MÜNCHEN: Um kaum einen Markt ranken sich derzeit so viele Spekulationen wie um den für Grafikkarten. "Die Karten werden neu gemischt", beschreibt ComputerPartner-Redakteur Hans-Jürgen Humbert in einem Kommentar der Ausgabe 3/99 die Situtation. Dies unterstreicht Walter Marx, Produktmanager bei C2000: "Der Grafikkartenmarkt ist unvorhersehbar."Moderne Anwendungen, vor allem aber Spiele, stellen nicht nur an den Rechner immer neue Leistungs- und Kapazitätsanforderungen, sondern auch an die Grafikkarte, genauer an den Chipsatz und die Speicherbausteine. Ein oder zwei Megabyte Speicher reichen schon lange nicht mehr aus, um in der heute geforderten Auflösung von mindestens 1.024 x 768 Bildpunkten eines 17-Zoll-Monitors überhaupt noch mitmischen zu können (siehe Kasten auf Seite 59).
Es gibt unzählige von Grafikkarten und Herstellern. Standards kamen und gingen wieder: MDA, Hercules, CGA, EGA, VGA, 8514/A und wie sie alle hießen - kein Hahn kräht heute mehr danach. Bis auf VGA, die Standardauflösung von 640 x 480 Bildpunkten, sind alle verschwunden. Jeder Monitor muß diese Standardauflösung beherrschen. Im abgesicherten Modus startet Windows 95/98 nämlich immer mit dieser Auflösung.
3D-Beschleunigung heißt heute das Zauberwort, und die Hersteller, die dafür die nötigen Chipsätze liefern, sind dünn gesät. Neue Spiele erfordern das Überschreiten immer höherer Leistungsgrenzen. Um mit den größeren Anforderungen Schritt zu halten, setzen viele Hersteller auf immer höhere Taktfrequenzen. Mit der Steigerung der Rechenleistung werden die Bausteine auf den Grafikkarten aber auch immer heißer. Wärmeprobleme sind die Folge. Wer jetzt beim Assemblieren nicht aufpaßt, bekommt ein instabiles System. Bei der geringsten Erhöhung der Umgebungstemperatur stürzt die Grafikkarte ab. Und der Rechner kommt zur Reparatur zurück.
Neben einem schnellem Grafikprozessor spielt auch der Bildspeicher auf der Grafikkarte eine wichtige Rolle. Mindesten vier, besser acht Megabyte sollten schon auf der Karte vorhanden sein. Doch diese Karten sind im High-End-Markt praktisch schon out. Neue Chipsätze müssen 16 oder besser 32 Megabyte unterstützen, um mitmischen zu können.
Zu den wichtigsten Anbietern von Grafikkarten auf dem deutschen Markt gehören Matrox und ATI, die jeweils eigene Chipsätze verbauen. Für den Mitbewerb fallen deren Chipsätze wie der "GL200" von Matrox und der "Rage Pro" von ATI also weg.
Welche Chips im Rennen bleiben, entscheidet der Markt
Gleiches soll für den in Kürze erwarteten Voodoo-3-Chipsatz von 3Dfx gelten. Denn mit der jüngst erfolgten Übernahme des Grafikkarten- und Motherboard-Herstellers STB hat der Chefzauberer angekündigt, die neue Generation seiner überaus beliebten Chip-Familie nur noch auf eigenen Karten zu verwenden. Bei Grafikkarten-Herstellern wie Diamond Multimedia und Creative Labs, die mit den Voodoo-2- und Banshee-Chipsätzen von 3Dfx bisher gut gefahren sind, hält sich das Bedauern über diesen Schritt in Grenzen: "Wie die Spezifikationen zeigen, wird Voodoo 3 nicht den technologischen Vorsprung erreichen, mit dem Voodoo 2 einst am Markt glänzen konnte", so Etienne Riollet, technischer Vertriebsmann bei Diamond. Tatsächlich unterstützt Voodoo 3 nur maximal 16 MB RAM, während die meisten Chip-Hersteller heute schon in 32-MB-Kategorien denken und manche sogar schon 64 MB anvisieren.
