Das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 29.07.2015, Az. B 12 KR 4/13 R) entschied, dass die reine Wahrnehmung von Pflichten als Organ einer Kapitalgesellschaft (AG, GmbH) ohne weitere darüber hinausgehende aktive Mitarbeit in der GmbH keine Berufstätigkeit darstellt. Die Feststellung der Versicherungspflicht für den betroffenen Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer in der gesetzlichen Krankenversicherung scheiterte beim BSG im entschiedenen Fall jedoch allein schon deswegen, weil die Vorinstanz die stets maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse nicht ausreichend aufgeklärt hatte.
Gesetzliche Rentenversicherungspflicht für Selbstständige
Freiwillig kann jeder Selbstständige noch bis 31.03. des Folgejahres selbst Beiträge an die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) entrichten - bis zum Höchstbeitrag (im Westen 2015: 1.131.36 € p.M.; 2016: 1.159,40 € p.M.) oder weniger. Derzeit entspricht ein Jahreshöchstbeitrag etwas weniger als 60 € monatlicher Rentensteigerung - was indes wohl jede private Rentenversicherung oder Rürup-Rente der Lebensversicherer übertrifft.
Eine Absicherung gegen Erwerbsminderung kann jedoch nur über Pflichtbeiträge erreicht werden. Dafür gibt es für Selbständige die Versicherungspflicht auf Antrag bei der DRV, binnen fünf Jahren (Ausschlussfrist) seit Berufsaufnahme - und dann fortdauernd bis zur Aufgabe des jeweiligen Berufes, auch wenn es ein Zweitberuf ist, § 4 II SGB VI. Dies kann zusätzlich zu einer berufsständischen Zwangsversicherung (z.B. als Arzt, Anwalt, Architekt, Steuerberater), beispielsweise zur Risikostreuung genutzt werden.
Wer hingegen als (Schein-)Selbstständiger u.a. im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber arbeitet, ist sowieso bereits versicherungspflichtig, auch wenn er es noch nicht ahnt, § 2 S.1 Nr.9 SGB VI, ebenso regelmäßig einige Berufsgruppen wie Hebammen und Physiotherapeuten, die ihre Patienten durch Überweisung von Kassenärzten erhalten.
Werden aus verschiedenen Quellen (z.B. wegen Versicherungspflicht auf Antrag, sowie weiterer Beschäftigung) Rentenversicherungsbeiträge geschuldet, sind diese stets komplett zu entrichten. Im Folgejahr prüft die DRV dies nach - sodass es nachträglich zu einer verhältnismäßigen Minderung sämtlicher Beitragsquellen kommt, was eine Rückrechnung und Erstattung zur Folge hat, damit nicht mehr als der Höchstbeitrag zur DRV insgesamt entrichtet wird. Nach 45 Jahren mit Höchstbeitrag dürfen über 2.000 € Rente erwartet werden - abzüglich Krankenversicherungsbeiträge und Steuern. Der voll privat Krankenversicherte indes erhält sogar noch einen Zuschuss zu seiner Krankenversicherung.
Der deutsche Durchschnittsverdiener kann nach 45 Beitragsjahren auf etwa 1050 € an Monats-Rente hoffen, in Österreich wären es über 1800 € p.M. Liegt die DRV-Rente als einziges Einkommen zu niedrig, stockt die Grundsicherung als Sozialhilfeersatz dies zu monatlich etwa 750 € auf. Österreicher erhalten nach 15 Beitragsjahren über 1.000 € Mindestrente monatlich.
Dem Durchschnittsrentner mit unter 1.000 € Rente p.M. bleibt es unbenommen, dem Beispiel von "Florida Rolf" zu folgen und als "Wirtschaftsflüchtling" beispielsweise nach Bulgarien, Ungarn, Costa-Rica, Thailand, Kambodscha, Brasilien, Türkei oder Panama auszuwandern - auch bei Pflegebedürftigkeit.
Gesetzliche Krankenversicherung für Selbstständige
Wer pflichtversichert ist - etwa als Arbeitnehmer oder über die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) - zahlt Beiträge aus Renten und Versorgungsbezügen sowie Erwerbseinkommen. Freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zahlen zusätzlich Beiträge zum vollen Beitragssatz in der Kranken- und Pflegeversicherung aus allen Einkunftsquellen wie Kapitaleinkünften, Vermietung und privaten Renten - ebenfalls bis die Beitragsbemessungsgrenze erreicht ist. Dabei kommt es nicht auf die steuerliche Wertung an - daher ist die gesamte Privatrente, nicht nur deren Ertragsanteil, zu verbeitragen, ebenso einmalige Kapitalentnahmen, wenn sie der Lebenshaltung dienen können, ebenso auch private Veräußerungsgewinne.
Im Fall des BSG wollte der Inhaber einer Modeboutique-Kette, nachdem er Witwer- und Regelaltersrente bezog, nur noch als "nebenberuflich Selbstständiger" behandelt werden, um künftig nicht die höheren freiwilligen Beiträge, sondern nur noch Pflichtbeiträge an die GKV zu bezahlen. Die GKV sah ihn als hauptberuflich Selbständigen an, der dann weiterhin nur freiwillig versichert war.
Lesetipp: Selbstständig arbeiten – Schein oder nicht Schein
Der Kläger hätte durchaus durch Unternehmensverkauf, Betriebsverpachtung, vorweggenommene Erbfolge oder eine Holding (a) aus sich selbst einen versicherungspflichtigen abhängig Beschäftigten machen können, indem er seine Gesellschafterposition faktisch aufgibt. Damit ändert sich dann auch steuerlich die Einkunftsart, wenn der steuerliche Berater dies passend gestaltet hätte.
