SPD-Chef Kurt Beck warf der Konzernleitung am Mittwoch eine "hemmungslose Gewinnmaximierung" vor. Arbeitnehmer würden im Stich gelassen und Steuerzahler ausgenutzt. Aus Wut verweigerten am Mittwoch zahlreiche Beschäftigte in Bochum die Arbeit. Hunderte Arbeitnehmer und Gewerkschafter versperrten die Werkstore.
Ökonomen forderten strengere Vergaberichtlinien und langfristige Standortzusagen, wenn Unternehmen öffentliche Gelder annähmen. Nokia hatte von Land und Bund fast 90 Millionen Euro Fördergelder kassiert. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) warnte Nokia im ZDF davor, sich ein Image als "Subventions-Heuschrecke" zu verschaffen.
"Eine absolute Sauerei"
"Es ist eine absolute Sauerei, deutsche Fördermittel für Arbeitsplätze in Anspruch zu nehmen und dann Arbeitsplätze aus Deutschland zu verlagern", sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel den "Kieler Nachrichten". Ein Bundeswirtschaftsminister, der sein Amt ernst nehme, komme nicht umhin, angesichts dieses Falls den Umgang mit Förder-Steuergeldern sehr gründlich zu überdenken.
Während in Bochum noch Entsetzen herrschte und Politiker wie Gewerkschaften auf eine Rücknahme der Entscheidung pochten, wurden nach rumänischen Medienberichten an dem neuen Nokia-Standort schon die ersten Handy-Prototypen produziert. Im Februar soll die Massenproduktion starten. Dort sollen später 3500 Menschen arbeiten. Nokia äußerte sich nicht zu den Berichten.
Rüttgers betonte vor den Werkstoren in Bochum, die Debatte sei noch nicht zu Ende. Nokia müsse es auch um sein Image gehen. "Deutschland ist nicht nur Produktionsstandort, sondern auch Absatzmarkt."
Kein EU-Geld für Rumänien
Unterdessen versicherte die EU-Kommission, sie habe keinerlei Geld für die Ansiedlung der Handy-Produktion von Nokia in Rumänien gezahlt. Das gelte auch für den Aufbau von Infrastruktur in dem entsprechenden Industriepark, versicherte eine Kommissionssprecherin in Brüssel.
In Rumänien hieß es, Vergünstigungen für Nokia ließen sich an Infrastrukturarbeiten ermessen, zu denen sich Rumänien in dem Industriepark in Jucu bei Cluj verpflichtet habe, wo sich Nokia angesiedelt hat. Unter anderem sollte die rumänische Eisenbahngesellschaft dort ein extra Nebengleis für die Güterwaggons errichten. Die Elektrizitätswerke sollten in "Nokia Village", so der Name des neuen Industrieparks, für 17 Millionen Euro ihre Infrastruktur erneuern. Nach einem Bericht der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" soll der rumänische Staat 33 Millionen Euro für das "Nokia Village" aufgebracht haben.
Tausende Mitarbeiter betroffen
Nokia hatte am Dienstag unerwartet angekündigt, den Standort Bochum mit 2300 Beschäftigten Mitte des Jahres zu schließen und die Produktion nach Rumänien und Ungarn zu verlegen. Von der Schließung sind auch bis zu 1000 Leiharbeiter und etwa 1000 Beschäftigte von Zulieferern betroffen.
NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) wollte Gespräche mit der Nokia-Spitze in Helsinki aufnehmen. Die Bundesregierung ist ebenfalls zu Gesprächen mit Nokia bereit, sollte der Konzern seine geplante Firmenschließung überdenken. Die Regierung stehe in ständigem Kontakt mit dem Unternehmen, teilte der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hartmut Schauerte (CDU), in Berlin mit. Deutschland sei global wettbewerbsfähig. "Nokia ist es leider offenbar - trotz erheblicher öffentlicher Unterstützung - nicht gelungen, dieses Potenzial zu erschließen."
60 Millionen Euro Subventionen
Nach Angaben der Landesregierung hatte Nokia vom Land zwischen 1995 und 1999 knapp 60 Millionen Euro Subventionen erhalten. Laut Rüttgers kamen bis zu 28 Millionen Euro vom Bund hinzu. Eine an die Förderung geknüpfte Bindungsfrist zum Erhalt von 2860 Arbeitsplätzen in Bochum sei im September 2006 abgelaufen, sagte Wirtschaftsministerin Thoben. Schon im März 2007 habe Nokia dann angekündigt, ein Werk in Rumänien auszubauen. (dpa/tc)