In einem Aufsehen erregenden Schulterschluss mit Novell hatte Microsoft in der vergangenen Woche Anwendern von Suse Linux garantiert, dass sie von Prozessen wegen der möglichen Verletzung geistigen Eigentums verschont blieben. Da andere Distributionen ausdrücklich ausgeschlossen wurden, war bei manchen professionellen Anwendern Unsicherheit aufgekommen. Sie stellen sich nun die Frage, ob es sicherer ist auf Suse Linux zu setzen als auf konkurrierende Distributionen, allen voran die von Red Hat.
Tom Francese, weltweiter Vertriebschef von Novell und President für den Großraum Europa, Naher Osten und Afrika (Emea), gab nun im Gespräch mit dem Brancheninformationsdienst "Computerwire" Entwarnung. Novell werde den Patentfrieden mit Microsoft nicht dazu missbrauchen, bei Anwendern Angst, Unsicherheit und Zweifel bezüglich anderen Distributionen zu säen. Befürchtungen, dass Microsoft mit dem Novell-Schulterschluss schleichend Einfluss auf die Zukunft von Linux nehmen könnte, wies Francese zurück. "Die Open-Source-Welt bleibt offen, egal von wem die Produkte stammen", sagte der Novell-Mann.
"Wir werden unser Linux nicht mit dem Argument vermarkten, es sei die sicherste Wette. Wir werden sagen: Nimm es, weil es das beste ist", so Francese weiter. Ob Anwender diese Beteuerung Ernst nehmen können, ist jedoch zu bezweifeln. Immerhin hatte kein geringerer als Microsoft-Boss Steve Ballmer zuvor getönt: "Wenn die Leute Sicherheit hinsichtlich der Patente und der Interoperabilität mit Microsoft-Produkten wollen, sollten sie Suse Linux wählen." Entschieden sie sich anders, kämen bezüglich Kompatibilität und Fragen der Eigentumsrechte Probleme auf sie zu.
Novell-Mann Francese bemühte sich, diese Aussagen herunter zu spielen. Weder Microsoft noch Novell hätten vor, die Kunden von Wettbewerbern wegen der potenziellen Verletzung geistigen Eigentums juristisch zu verfolgen. Zwischen den Partnern sei es auch zu keinem Austausch von geistigem Eigentum in Form von Lizenzen gekommen. Im Wesentlichen gehe es bloß um die Vereinbarung, davon abzusehen, das eigene Patenportfolio gegenüber Kunden des Vertragspartners einzuklagen.
Doch wenn das Thema Patente nicht so heiß gekocht wird, stellt sich die Frage, warum Microsoft in diesem Zusammenhang 108 Millionen Dollar an Novell und umgekehrt der Linux-Anbieter mindestens 40 Millionen Dollar an Microsoft zahlt (siehe: Was der Linux-Deal kostet). Francese wich der Beantwortung dieser Frage aus und deutete lediglich an, bezüglich dieser Vereinbarung gebe es eine Reihe von Details, die man im Zusammenhang mit Pflichtveröffentlichungen gegenüber der US-amerikanischen Börsenaufsicht erklären werde.
Der Novell-Manager bestätigte, dass sich sein Unternehmen an das von Eben Moglen im Rahmen der Free Software Foundation gegründete Software Freedom Law Center gewandt hat. Es soll herausfinden, ob die Patentvereinbarung zwischen Microsoft und Novell mit der GNU General Public License (GPL) vereinbar ist. US-Anwalt Andrew Katz von der Kanzlei Moorcrofts Llc. hatte zuvor gegenüber "Computerwire" gesagt, Microsofts Versprechen, Anwender von Suse Linux unbehelligt zu lassen, müsse entweder auf alle anderen Derivate ausgedehnt werden oder es verstoße gegen die GPL.
Novell-Mann Francese bemühte sich unterdessen, die positiven Seiten des Deals zu unterstreichen. Die Kooperation werde umgehend Vorteile für Kunden bringen, die über Technologie, Marketing und Partnervereinbarungen hinausgingen. "Hier finden zwei Lager zusammen", so der Novell-Vertriebler. "Eine der letzten Bastionen der Industrie erkennt an, dass die Open-Source-Bewegung lebt." (siehe auch: Gartners Urteil zur Novell-Microsoft-Allianz). Um Dinge wie Interoperabilität und Virtualisierung gehe es nur am Rande. Microsoft sei bereit, auf die Open-Source-Gemeinde zuzugehen und so eines der gravierendsten Kundenprobleme zu lösen. Für Novell öffneten sich mit dieser Partnerschaft die Türen zu allen IT-Entscheidern, die sich mit Open-Source-Produkten beschäftigten. (hv)