Aus Sicht der Analysten hat es Oracle in erster Linie auf das Softwaregeschäft von Sun abgesehen. Das Schicksal der Hardware rund um Suns Sparc-Architektur und das von Storagetek zugekaufte Speichergeschäft sei dagegen mehr als unklar. Jim McGregor, Chief-Technology-Stratege von In-Stat, ist skeptisch, was die Zukunft von Suns Hardware betrifft. Die Sparc-Architektur habe im Markt der Unix-Server kontinuierlich Marktanteile gegen die konkurrierenden Plattformen von IBM und Hewlett-Packard verloren. Das sei Grund genug für Oracle, die Sparc-Entwicklung einzustellen beziehungsweise das Geschäft ganz abzustoßen. Der Markt für Unix-Server ziehe sich mehr und mehr in bestimmte Nischen wie das High Performance Computing (HPC) zurück. "Für viele Anbieter gibt es deshalb keinen Sinn, an diesem Geschäft festzuhalten." McGregor verweist auf das Schicksal von Unternehmen wie Cray und SGI, die mittlerweile von der Bildfläche verschwunden seien.
Es gebe für Oracle kaum Gründe, die Sparc-Entwicklung voranzutreiben, meint auch Jack Gold, Principal Analyst von Gold Associates. Der Hersteller habe in der Vergangenheit immer betont, seine Software basiere auf Standards und stelle keine besonderen Ansprüche an die darunterliegende Hardware. "Es kann daher nicht im Interesse Oracles liegen, seine Software für eine bestimmte Hardwareplattform zu verbiegen."
Oracle werde die Sparc-Entwicklung allerdings nicht von heute auf morgen stoppen, relativiert Dan Olds, Principal Analyst der Gabriel Consulting Group. Sun habe seine Investitionen in die Chipplattform bereits zurückgefahren und Teile davon an den Partner Fujitsu abgegeben. "Zuletzt wurde es immer schwieriger, mehr Leistung aus den Sparc-Prozessoren herauszukitzeln." Verliere Sparc weiter an Boden gegenüber den konkurrierenden Plattformen von IBM und HP, seien weitere Entwicklungsaufwände kaum zu rechtfertigen. Olds spekuliert, Oracle könnte Sparc an den bisherigen Sun-Partner Fujitsu veräußern. Darüber hinaus könnte sich auch HP für die Plattform interessieren, um das eigene Unix-Server-Geschäft besser gegen IBM aufzustellen.
Es sei allerdings unwahrscheinlich, dass Oracle einen Käufer für die Sun-Hardware findet, meint IDC-Analyst Rüdiger Spies. HP habe sich bereits von den eigenen Risc-CPUs verabschiedet und sei auf Intel-Kurs gegangen. Die weitere Entwicklung der Sparc-Prozessoren würde viel Geld verschlingen. "Hardware ist für Oracle immer noch ein Fremdkörper", lautet sein Fazit. Der Deal habe vor allem auf Microsoft einen massiven Einfluss, sagt Spies. "Oracle kann jetzt den ganzen Stack anbieten, von der Hardware über die Infrastruktur bis hin zu den Applikationen." Darüber hinaus gerate die Windows-Company nun von zwei Seiten unter Druck. Neben Oracle fördert auch IBM mit Milliarden-Investitionen das quelloffene Betriebssystem Linux. "Für Microsoft wird es enger."
Verlierer Microsoft und SAP
Auch SAP könnte unter dem Deal leiden, meint Bruce Richardson, Chief Research Officer von AMR Research. Dass der US-Erzrivale nun die Java-Plattform kontrolliere, auf der weite Teile von SAPs Applikationslandschaft basieren, dürfte den Walldorfern sauer aufstoßen. Dazu komme, dass viele SAP-Kunden derzeit über die Roadmap rätseln, gerade was SAPs On-Premise- und On-Demand-Strategie betrifft. Gelinge es Oracle, an dieser Stelle klare Alternativen aufzuzeigen, könne SAP ins Hintertreffen geraten.
Vor allem das Renommee, sich jetzt als Komplettanbieter präsentieren zu können, dürfte Oracles Standing im Markt verbessern. Unter diesem Blickwinkel sei der Deal zwar überraschend, aber nachvollziehbar, meint Andreas Zilch von der Experton Group. "Oracle kann jetzt den kompletten Technologie-Stack anbieten", sagt der Analyst. "Damit ist man auf einen Schlag fast ein kompletterer IT-Anbieter als IBM und HP, sofern man die Servicekomponente getrennt betrachtet." Das ermögliche eine hohe Flexibilität bei der Preisgestaltung und biete eine gute Basis für ein zukünftiges Cloud-Angebot. Gegenüber den bisherigen Partnern wird Oracle immer mehr zum starken Wettbewerber, prognostiziert Zilch. "Das betrifft insbesondere HP, aber auch IBM, Microsoft und teilweise Dell."
Anwender sorgen sich um Supportqualität
Kunden von Sun Microsystems machen sich Sorgen, die Supportqualität könnte unter der Oracle-Übernahme leiden. Alfonso Rivera, Manager beim Telekommunikations- und Internet-Service-Provider Embarq Corp. aus Florida, betont die Vorzüge der Sun-Plattform: Ein stabiles Betriebssystem, hochverfügbare Server und ein erstklassiger Support hätten in der Vergangenheit die höheren Kosten gerechtfertigt. Rivera befürchtet, Oracle könnte die Sun-Kultur untergraben und die Servicequalität aushöhlen. "Sollte das passieren, sind die hohen Preise nicht mehr gerechtfertigt."
Allerdings sehen nicht alle Kunden den Deal so kritisch. Susan Walker, verantwortlich für die IT-Services im St. Lukes Episcopal Hospital in Houston, geht davon aus, dass die Akquisition dem Wettbewerb im weltweiten IT-Markt guttun wird. "Die Übernahme haucht Sun neues Leben ein", meint die IT-Managerin. "Oracle plus Sun ist aber auch interessant für die gesamte IT-Industrie, weil dadurch eine ernst zu nehmende Konkurrenz gegen IBM entsteht."
Auch die Oracle-Anwender sehen den Deal positiv. "Oracle kann geniale Synergien zu Sun nutzen", meint Fried Saacke, Vorstand und Geschäftsführer der Deutschen Oracle Anwendergruppe (Doag). Darüber hinaus sei der Hersteller nun in der Lage, mehr aus einer Hand zu liefern, was das Unternehmen interessanter mache. "Für die Anwender - von Oracle und Sun gleichermaßen - ist entscheidend, dass Investitionssicherheit gegeben ist und die Preisentwicklung vorhersehbar bleibt." Christian Trieb, Leiter der Special Interest Group (SIG) Database, ergänzt: "Die Anwender erwarten, dass die Oracle-Software auch weiterhin mehrere Hardwareplattformen unterstützt und nicht auf die von Sun fokussiert sein wird."