Alternativ (b) hätte er die Nebenberuflichkeit der Selbstständigkeit zur Beweisführung vorher planen und sauber dokumentieren können, was ohne Gestaltungsberatung praktisch kaum gelingen kann.
Nebenberufliche Selbstständigkeit statt hauptberuflicher Selbstständigkeit
Für eine Hauptberuflichkeit der Selbständigkeit - neben einem Rentenbezug oder anderer abhängiger Beschäftigung - kommt es auf die wirtschaftliche Bedeutung nach dem Einkommen (§ 15 SGB IV) und dem zeitlichen Aufwand an, § 5 SGB V. Die GKV ist an die Feststellungen des Finanzamtes (FA) nicht gebunden, sondern wird eventuelle Mieteinkünfte der Selbstständigkeit im Einzelfall zuschlagen können.
Bei derartigen Prüfungen der GKV stellt sich vielfach heraus, dass selbstständige Unternehmer vom steuerlichen Berater entweder in die Falle einer Betriebsaufspaltung beraten wurden - oder zu deren Vermeidung in eine steuerlich teure Lösung, wie etwa die Einbringung von Immobilien in eine GmbH oder GmbH&Co.KG: Damit sind inflationsbedingte Wertsteigerungen später - auch von den Erben - zu versteuern, denn einen steuerfreien Spekulationsgewinn gibt es nur bei Immobilien im Privatvermögen. Eine Betriebsaufspaltung hätte vielfach auch durch eine reine Innen-Gesellschaft vermieden werden können - und zudem bis zu 90% der Gebühren für den Steuerberater eingespart.
Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung
Das eigene Unternehmen kann man - bei Gemeinnützigkeit mit sogar steuerlicher Förderung - auch in eine (Treuhand-)Stiftung einbringen - ohne Gemeinnützigkeit kann es eine Familienstiftung sein, zur Absicherung der Familienversorgung. Man kann das Unternehmen aber auch gegen eine Leibrente verkaufen oder - mit Steuervorteilen gestaltbar - unter Vorbehalt einer Leibrente einer Stiftung zuwenden, also teilentgeltlich schenken. Eine derartige Gestaltung wird häufig gleichzeitig zur Versicherungspflicht, auch in der GKV führen. Damit kann man eine eventuelle Private Krankenversicherung (PKV) dann ganz oder teilweise beenden - also etwa ausgewählte PKV-Bausteine im Tarif auch behalten oder in eine Zusatzversicherung zur GKV umwandeln.
Für die GKV-Pflicht genügt bereits ein Tag in abhängiger Beschäftigung
Wer seine Selbstständigkeit aufgibt, und sich anstellen lässt, bevor er 55 Jahre alt geworden ist, hat es noch am einfachsten mit der Rückkehr in die GKV. Wer älter geworden ist, benötigt meist aufwendigere Gestaltungsberatung - die PKV erweist sich dann mit Prämiensteigerungen im Alter von bis zu mehr als 7 % p.a. - infolge des sogenannten versicherungsmathematischen Alterseffekts gerade durch die angesparte Alterungsrückstellung bedingt - als früheres Schnäppchen und aktuelle Kostenfalle.
Soll die Selbstständigkeit nicht komplett aufgegeben werden, bieten sich gleichwohl Gestaltungsmöglichkeiten an:
Hauptberufliche Selbstständigkeit liegt regelmäßig vor, wenn diese mehr als halbtags ausgeübt wird, einschließlich des realen Aufwandes für die Unternehmensleitung des Selbstständigen für sein Unternehmen. Die Spitzenverbände der GKV unterstellen eine Hauptberuflichkeit auch dann als indiziert, wenn die Selbstständigkeit zwar weniger als 20 Stunden ausgeübt wird, aber das Einkommen aus dieser Selbstständigkeit 75% der Bezugsgröße in der Sozialversicherung (2016: 2.178,75 € p.M.) übersteigt. Auch bei mehr als 20 Stunden wöchentlich, lässt sich eine Nebenberuflichkeit der Selbstständigkeit durchaus noch gestalten und nachvollziehbar dokumentieren.
PKV auch im Alter oft besser als GKV
Der Aufwand für Gestaltungen wird sich häufig lohnen - wer vor dem Alter von 55 Jahren von der PKV in die GKV wechselt spart sich bis zu mehr als eine viertel Million an KV-Beiträgen, im Einzelfall kann er aber sogar in der PKV günstiger als in der GKV liegen. Dazu muss nicht unbedingt die Beitragszahlung eingestellt werden, um nur noch im Notlagentarif Leistungen für akut erforderliche Behandlungen - aber sogar ohne Selbstbehalt - in Anspruch nehmen zu dürfen. Dies wird zunehmend bei Beitragsoptimierern beliebt, die dann Fehlendes leicht aus der Beitragsersparnis selbst zahlen.
Freilich bietet die PKV-Vollversicherung auch weitere Vorteile - so muss man nicht bereits schwerkrank und als Todeskandidat auf die Zuteilung von Organen durch Eurotransplant warten, sondern kann die Organtransplantation im außereuropäischen Ausland vornehmen lassen, wo Organe für Privatpatienten rascher zur Verfügung stehen. Rationierung und Leistung nur nach Wirtschaftlichkeit ist in der PKV vermeidbar. (oe)