung und Kompatibilität

Langfristig zu einem Problem entwickelt sich bei beiden Programmen die mäßige Unterstützung aktueller Grafikbibliotheken, so kann Parallels aktuell nur DirectX 10 bieten, Vmware ist mit Direct X 10.1 auch nicht viel besser. Beide unterstützt außerdem mittlerweile Open GL 3.3.

Parallels und Vmware unterstützen jetzt Open GL 3.3

Das ist eigentlich nicht die Schuld der Hersteller, Apple bietet hier keine passenden APIs. Trotzdem bedeutet dies für das Virtualisierungsprogramm eine echte Einschränkung, setzen doch viele aktuelle Anwendungen eine leistungsfähige Grafikkarte voraus. Nutzer von Grafikanwendungen von Autodesk beschweren sich darüber in den Parallels-Foren immer wieder lautstark. Verbessert hat Parallels in der aktuellen Version nach eigenen Angaben aber die OpenGL-Unterstützung vieler Programme. Speziell die Anwendungen SketchUp, CTVox, DIALux 8 und OriginLab sollen von den Optimierungen profitieren. Externe Monitore unterstützt die Anwendung ebenfalls besser, erstmals kann man bei Videokonferenzen zudem Kameras mit 4K-Auflösung verwenden. Fusion bietet mit der neuen Version Fusion 11 erstmals die Unterstützung von Direct X 10.1, Open GL 3.3 und unterstützt Metal. Beim Thema Kompatibilität wird eine Wertung etwas kompliziert, da dies sehr stark von dem jeweiligen Programm abhängt. In der Praxis kann es hier große Unterschiede geben, so unterstützen beispielsweise beide Lösungen Open GL 3.3, Vmware aber weitaus mehr GL Extensions. Auch bei Vmware sind Probleme mit Grafiktreibern eines der häufigsten Foren-Themen genervter Nutzer. Auf ausführlichere Kompatibilitätstests haben wir angesichts des Aufwands allerdings verzichtet. Hier wird außerdem von Parallels und Vmware ständig nachgebessert. Will man eine teure Grafikanwendung unter Parallels oder Fusion nutzen, sollte man die App bzw. Virtualisieurungssoftware aber besser vor dem Kauf ausführlich testen.

Die Grafikleistung bleibt ein Schwachpunkt der virtuellen Systeme.

Für Spiele sind die Lösungen nach unserer Meinung wenig geeignet, wenn man nicht gerade ein Fan älterer Titel ist. Schon einen mit den virtuellen Maschinen kompatiblen Grafikbenchmark zu finden ist nicht so einfach, wir greifen deshalb für unseren Test auf ziemlich alte Benchmarks zurück. Problemlos läuft etwa 3DMark06. Mit 4541 Punkte konnte auch hier Parallels an Fusion vorbeiziehen, das nur 3179 Punkte schaffte. 1425 Punkte erzielt Parallels mit dem ebenfalls steinalten DirectX 10-Benchen 3DMark Vantage, Fusion 695 Punkte.

Preise:

Kompliziert ist bei Parallels das Preismodell: Das Tool ist in vier Varianten verfügbar, einer unbefristeten Standard-Version und drei Abo-Versionen. Unverändert bleiben die Preise für die Abo-Versionen Standard, Mac Pro Edition und Business Edition. Ein Jahresabo der Standardversion kostet 79,99 Euro pro Jahr, die Versionen Mac Pro und Business Edition 99,99 Euro. Etwas teurer wurde die unbefristete Lizenz der Standard-Edition, die jetzt 99,99 Euro kostet. Nutzer der unbefristeten Versionen von Parallels 12 oder 13 zahlen für ein Upgrade 49,99 Euro, ein Upgrade auf Desktop Pro kostet ebenfalls 49,99 Euro. Parallels Toolbox und Parallels Access sind bei den Abo-Versionen ebenfalls mit dabei, bei der unbefristeten Version als Jahreslizenz.

Fusion gibt es ebenfalls als Standard- und Pro-Version: Die Standard-Version Fusion 11 startet bei 88,95 Euro, die Pro-Version kostet 176,95 Euro – Upgrades sind für 54,95 bzw. 131,95 Euro zu haben. Systemvoraussetzung ist macOS 12.5 und Macs ab 2011. Tipp: Für Parallels-Kunden gibt es bis zu 40 Prozent Rabatt. Achtung: Die Standard-Version sind bei beiden Anwendern unterschiedlich beschnitten: Bei Parallels nutzen sie nur eine bestimmte Anzahl an CPUs und RAM, bei Vmware unterstützt nur die Pro-Version Funktionen wie vSphere, Secure VM und Co.

Unsere Empfehlung

Stärke von Fusion ist die Unterstützung der Vmware-Familie und das Tool ist eine solide Lösung mit guter Kompatibilität. Parallels Desktop ist aber eindeutig die schnellere und komfortablere Lösung und deshalb weiterhin unsere Kaufempfehlung. (Macwelt)