Harter Konkurrenz fürs iPhone

Nokia N900 im Test

03.12.2009 von Yvonne Göpfert
Seit langem warten viele auf eine echte Alternative zum Apple iPhone. Mit dem Linux-Handy Nokia N900 könnte Nokia der Coup gelungen sein. Im Test steht, was das Nokia N900 kann.

Das Nokia N900 ist schmaler und schlanker als das iPhone, dafür aber doppelt so dick. Liebhaber kleiner Handys werden mit dem Nokia N900 also Schwierigkeiten haben. Dafür besitzt das Nokia N900 eine mechanischen Tastatur. Die Tastatur ist zwar nur dreizeilig, die deutschen Umlaute Ä, Ö und Ü haben dennoch darauf Platz gefunden. Ziffern sind über eine Umschalt-Taste zugänglich. Insgesamt macht die Tastatur einen sehr positiven Eindruck. Lediglich die Tatsache, dass die Leertaste nicht in der Mitte sitzt, mag Blindtipper irritieren. Die Tasten sind mit 7 x 6 mm ausreichend groß und reagieren prima. So sind Mails und andere Botschaften schnell getippt. Das Display bietet eine guten Kontrast, die Helligkeit dürfte aber höher sein. Bei Sonne spiegelt das Display zu stark.

Ausstattung des Nokia N900
Das Nokia N900 bringt einen Micro-USB-Anschluss mit, der eine USB-Verbindung zum PC aufbaut oder zum Laden dient. Neben dem Kameraknopf gibt es noch die Lautstärketasten und eine 3,5-mm-Klinkenbuchse für Standard-Kopfhörer. Bei Nokia schon länger verbaut und immer noch genial: Am rechten Gehäuserand findet sich ein Schalter, der per Schiebebewegung das Display sperrt.

Ungewohnt beim Nokia N900 ist anfangs die Tatsache, dass es keine Annehmen- oder Auflegen-Taste für Telefonate gibt. Die Bedienung erfolgt ausschließlich über den Touchscreen. Hier zeigt sich deutlich, dass das Nokia N900 auf den Spuren den Tablet-PCs Nokia N800 respektive 810 wandelt.

Das neue Betriebssystem Maemo 5

Bislang laufen Nokia-Handys der N- und E-Serie sowie einige weitere Handymodelle unter dem Betriebssystem Symbian S60. Das System ist in die Jahre gekommen und wirkt inzwischen sehr unübersichtlich - hier liegt Nokia deutlich hinter dem iPhone zurück. Nun bringt Nokia mit dem Linux-Betriebssystem Maemo 5 frischen Wind auf seine Handys.

Alle Details zum Betriebssystem Maemo 5

Das Maemo 5 erinnert ein wenig an das Betriebssystem Android: Maemo 5 teilt sich in drei Zonen auf: Die Startzone bietet einen Panorama-Desktop, der sich über bis zu vier Bildschirme erstrecken kann. Darauf kann der Nutzer Widgets, Programmverknüpfungen und Browserlesezeichen deponieren. Die einzelnen Elemente lassen sich auf dem 3,5 Zoll-Display beliebig hin- und herschieben und schließlich ablegen, wie es auch auf einem Android-Smartphone möglich ist.

Die zweite Zone bezeichnet Nokia als Dashboard. Das Dashboard listet alle laufenden Programme in Echtzeit auf. Der Nutzer sieht ein briefmarkengroßes Icon, das den aktuellen Stand des Programms anzeigt - beim Browser beispielsweise die letzte geöffnete Webseite. Praktisch: Der Anwender kann Programme direkt vom Dashboard aus beenden. Als dritte Zone gibt es den Programmstarter. Er ist mit dem Menü-Knopf bei Symbian vergleichbar und ermöglicht den Zugriff auf alle Anwendungen.

Erstaunlicherweise arbeitet das Nokia N900 standardmäßig im Querformat. Nur in der Telefonfunktion schwenkt es ins Hochformat. Die Bedienoberfläche wirkt sehr aufgeräumt. Eine kurze Eingewöhnungszeit braucht der Anwender jedoch, um zu verstehen, wie man von einer Ebene in die andere gelangt. Um zum Desktop zu kommen, muss der Nutzer auf eine leere Stelle auf dem Display tippen. In die Programmansicht geht es über das Kästchen-Symbol oben links im Display.

Gut gefallen haben uns die Zusatzinformationen, die das Nokia N900 präsentiert, wenn man auf das Batterie-Icon, die Antenne oder andere Zeichen am oberen Displayrand drückt. Dann kann er den Akkustand, die Netzabdeckung oder sonstige Infos im Detail ablesen.

