Interview mit einem Mittelstandsforscher

"Neuheiten werden leichter und schneller ausprobiert"

20.06.2011
Auch die Wissenschaft beschäftigt sich mittlerweile mit dem Mittelstand, zum Beispiel an der Uni Mannheim.

Mittelstandsbezogene Themen haben mittlerweile auch in die Wissenschaft Einzug gehalten. An der Universität Mannheim gibt es das Institut für Mittelstandsforschung (ifm Mannheim) mit circa 30 Wissenschaftlern. Wir haben mit Achim Oberg, Diplom-Wirtschaftsinformatiker und Leiter des Forschungsteams Management und IKT im Mittelstand gesprochen.

"Viele Probleme lassen sich lösen, wenn mittelständische Unternehmen untereinander Informationen austauschen und kooperieren." Achim Oberg, "Mittelstandsforscher" an der Universität Mannheim

Welche Themen stehen im Institut für Mittelstandsforschung im Forschungsmittelpunkt?
Achim Oberg: Am ifm Mannheim werden die Gründung neuer Unternehmen sowie die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung mittelständischer Unternehmen zum Beispiel durch moderne Managementkonzepte sowie durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien erforscht. Da mittelständische Unternehmen oft auf Unterstützung durch ihre Familien angewiesen sind, werden auch die Familienunternehmen in der Forschung besonders berücksichtigt.

Ein Forschungsbereich des ifm heißt "Informations- und Kommunikationstechnologien im Mittelstand" (IKT). Können Sie ein paar aktuelle Ergebnisse Ihrer Forschungen aufzählen?
Oberg: Uns beschäftigt unter anderem die Frage, wie sich mittelständische Unternehmen durch IKT besser koordinieren können. Ein Beispiel sind Netzwerke, in denen Firmen unterstützt durch Internettechnologien zusammenarbeiten. Im Rahmen eines Projekts für das Bundesministerium für Bildung und Forschung haben wir etwa festgestellt, dass ein erhöhter Einsatz von IKT in Unternehmensnetzwerken die Innovationsfähigkeit dieser Netzwerke steigert. Für das Bundeswirtschaftsministerium untersuchen wir zum Beispiel die Gebrauchstauglichkeit ("usability") von ERP-Software.

Wie gelangen Ihre Forschungsergebnisse hinaus in die Unternehmen?
Oberg: Da gibt es mehrere Wege. Am naheliegendsten ist, dass das Lehrwissen von unseren Studenten während der Praktika oder nachher im Beruf in die mittelständischen Unternehmen hinausgetragen wird. Außerdem sprechen uns Firmen an, denen wir Beratungen oder Vorträge zu den gewünschten Themen bieten und vermitteln. Und dann arbeiten wir viel mit Politikern und Ministerien zusammen: Von ihnen werden oft Projekte initiiert, wir geben dann Handlungsempfehlungen und präsentieren die Ergebnisse in verschiedenen Ausschüssen.

"Schnellere Entscheidungen im Mittelstand"

Wie können mittelständische Unternehmen ihre Probleme am besten lösen?
Oberg: Indem sie mit anderen kleineren und größeren Unternehmen Informationen austauschen und kooperieren. Persönliche Netzwerke erlauben es dabei, Informationen kritisch auszutauschen. Wenn jedoch die Zahl der zu lösenden Probleme drastisch zunimmt, wird das persönliche Beziehungsnetzwerk schnell überlastet. Die Fähigkeit, weitere Partner zu identifizieren und zu kooperieren, entscheidet dann darüber, ob sich ein mittelständisches Unternehmen weiter am Markt behaupten kann.

Wo liegen die besonderen Chancen für den Mittelstand?
Oberg: Mittelständische Unternehmen entscheiden oft schneller als gleichgroße Abteilungen oder Business Units in Konzernen. Damit können Mitarbeiter im Mittelstand leichter und schneller neue technische Möglichkeiten wie zum Beispiel Cloud-Computing-Lösungen ausprobieren.

Was passiert mittelständischen Firmen, die sich dem Web 2.0 und Social Media verweigern?
Oberg: Wer diese Trends komplett ignoriert, läuft Gefahr, eigene Chancen in der Interaktion mit bestehenden und potenziellen Kunden und Kooperationspartnern zu verpassen. Daher sollten diese Möglichkeiten zumindest einmal getestet werden. Ein intensiver Einsatz sollte dann aber nur erfolgen, wenn ein deutlicher Nutzen für das eigene Geschäftsmodell erkennbar ist. (tö)