Weit schwerwiegender ist jedoch die Tatsache, daß STB in Europa allenfalls im OEM-Bereich bekannt ist und bisher wenig Anstrengungen unternommen hat, daran etwas zu ändern. Für Walter Marx, Produktmanager bei C2000, wie für viele andere Marktkenner steht fest: "Der deutsche Markt ist sehr markenbewußt, und angesichts so großer Player wie Matrox, ATI und Elsa wird STB eine ganze Menge mehr an Marketingaufwand und Support bieten müssen als bisher, um sich auch hierzulande einen Namen zu schaffen."
Andere Fachleute halten die Übernahme von STB durch 3Dfx jedoch für einen geschickten Schachzug:
"STB wird sich aufgrund des Namens Voodoo nicht sehr anstrengen müssen." Außerdem gebe es bereits Anzeichen dafür, daß "pfiffige taiwanische Hersteller" Voodoo 3 der eigentlich Motherboards vorbehaltenen Versionsnummer 2000 auf ihren Grafikkarten einbauen werden.
3Dfx hat sich tatsächlich nicht darauf festnageln wollen, ob seine in erster Linie auf den amerikanischen Markt gemünzte Beschränkung auf den dort sehr starken OEM-Hersteller STB auch für den Rest der Welt, speziell für Europa, gelte. Schon munkelt man, daß der Chip-Hersteller für den europäischen Markt nach einem stärkeren Partner Ausschau hält. Im Gespräch ist unter anderem Elsa. Die Aachener Hardwareschmiede hüllt sich allerdings in Schweigen. Als möglicher 3Dfx-Partner war auch Guillemot genannt. Allerdings haben die Franzosen sich gerade für Nvidia verpflichtet. Diamond und Creative Labs werden von Insidern wiederum als potentielle Kandidaten für die Übernahme der bis zum Börsengang letzte Woche stark angeschlagenen Nvidia gehandelt. Das heißt, wenn Diamond, wie Gerüchte gehen, sein Grafikkartengeschäft nicht ganz aufgibt.
Wie dem auch sei, müssen sich Grafikkartenhersteller wie Creative Labs und Diamond durch den Wegfall von 3Dfx als Chiplieferanten nach Alternativen umsehen.
Gute Chancen werden der neuen Generation von Nvidia-Chipsätzen, Riva TNT 2, eingeräumt. Aber auch S3 macht wieder von sich reden. Mit Spannung erwartet wird auch der Savage 3D 4, der in zwei Versionen herauskommen soll: eine auf 125 MHz getaktete Einstiegslösung mit Unterstützung von 16 MB RAM und AGP-2x sowie der Savage4 Pro, der 32 MB verwalten kann und AGP-4x unterstützt.
Allerdings wird S3 es laut Branchenkennern schwer haben, von seinem Image wegzukommen als ein Hersteller, der wie auch Trident lange Zeit im Low-End dümpelte.
Videologic und NEC bringen mit dem Power VR 250 eine neue Geheimwaffe ins Rennen, die die Konkurrenz das Fürchten lehren könnte (siehe ComputerPartner 3/99, Seite 10). Dank eines speziellen Rechenverfahrens soll der Chipsatz bei gleicher Taktfrequenz schneller arbeiten als die Konkurrenz. Entgegen anderslautenden Gerüchten kann der Power VR 250 sehr wohl 32 Megabyte ansprechen, ließ Videologic gegenüber ComputerPartner verlauten. Mehr sei nicht notwendig, da zur Zeit kein Spiel größeren Speicher ausnutzen könne. Ob Videologic den Chipsatz nur auf eigenen Boards vermarktet, ist im Moment noch fraglich. Laut Aussage der Firma laufen Gespräche mit mehreren Grafikkartenherstellern.
Preisverfall ohne Ende
Ganz egal, welcher Hersteller in puncto 3D-Chips in Zukunft die Nase vorn haben wird, eines ist gewiß: Die Preise werden weiter rutschen. Zum Beispiel kostete die Matrox Millennium mit 4 MB den Endverbraucher vor einem Jahr noch rund 500 Mark. Heute kostet das 8-MB-Modell mit 230 Mark nicht einmal mehr die Hälfte. Man munkelt, daß auf der Cebit eine Grafikkarte mit 16 MB Speicher für unter 200 Mark angeboten werden soll. (kh)
Alles auf einer Karte: Die "All in Wonder pro" von ATI vereint Fernsehtuner, 3D-Beschleuniger, Videokarte und letztendlich Grafikboard.