Übergangsfrist von drei Monaten

Neue Widerrufsbelehrung 2011

09.05.2011
Wieder einmal ist das Muster der Widerrufsbelehrung abzuändern. Johannes Richard zum Gesetzentwurf
Wer Widerrufsbelehrungen verwendet, die nicht mehr aktuell sind, kann abgemahnt werden.

Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom 03.09.2009, Aktenzeichen C 4 89/07 - Messner, ist der Gesetzgeber gezwungen, das Muster der Widerrufsbelehrung wieder einmal abzuändern. Hierfür hat sich der Gesetzgeber doch relativ viel Zeit gelassen, wäre es theoretisch doch möglich gewesen, die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes bereits in die letzte Änderung des Widerrufsrechtes zum 11.06.2010 einfließen zu lassen.

Nachdem bereits im November 2010 ein Referentenentwurf vorlag, ist nunmehr der Gesetzentwurf veröffentlicht worden. Es handelt sich um den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge.

Da es mit der Änderung des Widerrufsmusters nicht getan ist, ist auch eine gesetzliche Änderung notwendig.

Neu eingefügt wird ein § 312 e BGB. Dieser lautet künftig wie folgt:

"§ 312 e Wertersatz bei Fernabsatzverträgen

(1) Bei Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Waren hat der Verbraucher abweichend von § 357 Abs. 1 Wertersatz für Nutzungen nach den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt nur zu leisten,

1. soweit er die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht, und

2. wenn er zuvor vom Unternehmen auf diese Rechtsfolge hingewiesen und entsprechend § 360 Abs. 1 oder 2 über sein Widerrufs- oder Rückgaberecht belehrt worden ist oder von beidem anderweitig Kenntnis erlangt hat.

§ 347 Abs. 1 S. 1 ist nicht anzuwenden."

Auch § 357 Abs. 3 BGB wird geändert. Dort waren nach dem alten Recht die Wertersatzregelungen geregelt. Künftig lautet § 357 Abs. 3 BGB wie folgt:

"(3) Der Verbraucher hat abweichend von § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Wertersatz für eine Verschlechterung der Sache zu leisten,

1. soweit die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaft und der Funktionsweise hinausgeht, und

2. wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist."

Wie auch bei der letzten Änderung des Widerrufsrechtes ist die Information in Textform (bspw. E-Mail) dann gegeben, wenn nach Vertragsschluss unverzüglich in Textform informiert wird.

Übergangsregelung vorgesehen

Bei der letzten sehr grundsätzlichen Änderung des Widerrufsrechtes zum 11.06.2010 hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung nicht vorgesehen. Dies ist auf Grund der massiven Kritik des Distanzhandels nunmehr offensichtlich anders. Die alte Widerrufsbelehrung kann noch drei Monate nach Inkrafttretens des Gesetzes verwendet werden. Nach drei Monaten muss jedoch alles abgeändert sein.

Wann das Gesetz in Kraft treten wird, lässt sich zurzeit leider nicht ansatzweise absehen. Wir gehen auf jeden Fall davon aus, dass das Gesetz noch dieses Jahr in Kraft treten wird.

Aufgrund der grundsätzlichen Änderungen der Widerrufsbelehrung und des Umstandes, dass die Fiktion einer ordnungsgemäßen Belehrung nur dann gilt, wenn das amtliche Muster unverändert verwendet wird, geht im Übrigen an einer Aktualisierung der Widerrufsbelehrung kein Weg vorbei, wenn das Gesetz verkündet worden ist. Mit anderen Worten: Jeder Internethändler muss seine Widerrufsbelehrung abändern, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Anders als im letzten Jahr, als keine Übergangsfrist vorgesehen war, hat der Internethandel jetzt jedoch mehr Zeit und kann die ganze Sache in Ruhe angehen. Auch hier dürfte es jedoch wichtig sein, dass vermieden wird, dass der Verbraucher bspw. bei eBay mit unterschiedlichen Widerrufsbelehrungen konfrontiert wird. Zudem sollte die Widerrufsbelehrung, über die im Internet selbst informiert wird, der entsprechen, die der Verbraucher auch später in Textform (bspw. Email) erhält.

Künftige Regelung des Wertersatzes

Der Europäische Gerichtshof hat nicht ausgeurteilt, dass ein Wertersatz unter keinen Umständen geltend gemacht werden darf. Ein Wertersatz kann lediglich für ein "Ausprobieren" der Ware nicht geltend gemacht werden. Der EuGH hat ausdrücklich den Punkt offen gelassen, dass unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sehr wohl ein Wertersatz geltend gemacht werden kann. Aus diesem Grund, dies finden wir ganz gelungen, spricht der Gesetzgeber auch davon, dass ein Wertersatz dann zu leisten ist, wenn die Ware in einer Art und Weise genutzt wurde, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Die wirtschaftlichen Folgen hat der Gesetzgeber hierbei durchaus erkannt. Es heißt insofern in der Gesetzesbegründung:

"Soweit der Verbraucher die Ware in einer Weise nutzt, die nicht erforderlich ist, um sein Widerrufsrecht effektiv auszuüben, entspricht es daher den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben, für diese weitergehende Nutzung bzw. Abnutzung der Ware Wertersatz leisten zu müssen. Es wäre unbillig, wenn der Unternehmer diesen Nachteil tragen müsste. Denn nicht selten kann eine benutzte Sache nicht mehr als neuwertig verkauft werden und ist daher für den Unternehmer faktisch wertlos. Darüber hinaus wäre es dem Verbraucher bei einer Regelung, nach der er generell keinen Wertersatz leisten müsste, ohne weitere Konsequenzen möglich, eine Ware über mindestens zwei Wochen vollständig zu nutzen und dann wieder zurückzugeben.