Das N900 unterstützt Multitasking, im Gegensatz zum iPhone. Damit bietet das Nokia N900 den Vorteil, dass wie beim Palm Pre mehrere Anwendungen gleichzeitig auf dem Handy werkeln können. Damit kann beispielsweise auch ein Chat laufen, während man parallel im Web surft. Das Multitasking funktioniert dank üppigem Speicher (256 Megabyte RAM, 768 Megabyte virtueller Speicher) ohne Probleme oder Abstürze. Als Prozessor hat Nokia einen OMAP-Chip von Texas Instruments mit ARM-Cortex-A8-Kern und 600 MHz Taktfrequenz verbaut. Der treibt auch iPhone, Palm Pre und das Motorola Milestone an. Kein Wunder also, dass das Arbeitstempo des Nokia N900 überzeugt. Die Bedienung des rezeptiven Touchscreen-Displays erfolgt übrigens per Fingerwisch oder mit dem seitlich untergebrachten Stylus. Damit lassen sich auch erfolgreich Fingertapser vermeiden, die die Fingerbedienung unvermeidlich verursacht. Hier kann das iPhone ebenfalls nicht mithalten. Dafür reagiert das Apple-Smartphone mit seinem kapazitivem Display bereits auf sanfteste Berürung. Das Nokia N900 braucht da etwas mehr Druck.

Multimedia auf dem Nokia N900

Nokia N900 mit Standfuß zum Videoschauen

Die Kamera ist mit einem Deckel geschützt, den man auf- und zuschieben kann. Das ist durchdacht, denn damit wird das Objektiv vor Kratzern geschützt. Bei der Kameraoptik setzt Nokia weiterhin auf Carl Zeiss. Die 5-Megapixel-Kamera und zwei LED-Blitzlichtern erlaubt diverse Motiveinstellungen, Videos werden im Breitbildformat mit 800 x 480 Pixeln aufgezeichnet. Panorama-Fotos macht die Kamera jedoch nicht.

Die Kamera ist in rund einer Sekunde startklar. Es reicht, einfach den Schutzdeckel beiseite zu schieben. Zum Fokussieren braucht sie etwa 1,5 Sekunden. Fotos sehen auch bei schwachen Lichtverhältnissen noch gut aus. Bei viel Licht ist kaum Bildrauschen zu sehen, die Schärfe reicht bis weit an den Bildrand.

Gute Kamera im Nokia N900
Wer will, kann Geo-Tagging in den Kameraeinstellungen aktivieren. Nokia hat GPS inklusive A-GPS eingebaut. Zum Navigieren dient Ovi Maps 3.0 (ehemals Nokia Maps) mit vorinstallierten Karten für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Der vorinstallierte Media-Player wird schnell zum unentbehrlichen Kumpan für lange und kurze Reisen. Die Bedienung erfolgt intuitiv, eine Bewertung der Lieder ist jedoch nicht möglich. Schade, dass die Albencover nur in Briefmarkengröße angezeigt werden. Das iPhone hat hier also weiterhin die Nase vorn. Dafür spielt der Player eine Vielzahl von Formaten wie AAC, AAC+, eAAC+, M4A, MP3, WAV und WMA ab. Videos sehen auf dem Bildschirm mit hoher Auflösung genial aus - da hechelt das iPhone hinterher.

Die mitgelieferten In-Ear-Kopfhörer sitzen prima im Ohr und klingen vollmundig. Wer jedoch lieber seine Lieblingskopfhörer einsteckt, kann dies über die Standard-Klinkenbuchse (3,5 mm) tun. Im Auto gibt es noch eine weitere, interessante Möglichkeit, der Musik zu lauschen: Über den integrierten UKW-Transmitter lassen sich die Klänge drahtlos über ein UKW-Frequenz auf die Lautsprecher des Autoradio schicken.

Nokia N900-Browser: Browser mit Sex-Appeal

Hochleistungs-Surfen mit dem Nokia N900

Surfen macht mit dem Nokia N900 richtig Spaß. In dem Handy kommt ein Browser auf Basis von Mozilla zum Einsatz. Er lädt die Vollversionen der Webseiten - ganz wie auf dem PC. Zudem wird unterstützt Adobe Flash 9.4 unterstützt. Damit ist ein Youtube-Feuerwerk im Browser möglich. Die Datenübertragung erfolgt per WLAN oder HSDPA mit bis zu 10,2 MBit/s im Down- und bis zu 2 MBit/s im Upload. Und so braucht eine News-Webseite im Schnitt nur 15 Sekunden, bis sie da ist. Zudem lässt sich das N900 als Datenmodem via USB nutzen.

Will der N900-Besitzer den Text auf einer Webseite vergrößern, kann er zoomen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Zwei Mal auf den Bildschirm klopfen vergrößert die Seite um einen festgelegten Zoomfaktor. Wer stufenlos zoomen will, muss mit einer kreisenden Drehbewegung über das Display fegen. Im Foto-Browser funktioniert diese Methode bedauerlicherweise jedoch nicht.

Der Browser erlaubt Befehle wie Neues Fenster, Seite speichern, Suchen auf Seite und Downloads aktivieren. Die Menüführung ist aber nicht stringent. Mal gibt es einen Zurück-Pfeil, mal muss man knapp unter den Display-Rand klopfen, um zurückzugelangen. Hier wäre weitere Feinkosmetik angebracht.

