Auf der Anfang November 2020 rein digital abgehaltenen Hausmesse OVHcloud Ecosystem Experience hatte OVHcloud wenig echte, bahnbrechenden Neuigkeiten zu verkünden. Das sei aber nicht weiter schlimm, so Vertreter des Unternehmens. Dafür sei die Veranstaltung auch nicht primär gedacht. Ihnen gehe es vielmehr darum, die Leistungsfähigkeit des Unternehmens erneut unter Beweis zu stellen und mit vielen kleinen Innovationsschritten aufzuzeigen, dass man sich und das Angebot für die Kunden kontinuierlich weiterentwickelt. Und das ist ganz gut gelungen.
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Aus Sicht deutscher Beobachter zumindest eine hochgezogene Augenbraue wert war die strategische Partnerschaft mit T-Systems "zum gemeinsamen Aufbau einer einzigartigen souveränen Plattform für die Entwicklung von Public-Cloud-Technologien." Diese Partnerschaft ist zwar für keinen der beiden exklusiv, aber sie könnte OVHcloud Zugang zu ganz neuen Kundengruppen verschaffen. Beide Unternehmen sind zudem Gründungsmitglieder von Gaia-X. OVHcloud sieht sich hier als Teil seines "fortlaufenden Engagements für strategische Unabhängigkeit in Europa" als zentrales Bestandteil, "um europäische Werte in der Cloud-Branche und auf dem weltweiten Markt zu etablieren."
OVHcloud sucht nach dem dritten Weg
"Die Etablierung eines dritten Weges in der Datenwelt ist keine leichte Aufgabe", erklärt Michel Paulin, CEO von OVHcloud, der damit eine Alternative zu den USA einerseits und China andererseits meint. "Dank unseres einzigartigen und starken Ökosystems, das Kernwerte wie Offenheit, Reversibilität und Transparenz teilt, sind wir aber zuversichtlich, dass wir es schaffen können."
Als ermutigende Rückmeldungen aus dem Markt verwies er dabei auf Ranking von IDC, in dem OVHcloud als einziges europäisches Unternehmen als führend bezeichnet wird. Ene weitere Studie von Forrester bescheinigt den Franzosen ebenfalls die Führungsrolle in Europa und eine gute Position in den USA .
Zusätzlich verstärkt das Unternehmen auch seine Bemühungen um wichtige Zertifizierungen wie das Testat nach C5 in Deutschland, SecNumCloud in Frankreich oder AgID in Italien zu erhalten und wird sich auch der britischen G-Cloud anschließen - trotz Brexit. Personell gab es ebenfalls Zuwachs: Laut CEO Paulin wurde OVHs Belegschaft seit Beginn der Corona-Pandemie um zehn Prozent erweitert und umfasst nun über 2.400 Beschäftigte.
Storage-Angebot erweitert
Technisch hatte OVHcloud bereits früher im Jahr durch zwei Übernahmen aufgerüstet. Hier gab es zum Online-Event lediglich noch Erklärungen, keine Ankündigungen mehr. Mit dem Kauf von OpenIO kam Expertise und Technologie im Bereich Object Storage hinzu. Da das Unternehmen in Paris ansässig ist, dürfte die Integration zügig vonstattengehen.
Als Referenzkunden stellte OVHcloud bereits die ESA, die Europäische Weltraumbehörde vor, die zehn PByte Speicherplatz nutzt, um unstrukturierte Daten, wie Satellitenbilder, dort abzulegen. Hier kommen täglich 60 TByte neuer Daten hinzu und es sind hunderte von gleichzeitigen Nutzerzugriffen zu organisieren. In Zukunft sollen aber auch KI-Tools auf diese Daten zugreifen und unterschiedliche KI-Services zur Auswertung der Daten entwickelt werden, (KI = "künstliche Intelligenz").
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Ein weiterer Referenzkunde für Object Storage ist die Firma Systran, ein Spezialist für automatisierte, industriespezifische Übersetzungen. Der hat über 70 TByte an Daten von AWS S3 zu OVHcloud migriert, zu denen monatlich weitere zehn TByte hinzukommen. Gründe für die Migration waren der Schutz des geistigen Eigentums, die Anbieterunabhängigkeit und die kalkulierbareren Preise. De Aufwand habe sich bereits nach zwei Monaten auch finanziell gelohnt.
Mit dem Kauf der Technologie von Exten, einem texanischen Spezialisten für Storage-Software mit Schwerpunkt auf NVMe over Fabrics (NVMe-oF) hat sich OVHcloud auch bei seinem Block-Storage-Angebot verstärkt. Bei File-Storage setzen die Franzosen auf eine Kooperation mit NetApp, zur Archiverung auf die Zusammenarbeit mit dem Tape-Spezialisten Atempo.
KI-Toolbox mit 30 europäischen Partnern kommt endlich
Außerdem kündigte das Unternehmen an, eine komplette KI-Toolbox zur Verfügung zu stellen, mit der Unternehmen eigene KI-Lösung erstellen oder einsatzbereite KI-Anwendungen nutzen können, die auf dem OVHcloud-Ökosystem basieren.
