Unabhängig von der Tragik dahinter zwingt uns das Corona-Virus zu einer größeren Akzeptanz des Home Office. Gleichzeitig - und wohl ebenfalls bedingt durch andere aktuelle Umstände wie beispielsweise Kita- und Schulschließungen - erkennen Arbeitgebende, dass ihre Angestellten zuhause nicht nach dem 9-to-5-Stempeluhrmodell arbeiten können.
Das wiederum ebnet den Weg für New Work. Mit anderen Worten: Man sieht es geht doch, irgendwie. Damit es aber runder läuft, können ein paar Erfahrungswerte aus der Praxis helfen. Dann gelingt unter Umständen ein Wandel, sodass am Ende der jetzigen Situation nicht alles zum alten Standard rückentwickelt wird.
Corona-Krise als Chance begreifen
Gefühlt arbeitet derzeit die ganze Nation von Zuhause. Während die einen Experten vorher schon sagten, es sei möglich, wiesen die anderen darauf hin, dass gewisse technische Aspekte zur Sicherheit oder allgemein zur Realisierung von Home Office nötig seien. So oder so, hier sind wir also. Schon prallen zwei Gedankenwelten aufeinander. Für den Arbeitgebenden klingt das alles nach Kontrollverlust in einer Phase, in der es ohnehin schwer wird. Dem Arbeitnehmenden schmeckt das ein wenig nach Urlaub mit einem permanenten Schwips. Die Realität zeichnet ein anderes Bild.
Da stehen überholte Erwartungshaltungen, mangelhafte Technologien und nackte Existenzängste gegen unausgelastet tobende Kinder, Prokrastination und schönes Wetter. So sind alle zunächst im Stress. Aber: Bei gelungener Umsetzung steigt einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge die Zufriedenheit und Produktivität. Mit den richtigen Rahmenbedingungen geht diesem Arbeitsverhältnis nämlich ein Vertrauensbeweis einher. Um diesen Rahmen umzusetzen bedarf es dann nicht viel.
Kontrolle geht nicht verloren
Im Normalfall wäre eine Eingewöhnung wichtig. Diese entfällt aktuell und Home Office wird ein wenig zum Sprung ins kalte Wasser. Damit ist das Arbeitsmodell jedoch nicht per se zum Scheitern verurteilt. Die für Mitarbeitende wichtige Routine und Eingewöhnung an die Situation können "on the job geschaffen werden. Denn: Angestellte sollten ihre Arbeitszeit zwar frei einteilen können, aber sind deswegen nicht vogelfrei. Durch anfänglich häufigere Deadlines und Berichterstattungen werden Arbeitnehmende konsequent eingewöhnt.
Kommentar: Home Office - arbeiten im Neuland
So können die ersten beiden Wochen beispielsweise ein tägliches, kurzes Update miteinander beinhalten: Was steht an, welche Aufgaben übernimmt wer? Ein etwas häufigerer "Team Jour Fixe", bei dem synchronisiert und nachjustiert werden darf. Entscheidend ist dann tatsächlich die Führung. Anders formuliert: CEOs und Teamleitungen, die ihre angestellten führen und sich nicht ununterbrochen in deren Tagesgeschäft einmischen, haben es bei Umstieg auf Home Office deutlich leichter. Alle anderen müssen eben auch durch eine Eingewöhnung "on the job".
Sobald sich dies eingespielt hat, könnte der nächste Schritt eine niedrigere Frequenz der Team-Meetings sein: Wann machen Updates in Anwesenheit Aller Sinn? Hier müssen Führungskräfte beweisen, dass sie ihren Mitarbeitenden Aufgaben und Deadlines geben können. Wann müssen alle online sein und wann können Angestellte auch schnell den Einkauf erledigen. Zum Beispiel: Die Erarbeitung eines Projektes soll bis Dienstag erfolgen soll.
Am Mittwoch findet dann die (video-)telefonische Abstimmung zwischen 10:00 und 12:00 Uhr statt. Projekt zwei, das niedriger priorisiert ist, kann irgendwann bis Donnerstag ausgearbeitet und am Freitag vorgestellt werden. Wie und wann, dass können Arbeitnehmende selbst entscheiden. Damit ein zeitversetztes Arbeiten funktioniert, sind ebenfalls klare Dokumentationen und einheitliche Ablageorte und Benennungen der Dokumente notwendig. Denn: Eine Reduktion von Konferenzen darf nicht Qualität reduzieren oder Arbeit verursachen.
