Wearables, Smart Home und Internet of Things

Neue Verkaufsmodelle für neue Geräte?

29.07.2015 von Matthias Hell
Viele neue Produkte im Internet of Things (IoT) sprengen die Grenze zwischen Gadget und Lösung - und stellen Händler damit vor neue Herausforderungen. Welche Ansätze gibt es für den Verkauf von vernetzen Geräten? Und wer könnte dabei das Rennen machen?
 
  • IoT im Handel
  • Smart Home im Kommen
  • Neue Vertriebswege für Wearables
  • 3D-Druck im Retail
  • Digital Commerce
  • Die Pläne von Amazon, Apple, Conrad Electronics, Mobilcom-Debitel und Media Markt

Eigentlich müssten die CE-Verbünde wie EP, Euronics und Expert frohlocken: Seit Jahren wiederholen sie mantraartig die Mär vom Zukunftsmarkt Smart Home, doch blieb die Heimvernetzung zu komplex und wollten die Kunden deshalb nicht richtig mitziehen. Mit dem Heraufziehen des Internet of Things und der Einführung einer Vielzahl neuer, drahtlos vernetzter Produkte wäre nun eigentlich der Punkt erreicht, an dem Lösungen wie Smart Home auch für den Durchschnittskunden einfach und erschwinglich genug geworden sind. Doch wirkt es so, als wäre der Zeitgeist längst an den CE-Verbünden vorbeigezogen und stehen andere Händler in den Startlöchern, um sich als primäre Anlaufstellen für den Kauf der neuen smarten Geräte und Lösungen zu positionieren.

Conrad als Early Adaptor mit umfassendem Konzept

Eine gute Figur macht hier beispielsweise Conrad Electronic. Mit seinem Fokus auf fortgeschrittene Technik-Anwender hat sich der Elektronikhändler bereits frühzeitig mit neuen Produkten im Internet of Things auseinandergesetzt - und nicht nur das: Durch die Zusammenarbeit mit der Entwickler-Community Hardware.co hat Conrad Voraussetzungen geschaffen, um sich einen bevorzugten Zugriff auf Produktneuentwicklungen zu verschaffen.

Mit den zugekauften Onlineshops Getgoods und Home of Hardware hat das Unternehmen zudem Vertriebswege, über welche neue Themen frühzeitig auf ihre Marktakzeptanz getestet werden können. Und mit Showroom-artigen Retail-Formaten wie dem "3D-Printhub" bringt der Elektronikhändler neue Entwicklungen auch auf die Fläche. In den Niederlanden hat Conrad mit "The Smart Way of Life" nun ein eigenes Info-Portal zum Thema Internet of Things gestartet.

Kunden können hier u.a. auswählen, zu welchen Benutzertyp sie zählen und erhalten dann die für sie passenden Lösungen angezeigt. Die Seite unterscheidet dabei zwischen Einsteigern (Endkunden mit einem Bedürfnis nach fertigen Lösungen), Fortgeschrittenen (Bastler mit großem Elektronikverständnis) und Profis (Business-Kunden). Conrad hat für sein IoT-Angebot zwar nicht den Handel neu erfunden, bietet aber ein in jeder Hinsicht sehr rundes Konzept.

Mit Formaten wie dem "3D-Printhub" bringt Conrad vernetzte Technik in die Stores

Media-Saturn plant digitale IoT-Verkaufslösungen

Retail-Marktführer Media-Saturn steht im Vergleich zu Conrad beim Verkauf smarter Geräte und Lösungen noch eher in den Startlöchern. Zwar hat man sich u.a. beim Pilotmarkt von Saturn in Ingolstadt bemüht, Wearables zentral zu positionieren und mit Anwendungsszenarios zu inszenieren.

Doch trifft das auch auf viele andere Produktkategorien von Flatscreen-TVs über Kopfhörer bis zu PC-Games zu. Allerdings macht man sich bei Media-Saturn durchaus Gedanken über weitergehende, "smarte" Verkaufskonzepte. Erstmals ließ sich das bei der Unternehmensmitteilung zum Start der Electronics Online Group erkennen, als Media-Saturn verkündete, für neue Produktkategorien wie Wearables eigene Onlineshops starten zu wollen und auch Beteiligungen an Herstellern wie z.B. Jawbone nicht ausschloss.

Unternehmens-Chef Pieter Haas hat zudem eine Produktdatenbank ins Feld geführt, mit der Media-Saturn seine Kunden besser unterstützen könne, wenn es Geräte-Updates gebe, Reparaturen fällig würden oder beim Smart Home neue Vernetzungsszenarien möglich würden. Für Haas handelt es sich dabei um eine Facette der angestrebten Wandlung von Media-Saturn zum Digital-Unternehmen, das Kunden über möglichst viele Touchpoints erreichen soll.