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Dafür habe man 30 "führende europäische KI-Experten" ausgewählt, die "end-to-end"-Lösungen liefern und skalieren können. Kleiner Seitenhieb gegen die Konkurrenz: Bei diesen Angeboten soll die Preisgestaltung vollkommen transparent und vorhersehbar sein. Allerdings wird es jetzt auch Zeit, dass sie endlich verfügbar sind, denn darüber gesprochen wird schon länger.
"Zusätzlich zu den zwei neuen Rechenzentren, die wir 2020 eröffnet haben, um spezifischen Anforderungen hinsichtlich Souveränität gerecht zu werden, wird dieser neue Baustein ein wichtiger Schlüssel sein, um unseren Cloud-Nutzern die besten KI-Lösungen in einem offenen und vertrauenswürdigen Framework zur Verfügung zu stellen", erklärt Alain Fiocco, CTO von OVHcloud, zum kommenden KI-Angebot. Weitere Ankündigen dazu sollen noch im Laufe des Jahres 2020 erfolgen.
Weiterhin Wachstum mit Partnern geplant
"Wir wachsen schneller als der Markt, der immerhin auch zweistellig zulegt", berichtet Falk Weinreich, der als General Manager Central Europe bei OVHcloud auch für Deutschland verantwortlich ist. Das französische Unternehmen erwirtschafte inzwischen 60 Prozent seiner Umsätze außerhalb von Frankreich.
Die Partnerschaft mit T-Systems sei zustande gekommen, weil beide Firmen - trotz unterschiedlicher Größe und Historie - "das gleiche Mindset" hätten, wie sich bei den Gesprächen rund um Gaia-X gezeigt habe, wo beide Unternehmen Gründungsmitglieder sind. T-Systems, das auch mit den US-Anbietern zusammenarbeitet, habe erkannt, dass man für echte DSGVO-Compliance, eine eigene Cloud benötige.
Daher setzt T-Systems in seinen eigenen Rechenzentren nun die Technologie von OVHcloud ein. "Die Open Telekom Cloud basiert auf Huawei-Technologie - da ist Datensouveränität auch nicht glaubhaft vermittelbar", merkt Weinreich an. Zielmarkt für das gemeinsame Angebot seien alle Interessenten, "die Gaia-X-Themen so richtig wichtig finden." Als Beispiele für erste Kunden nennt Weinreich Thales, Dassault Systèmes und Airbus Industries. Daran zeigen sich dann doch wieder die französischen Wurzeln - aber man arbeitet intensiv daran, daraus europäische Standbeine zu machen.
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"Wir gehen mit unseren Lösungen immer stärker den Enterprise-Markt an, vor allem den Public Sector aber auch den gehobenen Mittelstand", berichtet Weinreich. Von dem bereits gestarteten Marktplatz mit Saas- und PaaS-Angeboten erwartet er sich hier einen weiteren Schub. Der soll bald auch in Deutschland nutzbar sein. Aber auch mit den klassischen OVH-Angeboten gibt es Erfolge zu vermelden. Zum Beispiel ist der bekannte Spielefabrikant Ravensburger mit seinem gesamten Online-Geschäft auf OVHcloud migriert - und hat da den E-Commerce-Boost während der Corona-Zeit gut gemeistert.
Grün wird wieder wichtiger
Am Tag des Ausstiegs der USA aus dem Pariser Klimaabkommen verwies Francois Stérin, EVP Industry bei OVHcloud, auf die umfangreichen Umweltinitiativen seines Unternehmens. Die seien besonders für Kunden im Bereich öffentlicher Auftraggeber und Gesundheitswesen wichtig, würden aber auch aus anderen Bereichen verstärkt positiv gesehen. Die Nachhaltigkeit fange bei OVHcloud bereits beim Bau von Rechenzentren an: "25 unserer 31 Rechenzentren sind renovierte Industriegebäude", so der Manager.
Außerdem sieht er das vertikal integrierte Modell von OVHcloud - das nicht nur seine Rechenzentren, sondern auch seine Server selber baut - als einen wichtigen Faktor, um den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und gleichzeitig bei der Preisgestaltung konkurrenzfähig zu sein. Zum Beispiel habe man bereits 2003 in den Rechenzentren Wasserkühlung eingeführt. Das ermögliche einen PUE-Wert 1,09 und 1,3, der Branchendurchschnitt liege dagegen bei knapp 2.
Und auch beim bislang wenig beachteten WUE-Wert (Water Usage Efficiency) sieht sich OVHcloud mit einem Wert von 0,2 weit vorne. "Wir benötigen nur ein Glas Wasser, um einen Server zehn Stunden lang zu kühlen, während der Branchendurchschnitt dafür eine volle Flasche Wasser benötigt", so Stérin weiter. Doch die Ziele gehen noch darüber hinaus: Bis 2025 soll mit einem vollständig erneuerbaren Energiemix Klimaneutralität erreicht werden. Darüber hinaus plant OVHcloud, bis 2030 das Ziel der Netto-Null-Emission zu erreichen.
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