Auch Deutschland betroffen

Nokia Siemens Networks streicht 17.000 Jobs

24.11.2011
Der Netzwerkausrüster Nokia Siemens Networks war schon lange ein Sorgenkind. Jetzt kommt eine radikale Rosskur: In zwei Jahren sollen 17 000 Jobs gekappt werden. Auch viele Stellen in Deutschland dürften wegfallen. Der Fokus auf mobiles Internet soll die Zukunft sichern.

Der kriselnde Netzwerk-Ausrüster Nokia Siemens Networks will 17 000 Arbeitsplätze streichen - nahezu jeden vierten Job. Auch Tausende Beschäftigte in Deutschland werden wohl ihren Job verlieren, laut informierten Branchenbeobachtern könnte es um mehr als ein Drittel der zuletzt gut 9000 Stellen gehen. Weltweit hatte Nokia Siemens Networks (NSN) zuletzt rund 74 000 Mitarbeiter.

Auch die IG Metall rechnet damit, dass in Deutschland Tausende Arbeitsplätze betroffen sein werden. "Die neuerlichen Abbaupläne sind eine Kampfansage an die Belegschaft", kritisierte der NSN-Beauftragte der Gewerkschaft, Michael Leppek. Die IG Metall werde diesen Plänen nicht tatenlos zusehen. Seit dem Start von NSN im April 2007 seien in Deutschland bereits mehr als 5000 Arbeitsplätze abgebaut worden - über Aufhebungsverträge, Ausgliederungen und zuletzt sogar über betriebsbedingte Kündigungen. Schuld an der Misere sei das Management, das seit Jahren falsche Weichenstellungen vorgenommen habe, sagte der Chef des deutschen Gesamtbetriebsrats, Georg Nassauer.

Das NSN-Geschäft werde komplett auf schnelle mobile Internet-Netze ausgerichtet, kündigte das Gemeinschaftsunternehmen von Nokia und Siemens an. Andere Unternehmensbereiche wie etwa das Festnetz-Geschäft werden entsprechend weichen müssen. Die jährlichen Ausgaben sollen bis Ende 2013 um eine Milliarde Euro gekappt werden. Bis dahin soll auch der Abbau der 17 000 Jobs abgeschlossen sein.

Angaben zu den betroffenen Ländern soll es erst im Zuge des Umbaus geben. Derzeit könnten dazu keine Details genannt werden, hieß es in einer Telefonkonferenz. Man müsse erst Verhandlungen mit den direkt Betroffenen führen. Dennoch: "NSN ist ein europäisches Unternehmen. Wir rechnen damit, dass dies in den kommenden Jahren auch so bleibt."

Siemens und Nokia in einem Boot

Nokia Siemens-Niederlassung in der Münchner St. Martin-Straße

NSN hatte Siemens und Nokia in den vergangenen Jahren hohe Verluste eingebracht und kämpft mit einem starken Wettbewerb in der Branche. Unter anderem Rivalen aus China wie Huawei werden immer stärker und bringen die Preise unter Druck. Der schwedische Konkurrent Ericsson hält fest die Spitzenposition in der Branche.2010 kontrollierte Ericsson rund ein Drittel des Weltmarktes für Telekom-Infrastruktur. Huawei folgte auf Rang zwei mit 15,6 Prozent. NSN und Alcatel-Lucent rangen mit jeweils gut 13 Prozent um den dritten Platz.

Erst im September 2011 mussten Nokia und Siemens eine Milliarde Euro in das Unternehmen einschießen. Ein Versuch, NSN zu verkaufen, wurde im Sommer aufgegeben. In der Vergangenheit gab es immer wieder Berichte, wonach Nokia und Siemens einen Ausstieg aus dem Joint-Venture erwogen hätten. Auch ein Börsengang wurde dabei immer wieder als mögliches Szenario genannt.