Bisher tritt Media-Saturn bei Wearables und anderen smarten Geräten als simpler Verkäufer in Erscheinung
Foto: Media-Saturn-Holding GmbH (MSH)

Mobilcom-Debitel setzt auf Handy-basierte Services

Während bei Media-Saturn vieles noch Zukunftsmusik ist, hat Mobilcom-Debitel zusammen mit dem Tochterunternehmen Gravis bereits viel konkretere Verkaufsszenarien für vernetzte Geräte und Lösungen entwickelt. Aus Sicht des Mobilfunkunternehmens handelt es sich bei vielen IoT-Produkten um Services, die an das Smartphone als Steuerzentrale andocken und ähnlich vertragsbasiert vermarktbar sind wie Handytarife. Um hier attraktive Angebote zu liefern, hat Mobilcom-Debitel exklusive Vertriebspartnerschaften mit Trend-Herstellern wie Jawbone und Withings geschlossen und bietet deren Geräte als Paketlösungen inklusive der zugehörigen Tarife an.

Im Mobilfunk-Bereich setzt das Unternehmen auf Flatrate-Angebote beispielsweise bei Musik und Games, aber auch in Sachen Cloud und Home Security. Begleitet wird dieses Angebot ähnlich wie bei Conrad von einem Online-Magazin, wobei Mobilcom mit "My digital Lifestyle" mehr auf einen Entertainment-artigen Zugang setzt. Um den Kunden die neuen Produktwelten anschaulich nahezubringen, hat das Unternehmen wiederholt Pop-up-Stores eröffnet, zuletzt in Mannheim. Das klare Ziel ist es, die Bindung der Kunden an ihren Mobilfunk-Provider zu nutzen, um sie auf dem Weg in das Internet of Everything zu begleiten.

Mit Konzept-Shops will Mobilcom-Debitel seine Kunden die vernetzten Möglichkeiten entdecken lassen
Foto: Mobilcom-Debitel


Wohin steuert Amazon?

Während sich die stationären Elektronikmarken mit unterschiedlichen Verkaufsstrategien an den Trend zu vernetzten Geräten annähern, ist es diesbezüglich im Online-Handel noch auffallend ruhig. Zwar verkaufen Notebooksbilliger, Cyberport und Redcoon verschiedenste Smart Devices, lassen aber noch kein spezielles Konzept dafür erkennen.

Ähnliches gilt auch für den Online-Platzhirsch Amazon. Das Fehlen eines speziellen IoT-Verkaufsmodells wird hier aber immerhin dadurch kompensiert, dass der Online-Händler kontinuierlich am Aufbau eines eigenen Portfolios vernetzer Geräte arbeitet. So hat Amazon mit dem Nachbestell-Knopf Dash eine eigene Internet-of-Things-Anwendung geschaffen, die zwar recht simpel gestaltet ist, aber hohes Umsatzpotenzial verspricht. Und mit der Lautsprecher-/Sprachsteuerungs-Säule Amazon Echo hat der Online-Händler ein Gerät entwickelt, das als Schaltzentrale nicht nur für E-Commerce-Aktivitäten, sondern auch für das komplette Smart Home taugt. Wer den Drang von Amazon verfolgt, sich vom Online-Buchhändler zum Anbieter für alle Bedarfslagen in das Leben seiner Kunden vorzuarbeiten, wird nicht daran zweifeln, dass das Unternehmen auch im Internet of Things noch weitreichende Ziele verfolgt.

Der Echo könnte Amazons Steuerzentrale für das vernetzte Zuhause werden
Foto: Amazon

Alternativkonzept vom Apple-Store-Erfinder

Als ein On-/Offline-Newcomer mit großem Potenzial beim Verkauf von vernetzten Geräten und Lösungen wird zudem in letzter Zeit das US-Start-up Enjoy ins Feld geführt. Das liegt zum einen daran, dass das Unternehmen von Ron Johnson gegründet wurde, der als Retail-Chef von Apple in den Nullerjahren für den Aufbau der Apple Stores verantwortlich zeichnete. Über das Genie von Ron Johnson kann man geteilter Meinung sein - immerhin scheiterte der Manager in seinem Nach-Apple-Job als Sanierer der Kaufhauskette J. C. Penney sang- und klanglos -, doch geht Enjoy mit einem frischen Konzept an den IoT-Verkauf heran.

Das Start-up verbindet einen Onlineshop mit sorgfältig ausgewählten vernetzten Produkthighlights mit einem "Geek Squad"-artigen Vor-Ort-Service, der die smarten Geräte bei den Kunden installiert und erklärt. Bisher ist Enjoy erst in New York und in San Francisco verfügbar und ist somit schlecht abzuschätzen, ob das Geschäftsmodell ein Geniestreich mit hohem Convenience-Faktor ist - oder doch nur das Eingeständnis dafür, wie schwierig es weiterhin ist, IoT-Anwendungen an Durchschnittskunden zu vertreiben. Doch zeigt das Start-up gut, dass für die neuen Produkte weiterhin Bedarf an neuen Verkaufskonzepten besteht und damit beträchtliches Potenzial verbunden ist. (mh)

Der sympathische Enjoy-Mann kommt mit dem VW-Bus zur IoT-Installation nach Hause
Foto: Enjoy