E-Commerce boomt

Ohne Online geht im ITK-Handel nichts mehr

18.04.2013 von Matthias Hell
Die Anzahl der stationären Läden geht immer weiter zurück – besonders im ITK-Segment. Doch der isolierte Webshop kann den Fachhändler auch nicht mehr retten. Was also tun?

Die Anzahl der stationären Läden geht immer weiter zurück - insbesonder im ITK-Segment. Doch der isolierte Webshop kann den Fachhändler auch nicht mehr retten. Mit welchen Multi-Channel-Konzepten On- und Offline-Händler heute schon punkten.

von Matthias Hell, ChannelPartner

Multi-Channel ist kein Allheilmittel

"Nicht jede Verbundgruppe muss sich selbst ein Online-Portal für Dienstleistungen basteln." Jörg Ehmer, Geschäftsführer der ElectronicPartner GmbH

Um von der Wachstumsdynamik im E-Commerce nicht gänzlich abgekoppelt zu bleiben, setzen immer mehr Handelsunternehmen auf die Strategieoption Multi-Channel als Heilsweg. So hat Euronics bereits vor einigen Jahren den Startschuss zum Aufbau einer kanalübergreifenden Handelsplattform gegeben, die Online-Bestellungen, Reservierungsmöglichkeiten und stationäre Abholung miteinander verbindet.

Selbst die ausgesprochen bodenständige Verbundgruppe Expert ist vor Jahresfrist in den Multi-Channel-Handel eingestiegen - allerdings mit einer homöopathischen Dosierung. So ist das Sortiment weiterhin auf lediglich zwei Dutzend Artikel beschränkt. Die Folge: Weder Euronics noch Expert erzielen online bislang nennenswerte Umsätze.

Das sei aber auch gar nicht das Ziel, werden die Verbundgruppen nicht müde zu betonen. Vielmehr gehe es darum, mit der Online-Präsenz die Kundenfrequenz in den stationären Geschäften zu steigern.

Eine dezidiert forschere Multi-Channel-Gangart haben dagegen Media Markt und Saturn eingeschlagen: Kanalübergreifende Funktionen wie die Abfrage stationärer Verfügbarkeiten und die Bestellung von Artikeln in die nächstgelegene Filiale, aber auch die Offline-Rückgabe von Online-Bestellungen werden explizit beworben - mit einigem Erfolg: Die Abholrate bei Mediamarkt.de und Saturn.de lag im vergangenen Jahr kontinuierlich bei rund 40 Prozent.

Dass solche Multi-Channel-Funktionen nur wenig über den tatsächlichen Geschäftserfolg aussagen, zeigt allerdings der Niedergang der zum Handelskonzern Rewe gehörenden Elektromarktkette ProMarkt. ProMarkt habe die Konkurrenz aus dem Internet unterschätzt, gab vor einigen Tagen Rewe-Chef Alain Caparros bekannt - und demonstrierte damit bloß, wie wenig er sich offensichtlich mit dem Tochterunternehmen auseinandergesetzt hat.

Denn eines kann man nicht über ProMarkt sagen: dass sich das Unternehmen nicht ausreichend mit dem Online-Trend beschäftigt habe. ProMarkt übernahm Ende 2009 den Online-Händler Myby.de für einen Schnäppchenpreis von 2,4 Millionen Euro (Media-Saturn bezahlte für Redcoon ganze 125 Millionen Euro).

"Wir realisieren durch unsere stationären Standorte Umsatzeffekte, die über die in den Läden realisierten Umsätze hinausgehen." Olaf Siegel, Geschäftsführer der Cyberport GmbH
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In der Folge wurde Myby.de komplett in ProMarkt integriert, und die Elektromarktkette stellte sich konsequent als Multi-Channel-Händler neu auf: Das Vollsortiment wird seitdem on- und offline zu gleichen Preisen angeboten, Online-Retouren und -Reparaturen können in den Märkten abgewickelt werden, und Filialen und Märkte greifen in Echtzeit auf dasselbe Warenwirtschaftssystem zu.

Doch ein positiver Effekt der aufwendigen Maßnahmen für die Geschäftsentwicklung von ProMarkt blieb aus. Der Umsatz brach 2011 um 3,8 Prozent und schließlich 2012 um 15,5 Prozent ein; in dieser Zeit wurden ein Dutzend Standorte geschlossen, und es soll ein zweistelliger Millionenverlust angehäuft worden sein. Nun will sich Rewe von den verbliebenen Filialen trennen und hat dazu angeblich bereits einen Verkaufsprospekt verschickt. Das Beispiel zeigt: Eine Multi-Channel-Strategie allein ist noch keine Zukunftsversicherung.

"Buy Local" - die Alternative?

Vor allem kleine Händler kommen daher zu einem Gegenschluss: Finger weg vom bösen Internet! Nicht nur verzichten viele dieser Händler auf ein eigenes Engagement im E-Commerce. Vielmehr wollen sie auch ihre Kunden dazu bewegen, Amazon und Co. abzuschwören und stattdessen beim lokalen Einzelhandel zu kaufen.