Die Zukunft der Industrie liege in mobilen Breitband-Netzen und -Diensten - "und wir wollen in diesen Bereichen unumstritten führend sein", erklärte NSN-Chef Rajeev Suri. Zugleich müsse man Schritte ergreifen, um konkurrenzfähiger und profitabler zu werden. "Diese geplanten Einschnitte sind bedauerlich, aber notwendig." Von den Sparmaßnahmen sollen alle möglichen Bereiche betroffen sein, wie etwa Einkauf, Immobilien oder IT-Versorgung. Bei Technik für schnelles mobiles Internet sei Nokia Siemens bereits die globale Nummer zwei. (dpa/rw)

Entlassungen auch in Deutschland

von Sebastian Raabe/dpa

Was die Pläne für die deutschen NSN-Mitarbeiter bedeuten werden, ist offiziell noch nicht klar. Er könne zu einzelnen Ländern noch nichts sagen, erklärte Konzernchef Rajeev Suri immer wieder in einer Telefon-Pk aus dem finnischen Espoo. Doch klar scheint: Es wird viele tausend Mitarbeiter in Deutschland treffen, damit rechnet die IG Metall, aber auch Branchenbeobachter. Dabei ist die Belegschaft Kummer gewohnt. «Seit dem Start von NSN im April 2007 wurden in Deutschland mehr als 5000 Arbeitsplätze abgebaut», sagt der deutsche Gesamtbetriebsratschef Georg Nassauer. Weltweit hat NSN rund 74 000 Mitarbeiter. Die Kürzungsstrategie hält er für falsch: Neuausrichtung, Kürzungen, all dies führe in die Irre.

Suri sieht das anders. Er hält sein Unternehmen für stark, will den Konzern gesundschrumpfen und auf komplette Angebote für die Infrastruktur von Mobilfunknetzen konzentrieren - und dabei vor allem auf mobile Breitbandverbindungen. Neben Kürzungen und Stellenabbau komme auch der Verkauf von Bereichen in Betracht. Aus Sicht von Nassauer führt Suri den Konzern eher wie eine «Reste-Rampe». Angesichts der Märkte sei eine Verschlankung des Angebots genau der falsche Weg. «Schuld ist eine Führung, die es nicht geschafft hat, Kunden zu halten und zu binden, vernünftige Entscheidungs- und Arbeitsstrukturen zu schaffen und die richtigen und zukunftsweisenden Produkte, Lösungen und Services bereitzustellen», sagt Nassauer.

Tatsächlich kommt NSN seit Jahren auf keinen grünen Zweig. Der Netzwerk-Ausrüster leidet unter einem harten Preiskampf und der scharfen Konkurrenz. Und was haben Nokia und Siemens nicht schon alles ausprobiert. Doch weder die Suche nach Käufern noch Pläne für einen Börsengang haben etwas geholfen. «Dabei hatten wir immer Angst, dass die beiden Partner an einen Finanzinvestor verkaufen», sagt Nassauer. Und nun greife das eigene Management härter durch, als man das von einem Investor befürchtet hätte. Die Arbeitnehmer hoffen nun auf Schützenhilfe aus der Siemens-Zentrale in München. «Ich gehe mal davon aus, die Messe ist noch nicht gelesen», sagt Nassauer.

Die Geduld des Elektroriesen mit der ungeliebten Beteiligung dürfte aber weitgehend aufgebraucht sein. Erst im Sommer entschieden beide Partner, der Tochter doch auf die Beine zu helfen. Je 500 Millionen Euro pumpten die beiden Anteilseigner in den chronisch schwächelnden Konzern. Doch damit wird das Finanzloch noch lange nicht gestopft sein. Siemens-Finanzchef Josef Kaeser rechnet mit weiteren Belastungen und hat schon mal eine Summe im mittleren dreistelligen Millionenbereich eingeplant. Der Vertrag mit Nokia endet 2013, bis dahin muss NSN die Kurve kriegen. Auch für Nokia ist NSN eine Belastung. Der Handy-Riese hat selbst genügend Baustellen.

In den vergangenen Jahren hat NSN seinen Müttern viel Kummer gemacht und Verluste in Milliardenhöhe angehäuft. Allein 2010 schrieben die beiden Konzerne eine Milliarde Euro auf das Problemkind ab. Dafür, dass es auch finanziell besser läuft, ist ein Deutscher verantwortlich. Anfang des Jahres verpflichtete NSN mit Marco Schröter einen krisenerfahrenen Manager als Finanzvorstand. Schröter hatte sich zuvor beim ebenfalls lange Jahre problemgeplagten Halbleiterspezialisten Infineon einen guten Ruf erarbeitet und gilt als Architekt des Neuanfangs. Inwiefern das ihm und dem übrigen Management nun bei NSN auch gelingt, muss sich erst noch zeigen. (dparw)