Anfänger oder Profi, Frau oder Mann? Unterschiedliche Nutzergruppen stellen auch unterschiedliche Anforderungen an Online-Shops. Wer als Reseller seinen verschieden gestrickten Kunden mit passen Online-Angeboten gerecht wird, hat gute Chancen, den Verkaufserfolg zu steigern. Doch erfordert der erfolgreiche Transfer des Multi-Channel-Gedankens ins Netz geeignete technische Voraussetzungen. Welche das sind, erklärt Stephan Leschke, Director Corporate Development bei Intershop.
Ins Auge fällt sofort die animierte Fotostrecke, die in der Mitte am oberen Rand des Bildschirms auf die Aktivitäten im Motorsport hinweist. Darunter finden sich chronologisch sortiert die Pressemeldungen des Konzerns. Rechts verlinken kleine Bilder mit kurzen Texten auf spezielle Themen. Links ist die Navigationsleiste positioniert. Die übersichtliche Startseite des Bosch-Webauftritts ist für jeden Besucher identisch.
Schon nach dem nächsten Klick ist es mit der Einheitlichkeit allerdings vorbei. Denn der Mischkonzern hat für seine verschiedenen Produktbereiche und Zielgruppen spezielle Online-Angebote eingerichtet, die direkt über die Navigation zu erreichen sind. So kann der Besucher beispielsweise zwischen drei verschiedenen Automobilportalen wählen – einem für Autofahrer, einem für Werkstätten und einem für die Industrie.
Bei den Elektronikprodukten ist nach Endverbrauchern und Business-Kunden sowie nach Sparte unterschieden. Wer für zu Hause einen neuen Staubsauger und für die Werkstatt einen Druckluftnagler benötigt, wird schell fündig und erhält die notwendigen Informationen. Das sind beim Haushaltsgerät natürlich ganz andere als beim Profi-Werkzeug.
Multi-Channel-Gedanke im Web
Mit der differenzierten Online-Ansprache der unterschiedlichen Zielgruppen, wie Bosch sie betreibt, wird der Multi-Channel-Gedanke konsequent im Web umgesetzt. Denn neben den herkömmlichen Kanälen – dem Verkauf im Geschäft oder via Printkatalog – kommt ein Online-Shop nicht einfach nur als neuer Kanal hinzu.
Vielmehr gliedert sich der Webauftritt selbst in eine Vielzahl von Kanälen, die sich exakt auf die spezifischen Anforde-rungen der Kundengruppen zuschneiden lassen. Das beginnt mit dem angebotenen Produktsortiment, geht über die Aufbereitung der Informationen und endet bei den Funktionen und Services, die der Besucher nutzen kann.
Während es für die modebewusste Käuferin zum Beispiel nützlich ist, mit speziellen Beratungs-Tools oder intelligenten Suchfunktionen das richtige Kleid zu finden – vielleicht entdeckt sie dabei ja auch noch den passenden Gürtel – ist der Schreinermeister dankbar, wenn er direkt erkennt, welche Konditionen für ihn beim Kauf einer bestimmten Anzahl von Multiplex-Platten gelten. All das trägt dazu bei, dass sich der jeweilige Kunde bestmöglich aufgehoben fühlt und so schließlich zu einem Kauf motiviert wird.
Auch in den Ergebnissen spiegeln sich solche Services unmittelbar. Beispielsweise hat der Drucker-Hersteller und Dokumentenmanagementspezialist Xerox unter anderem Personalisierungs-, Empfehlungs- und Kundensegmentierungsfunktionen in seinen neu aufgesetzten Web-Shop integriert.
Auf diese Weise steigerte der Technologiekonzern den durchschnittlichen Bestellwert um 27 Prozent, den Order Attachment Value (den zusätzlich zum gesuchten Produkt generierten Bestellwert aufgrund von Produktempfehlungen) um 69 Prozent und die Order Attachement Rate (die aufgrund von Produktempfehlungen zusätzlich generierte Bestellrate) um 97 Prozent.
Differenzieren lassen sich die Websites entlang der Merkmale der Besucher – Frau oder Mann, Kind oder Erwachsener, Laie oder Profi; nach geografischen Kriterien – Land, Region, Stadt; sowie nach bestimmten Produktgruppen – Autoteile oder Elektronik. Möglich ist aber beispielsweise auch, dass danach unterschieden wird, von wo aus die Website aufgerufen wird. So könnte ein potenzieller Kunde, der über eine Suchmaschinenanfrage auf das Unternehmen gestoßen ist, auf einer anderen Website landen, als derjenige, der einen Link in einem Newsletter angeklickt hat.
Den richtigen Webshop auswählen
Die Vorteile, die ein nach Nutzergruppen differenzierter Web-Shop mit sich bringt, sind auch mit einem höheren Aufwand verbunden. Die spezifischen Online-Angebote müssen schließlich erstellt und dann kontinuierlich gepflegt werden. Damit sich die zusätzlichen Kosten in Grenzen halten und sich der Betrieb verschiedener Kanäle rechnet, empfiehlt es sich, geeignete technologische Voraussetzungen zu schaffen.
Ideal ist ein leistungsstarkes Shop-System, das sich auf der einen Seite an die E-Commerce-Lösungen der Lieferanten sowie an die eigene Geschäftssoftware – vor allem an das ERP-, das CRM- und das SCM-System – anbinden lässt. Auf diese Weise sind ein schneller und reibungsloser Austausch der zahlreichen Geschäftsdaten und eine optimale Steuerung der Geschäftsprozesse möglich.
Auf der anderen Seite der E-Commerce-Prozesskette steht das Shop-System. Es muss die erforderlichen Funktionen bereitstellen, um die unterschiedlichen Online-Kanäle aufzusetzen und zu verwalten. Die Produktdaten dafür werden am besten aus dem zentralen Hauptkatalog übernommen und dann zu zielgruppenspezifischen Katalogen zusammengestellt.
Je nach gewähltem technischen Verfahren erfolgt dabei entweder eine vollständige Kopie der Informationen, sodass sich diese beliebig verändern lassen – Syndizierung. Oder die Verbindung zu den Originaldaten bleibt bestehen. Werden diese im Laufe der Zeit modifiziert, werden die Änderungen auch in den einzelnen Katalogen berücksichtigt – Sharing.
Um den Nutzergruppen angepasste Webseiten einfach zu erstellen, bietet sich ein Storefront-Editor an. Er ermöglicht es dem Shop Manager, beispielsweise via "wysiwyg"-Verfahren (what you see is what you get) die Komponenten für die Seitenoberflächen zielgruppengerecht und schnell zu entwerfen und zusammen zu stellen. Im Hintergrund läuft dafür ein Content-Management-System (CMS), welches sicherstellt, dass die Unternehmensstandards in Struktur, Design und Layout gewahrt bleiben. Denn Vielfalt soll nicht in Beliebigkeit enden.
Sonderverkaufsaktionen in unterschiedlichen Kanälen
Sind die einzelnen Kanäle einmal über ein zentrales Shop-System eingerichtet, lassen sich auch leicht Marketingmaßnahmen oder Sonderaktionen einbinden. Beispielsweise könnten Gutscheinnummern den unterschiedlichen Zielgruppen zugewiesen und auf den entsprechenden Shop-Seiten hinterlegt werden. Gibt ein Besucher nun auf der Homepage seine Nummer ein, gelangt er automatisch auf den für sein Profil optimierten Vertriebskanal. Statt Standardmenü bekommt so jeder Kunde sorgfältig komponierte Appetitanreger – und Hunger auf mehr. (rw)