Auswahl der sinnvollsten Konfiguration: Das ab Sommer geplante dezentrale Shop-Modell soll es den ElectronicPartner-Partnern freistellen, ob und in welchem Umfang sie in den Online-Warenverkauf einsteigen wollen.
Foto: ElectronicPartner

"Buy Local" nennt sich die Initiative, die stark auf das Moralbewusstsein der Konsumenten setzt. Der im vergangenen Jahr in Ravensburg gegründete deutsche "Buy Local"-Verein orientiert sich dabei an Vorbildern in den USA und Großbritannien.

So gibt es in den Vereinigten Staaten bereits seit mehreren Jahren eine Vielzahl von Vereinen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Konsumenten für den Einkauf vor Ort zu sensibilisieren. Neben ökologischen Gründen führen sie dabei den Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere regionale Lebens- und Einkaufsqualität ins Feld.

Für die "Buy Local"-Initiativen in Großbritannien stellte eine Anhörung des britischen Parlaments einen wichtigen Auslöser dar, die ans Licht brachte, dass internationale Konzerne wie Starbucks, Google und Amazon dank kreativer Buchhaltung im Vereinigten Königreich niedrige oder gar keine Steuern zahlten. Vor allem Buchhändler auf der Insel starteten daraufhin eine Kampagne unter dem Motto "We Pay Our Taxes". Auch in Deutschland stellt der durch die Marktmacht von Amazon besonders unter Druck geratene Buchhandel eine Keimzelle der Einzelhandelsinitiative dar, die mit Slogans wie "Wir zahlen Steuern!" und "Meine Stadt soll leben!" die Konsumenten aufzurütteln versucht.

Hochwertige und selbstbewusste Produktpräsentationen: Auf den ersten Blick wirken die Cyberport-Stores gar nicht wie Filialen eines preisgünstigen Online-Anbieters.

"Das ist aus meiner Sicht alles Quatsch", erklärt Synaxon-Vorstandschef Frank Roebers zu der gegen den Online-Handel gerichteten Argumentation von "Buy Local". Das Netz spiele heute bei der Anbahnung von Kaufentscheidungen eine wesentliche Rolle, und deshalb sei eine Online-Komponente auch für den Einzelhandel existenziell wichtig (siehe auch Interview mit Frank Roebers auf Seite 22).

Innovative On-/Offline-Verknüpfungen

Sowohl die aus dem stationären Bereich kommenden Beispiele PC-Spezialist und EP als auch die Online-Händler Cyberport und Notebooksbilliger.de zeigen zweierlei: zum einen, dass die Verknüpfung der Kanäle Online und Offline Mehrwerte bieten kann, die über den bloßen Nutzen der einzelnen Channels hinausgehen, zum anderen aber auch, dass ein Multi-Channel-Standardmodell nie der richtige Weg sein kann.

PC-Spezialist-Filiale in Trier: Die Partner vor Ort sind in die Online-Plattform von PC-Spezialist mit dem für sie relevanteren Teil ihres Angebotsspektrums eingebunden.
Foto: PC-Spezialist Trier

Vielmehr geht es darum, das Wesen des eigenen Geschäftsmodells und seine Alleinstellungsmerkmale in der "einen Welt" umfassend zu begreifen und sich mit der Umsetzbarkeit dieser Charakteristika in der jeweils "anderen Welt" fundiert auseinanderzusetzen. Nur dann lässt sich ein für jedes Handelsunternehmen spezifischer Weg zur Integration von Online und Offline entwickeln, der gerade stationären Händlern vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen die größten Zukunftschancen eröffnet.

Denn last but not least kommen Händler mit der Verknüpfung von On- und Offline auch den Bedürfnissen ihrer Kunden entgegen. So hat der POS-Spezialist NCR in einer Ende vergangenen Jahres vom Marktforschungsunternehmen Smart Research durchgeführten Studie ermittelt, dass nur noch 15 Prozent der Verbraucher eine eindeutige Präferenz für den Einzelhandel vor Ort haben; die große Mehrheit von 59 Prozent verhält sich dagegen pragmatisch und tätigt ihre Einkäufe sowohl stationär als auch online.

Schlichte Warenpräsentationen: In den Läden von Notebooksbilliger.de ist das Sortiment auf Notebooks, Tablets und Smartphones fokussiert.
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Zu den von den Kunden am häufigsten nachgefragten kanalübergreifenden Services gehören die Lieferung von stationären Einkäufen frei Haus (35 Prozent), die Abholung von Online-Bestellungen in einer stationären Filiale vor Ort (34 Prozent) sowie die Bestellung nicht mehr vorrätiger Ware direkt im Ladengeschäft (32 Prozent).

Die Konsumenten hätten zunehmend das Bedürfnis, die Vorteile des Einkaufs vor Ort - die unmittelbare Befriedigung von Konsumbedürfnissen inklusive einer kompetenten Beratung - mit den Annehmlichkeiten des Online-Shoppings - rund um die Uhr verfügbares, größtmögliches Warenangebot - zu kombinieren. Es liegt nun am Handel, diesem Kundenbedürfnis entgegenzukommen. (mh)