Die Beweislast für eine Nutzung der Ware, die im Einzelfall über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht, liegt beim Unternehmer. Diesem kommt nach Ansicht des Gesetzgebers der Beweis des ersten Anscheins zugute.

Weist die Ware deutliche bzw. erhebliche Gebrauchsspuren auf, entspricht die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass dies typische Folge einer intensiven Nutzung und nicht lediglich einer Prüfung ist. Erheblich sein kann aber nicht nur die Intensität der Gebrauchsspuren. Neben anderen Indizien kann unter Umständen auch die Gesamtsituation herangezogen werden. Wird etwa ein Kommunionskleid nach dem Weißen Sonntag zurückgesandt, kann ggf. aus den Umständen geschlossen werden, dass es getragen und nicht nur ausprobiert wurde, auch wenn das Kleid keinerlei Gebrauchsspuren aufweist."

Theorie und Praxis

So weit die Theorie - in der Praxis dürfte es dem Verkäufer schwerfallen nachzuweisen, dass Schuhe bei einer Hochzeit getragen wurden oder ein Kommunionskleid einmalig genutzt wurde. Gleiches gilt auch für die Mitnahme einer Kamera in einen Urlaub, der weniger als zwei Wochen dauert.

Der Gesetzgeber vertritt ferner die Ansicht, dass eine entsprechende Prüfung bei Öffnen einer Verpackung, bei der dies nach Verkehrssitte nicht üblich ist (z. B. Hygiene-Artikel, verschweißte Medikamente) zu einer Wertersatzpflicht führt, da eine derartige Prüfung auch im Ladengeschäft nicht vorgenommen werden kann. Dies hat die Rechtsprechung bisher anders gesehen.

Konkrete Änderung der Widerrufsbelehrung

Der Gesetzgeber hat die Chance genutzt, auch weitere grammatikalische Unvollständigkeiten in der Widerrufsbelehrung abzuändern. Im Widerrufsrecht wird durch Verwendung des Wortes "auch" darauf hingewiesen, dass der Widerruf "auch durch Rücksendung der Sache" erfolgen kann. Ferner wurde geregelt, dass die regelmäßigen Kosten der Rücksendung im Falle der Nutzung der 40-Euro-Klausel zu erstatten sind. Neu ist somit das Wort "regelmäßig".

Obwohl der Gesetzgeber in der Gesetzgebungsbegründung erwähnt, dass entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch die Hinsendekosten zu erstatten sind, ist dieser Punkt nicht in die beabsichtigte neue Muster-Widerrufsbelehrung aufgenommen worden.

In den Widerrufsfolgen wird es künftig bei einer unverzüglichen Textforminformation über den Wertersatz wie folgt heißen:

"Für die Verschlechterung der Sache und für die gezogenen Nutzungen müssen Sie Wertersatz nur leisten, soweit die Nutzungen oder die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Unter "Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise " versteht man das Testen und Ausprobieren der jeweiligen Ware, wie es etwa im Ladengeschäft möglich und üblich ist."

Für den Fall, dass eine unverzügliche Textforminformation über den Wertersatz nicht möglich ist, gibt es auch weiterhin eine Alternativformulierung.

Ob dieser Gesetzesentwurf so beschlossen wird oder ob es im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens noch weitere Änderungen geben wird, können wir an dieser Stelle nicht einschätzen. Genauso unklar ist die Frage, wann das Gesetz in Kraft treten wird.

Nicht mehr aktuelle Widerrufsbelehrungen können abgemahnt werden

Ähnlich wie bei der letzten Änderung der Widerrufsbelehrung zum 11.06.2010 kann nach Ablauf der Übergangsfrist wieder einmal wettbewerbsrechtlich umfangreich abgemahnt werden, wenn Internethändler es verpassen, die Widerrufsbelehrung abzuändern. Wie auch bei der letzten Änderung ist für den Abmahner leicht zu erkennen, ob es sich um ein neues oder ein altes Muster handelt. Diesmal wird es jedoch entspannter zugehen, da die Übergangsfrist von drei Monaten besteht. (oe)

Der Autor Johannes Richard arbeitet als Rechtsanwalt in der Kanzlei Langhoff, Dr. Schaarschmidt & Kollegen in Rostock. Er hat sich auf die Bereiche Internet- und Online-Recht sowie Wettbewerbsrecht spezialisiert und ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz.

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