Vorinstallierte Software auf dem Nokia N900
Kontakte lassen sich mit der Sync-Software mit dem Rechner abgleichen. 150 Kontakte brauchen eine gute halbe Minute - ein guter Wert. Auch ein Kalender ist vorhanden. Eine Aufgabenliste und eine Diktier-Software gibt es aber nicht. Hierzu muss sich de Rnutzer im Ovi-Store umsehen. Nokia hat es natürlich nicht versäumt, den auf dme Nokia N900 anzubieten.

Neben einem PDF-Reader steht auch Documents to go ist in der Viewer-Variante zur Verfügung. Das bedeutet, dass der Nutzer Dokumente zwar ansehen, aber nicht bearbeiten kann. Ebenfalls interessant ist das Backup-Programm. Auf Knopfdruck erstellt es eine Datenkopie von Kommunikation und Kalender, Lesezeichen, Einstellungen und der Programmliste. Das Backup lässt sich sogar passwortschützen. Weiter unterstützt das Nokia N900 E-Mails in Echtzeit, Internet-Telefonie (VoIP) und Instant Messaging (Chat). Das Nokia N900 fasst 32 Gigabyte und kann durch SD-Karten auf 48 Gigabyte erweitert werden. Die Akkuleistung hätte größer ausfallen dürfen: Das N900 bietet 1320 mAh. Zum Vergleich: Im Nokia N97 stecken 1500 mAh. Sehr gut dagegen schneidet das Handy im Akustik-Test ab. Sowohl im Festnetz als auch am Handy überträgt es das Gespräch klar und deutlich. Sogar der Freisprecher ist alltagstauglich.

Fazit
Das Nokia N900 ist tatsächlich ein harter iPhone-Konkurrent - vor allem dank des zeitgemäßen Betriebssystems. Der große Tochscreen reagiert prima und zeigt vor allem Filme in toller Qualität. Außerdem bringt die Ausstattung des Nokia N900 alles mit, was derzeit Stand der Technik ist. Bleibt abzuwarten, welche zusätzlichen Anwendungen die Entwicklergemeinde rum um Maemo 5 programmiert. Denn erst ein satt gefüllter Software-Store macht die Sache rund: Und hier bleibt Apples iPhone momentan noch unschlagbar.

Nokia N900: alle Testergebnisse und technische Daten

ALLGEMEINE DATEN: Nokia N900 (Handy)

Gesamtnote

gut (1,68)

Testkategorie

Handy

Handy-Hersteller

Nokia

Nokias Internetadresse

www.nokia.de

Preis (Hersteller-UVP)

599 Euro

BEWERTUNG (0-100 Punkte): Nokia N900 (Handy)

Handy-Basics (30%)

80

Handhabung (25%)

88

Ausstattung (20%)

67

Multimedia (15%)

86

Connectivity (10%)

100

Gesamtwertung

83 von 100

DIE TECHNISCHEN DATEN: Nokia N900 (Handy)

Handy-Basics

Größe

111 x 60 x 19,4

Gewicht

180 Gramm

Formfaktor

Schiebehandy

Betriebssystem

Maemo 5

Prozessor

600 MHz

Besonderheiten

Linux-Betriebssystem Maemo 5

Akku-Laufzeit

Stand-by-Zeit im GSM-Netz in Stunden

270 Stunden

Gesprächszeit im GSM-Netz in Minuten

300 Minuten

Stand-by-Zeit im UMTS-Netz in Stunden

270 Stunden

Gesprächszeit im UMTS-Netz in Minuten

300 Minuten

Netze

GSM 900

ja

GSM 1800

ja

GSM 1900

ja

GSM 850

ja

EDGE

ja

UMTS

ja

HSDPA

ja

Display

Größe

76 x 46 Millimeter

Auflösung

800 x 480 Pixel

Touchscreen

ja

Handhabung

Mechanische QWERTZ-Tastatur

ja

Ruftonzuordnung pro Kontakt oder Kontaktgruppe

ja

Profile

ja

Flugzeug-Modus

ja

Ausstattung

Schnittstellen

Bluetooth

ja

USB

ja

WLAN

ja

2,5- oder 3,5-Millimeter-Klinkenstecker

ja

Speicher

RAM

256 MB

ROM

768 MB

Speichererweiterung

ja

Speicherkarte im Lieferumfang

nein

GPS

GPS-Chip

ja

Navigationssoftware

Testversion

Multimedia

Fotos

Auflösung

2576 x 1936 Pixel

Autofokus

ja

Makro

ja

Motivprogramme

ja

Bildstabilisator

nein

Optischer Zoom

nein

Videos

Auflösung

800 x 480 Pixel

Bildstabilisator

nein

Musik

Anzahl Formate

7

Headset im Lieferumfang

ja

UKW-Radio

nein

Connectivity

Browser

ja

Push-E-Mail

ja

E-Mail-Anhänge

ja

Instant Messaging

ja