Analyse: Spracherkennung im Home Office
Gleichzeitig hilft es der Situation, wenn Geschäftsführende auch für sich klare Grenzen setzen. Es ist der Situation nicht förderlich, wie im Übrigen auch beim Old-School-Arbeitsmodell, wenn die Vorgesetzten abends um 20:00 Uhr anrufen. Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, ist nachweislich normal! Es ist eben nicht möglich, eben schnell auf den Schreibtisch des Mitarbeitenden zu sehen, wie weit die Ausarbeitung vorangekommen ist. Dafür helfen die erwähnten Jour-Fixes. Studien zeigen dagegen, dass Arbeitnehmende, die nicht ständig überwacht werden, durch das entgegengebrachte Vertrauen produktiver werden.
Für Mitarbeiter kann es stressig werden
Aktuell kommt mit Corona nicht nur Home Office, sondern auch die Kita- und Schulschließung. Damit sind Arbeitnehmende einer dreifachen Belastung ausgesetzt: Sie müssen ihre Arbeit erledigen, die der Lehrer und sie müssen ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen. Hinzu kommt, dass gerade Kinder - Gott sei Dank - den Ernst der Lage nicht zwingend erkennen und sich deswegen selbstständig und leise selbst beschäftigen. Eher freuen sie sich über mehr Zeit mit Papa und Mama.
Prokrastination kann dennoch vermieden werden. Leider klingt das nicht nur nach mehr Arbeit, das heißt es auch, zumindest jetzt: Wer zwischen sieben und neun schwer zu erreichen sein wird, weil die Kinder Vorrang haben, muss unter Umständen nachmittags nach 17:00 Uhr etwas Zeit nachholen. Ebenso ist es möglich, reine Projektarbeit oder die Berühmten Details in einer Präsi auf die Abendstunden oder sogar auf Samstag zu verlegen.
Übersicht: VDI-Pakete zur Beseitigungung der Infrastrukturengpässe im Home Office
Aber auch ohne Kinder oder Pandemie bleibt der Umstieg auf Home Office für Arbeitnehmende eine Herausforderung. Wichtig ist vor allem zu Beginn Selbstorganisation und Disziplin. Wenn sich Arbeitnehmende eine Aufgabe stellen, in Abstimmung mit Deadlines, Team-Mitgliedern und privaten Aspekten, dann sollte diese auch eingehalten werden. Ist beispielsweise das Schreiben eines Texts für Mittwoch um 13:00 Uhr angesetzt, dann sollte auch am Mittwoch ab 13:00 Uhr mit dem Text begonnen werden. Das Ausräumen der Spülmaschine hat dann keine Priorität.
Auf der anderen Seite muss in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass Disziplin auch ein Schlussstrich beinhaltet und nicht ein bis nachts durcharbeiten, nur weil es technisch möglich ist und der Laptop keinen Schlaf benötigt. Schlechtes Gewissen bedeutet Ballast. Arbeitnehmende, die sich ständig unter Druck setzen, weil diese oder jene Aufgabe noch nicht erledigt ist oder weil eine Sporteinheit eingeschoben wurde, erkranken früher oder später unter dem Druck. Das Vertrauen, dass die Geschäftsführung entgegenbringt, wird nicht gebrochen, wenn rechtzeitig und nicht unmittelbar erledigt sind. Auch das gehört zu New Work!
Wie die Umstellung aufs Home Office gelingen kann
Ja, die Umstellung auf Home Office kostet Kraft und Zeit. Nicht umsonst haben es viele Geschäftsführende bislang vermieden. Aber unsere Situation erfordert respektive erzwingt eine andere Arbeitsweise. Die Sache auszusitzen, irgendwie zu umschiffen und zu hoffen, dass in ein paar Tagen alles wieder beim Alten ist, könnte sich als Milchmädchenrechnung erweisen. Warum also nicht die Gelegenheit nutzen und die Umstellung wagen?
Lesetipp: Home Office ist kein rechtsfreier Raum
Jedem sollte dabei klar sein: Die Arbeit hat einen Vorrang. Home Office gibt keine Narrenfreiheit. Jeder ist für den Erfolg mitverantwortlich. Wichtig ist also, Regeln festzulegen und einzuhalten. Anfänglich gerne mit etwas mehr Kontrolle. Gleichzeitig müssen Arbeitszeiten für Absprachen im Team festgelegt respektive eingehalten werden - eine Koordination, die im Übrigen auch im Büroalltag schwer genug ist und daher nicht als Vorwand genommen werden darf, New Work und Home Office zu verteufeln!
Am Ende steht dann die gute Nachricht: Wenn die anfänglichen Schwierigkeiten überwunden sind, hat das Unternehmen schon viele Teile des mysteriösen New Work entzaubert. Das Arbeitsmodell wird dann zu einem gewinnbringenden Selbstläufer für alle. Das Credo muss sein: Es reicht Arbeit rechtzeitig zu erledigen und nicht unmittelbar.