IT-Beratung und Systemintegration

Neue Themen fordern IT-Dienstleister heraus

05.06.2019 von Heinrich Vaske
Der Markt für IT-Services wird 2020 etwas langsamer, aber immer noch zweistellig wachsen. Als Bremse erweist sich der Fachkräftemangel, zumal sich die Anbieter auf ein verändertes Nachfrageverhalten einrichten müssen.

Das CIO-Magazin hatte Gelegenheit, vorab einen Blick auf Lünendonks brandneues Ranking der führenden IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen (siehe Bildergalerie) sowie die zugehörige Studie zu werfen. Demnach ist dieser Markt 2018 um 12,7 Prozent gewachsen, etwas stärker als das IT-Dienstleistungsgeschäft insgesamt, in das auch Outsourcing und Managed Services einfließen. Diese Bereiche eingerechnet, legt der Markt um 11,9 Prozent zu.

Ranking der 25 führenden IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen in Deutschland (Platz 1-12)
Foto: Lünendonk

Im kommenden Jahr werde die Dynamik zurückgehen, im deutschen IT-Servicemarkt soll die Expansion dann noch 10,6 Prozent betragen. 2020 erwarten die Marktbeobachter mit 10,8 Prozent Zuwachs einen ähnlichen Wert. Mario Zillmann, Partner bei der Lünendonk & Hossenfelder GmbH in Mindelheim, sieht im anhaltenden Fachkräftemangel neben der zu erwartenden konjunkturellen Eintrübung die größte Wachstumsbremse: "Immer öfter müssen IT-Dienstleister Projekte ablehnen, die Vorhaben können oft nicht mehr 'gestafft' werden."

Davon seien kleinere IT-Dienstleister stärker betroffen, als die großen. Im vergangenen Jahr mussten im unteren Marktsegment der Berater und Systemintegratoren 17 Prozent der Projektanfragen abgelehnt werden, die Top-25-Unternehmen dieses Marksegments haben acht Prozent der Anfragen negativ beschieden. Im gesamten IT-Dienstleistungsmarkt (einschließlich Outsourcing und Managed Services) betrug die Ablehnungsquote knapp zwölf Prozent.

Ranking der 25 führenden IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen in Deutschland (Platz 13-25)
Foto: Lünendonk

Die gute Nachricht: Von den durchschnittlich 255 Mitarbeitern, die die 50 größten IT-Dienstleistungsunternehmen Deutschlands im vergangenen Jahr neu eingestellt haben, waren 38 Prozent Berufsanfänger. Diese Quote lag 2017 mit 35 Prozent niedriger. Ein Grund dafür ist, dass die Informatikfakultäten der Universitäten und Fachhochschulen zuletzt wieder mehr Absolventen in den Arbeitsmarkt entließen.

Gefragt sind klassische IT-Services

Lünendonk wollte von den IT-Beratern und Systemintegratoren auch wissen, welche Themen 2018 die Service-Nachfrage besonders beeinflusst haben und auf welche Themen die Berater und Systemintegratoren ihr Portfolio 2020 ausrichten werden. Höchstwerte erzielte im Vorjahr demnach die klassische Systemintegration oder: "die Integration digitaler Lösungen in die Backend-IT", wie es die Mindelheimer differenzierter ausdrücken. 2018 haben 85 Prozent der Anbieter hier eine starke Nachfrage registriert, 2020 wollen sogar 89 Prozent ihr Angebot stärker darauf ausrichten.

Während hier also ein kontinuierliches Kundeninteresse prognostiziert wird, klaffen in anderen IT-Bereichen vergangenes und zukünftiges Nachfrageverhalten weiter auseinander. Die agile Anwendungsentwicklung etwa hat 2018 drei Viertel der Dienstleister auf Trab gehalten, 2020 wollen sogar 85 Prozent ihr Angebot entsprechend ausrichten. Die Orchestrierung von Cloud-Services und das Management von Hybrid-Cloud-Umgebungen war im Vorjahr für 68 Prozent ein Thema, 2020 werden sich 82 Prozent damit beschäftigen. Groß auch der Sprung im Bereich der künstlichen Intelligenz: von 48 auf 75 Prozent.

Nach IoT-Lösungen hat gut die Hälfte der 58 Umfrageteilnehmer aus dem Markt für IT-Beratung und Systemintegration 2018 eine nennenswerte Nachfrage registriert. Für nächstes Jahr erwarten 70 Prozent entsprechende Kundenwünsche. Im Segment Robotic Process Automation (RPA) steigt das Interesse von 34 auf 42 Prozent, und auf Blockchain - 2018 nur für acht Prozent ein Thema - stellen sich im kommenden Jahr laut Umfrage 27 Prozent ein.

Im Zuge der digitalen Transformation gehen die IT-Beratungshäuser und Systemintegratoren auch von einer steigenden Nachfrage im Bereich Legacy-Modernisierung aus: Anwender möchten demnach in die Cloud umziehen und bei ihren Anwendungen auf Microservices und Container-Lösungen setzen. Etwa vier von fünf Befragten erwarten hier eine hohe (36 Prozent) oder sehr hohe (43 Prozent) Nachfrage. Noch größer ist der Anteil derer, die steigendes Interesse an App- und Website-Entwicklung, Plattformen oder sonstige digitale Lösungen prognostizieren (insgesamt 85 Prozent). Das Reengineering und Redesign von Prozessen beschäftigt 28 Prozent sehr stark und 56 Prozent stark.

Mehr Agilität gefragt

Agilität in der Softwareentwicklung - und auch in der gesamten Organisation - beschäftigt die Unternehmen und damit auch ihre Dienstleister immer stärker. Momentan laufen die Projekte, in die IT-Berater und Systemintegratoren involviert sind, mehrheitlich immer noch nach dem Wasserfallmodell. 55 Prozent folgen diesem klassischen Ansatz, 45 Prozent arbeiten in agilen Projektteams.

Auch die These, wonach IT-Dienstleister ihre Umsätze inzwischen mehrheitlich mit dem Business machen, ist nicht zu halten. Auf die Frage: "Wie verteilt sich der Umsatz Ihres Unternehmens auf Projekte, die direkt von den Fachbereichen vergeben werden sowie direkt von den IT-Abteilungen?" antworteten 38 Prozent, sie hätten die Fachbereiche als Kunden. 62 Prozent arbeiten mit den IT-Abteilungen zusammen. Tatsächlich sind hier aber deutliche Verschiebungen zugunsten des Business spürbar: 2017 wurden nur 34 Prozent der Projekte von Fachabteilungen vergeben.

Die digitale Transformation sowie das Etablieren von neuen Geschäftsmodellen fordert IT-Dienstleister.
Foto: Diego Cervo - shutterstock.com

Eine Herausforderung ist für die IT-Berater und Systemintegratoren der Trend zu Customer Centricity und Customer Experience Management. Um die Anforderungen der Kunden nach Kreativleistungen etwa im Front-end-Design erfüllen zu können, setzen die IT-Dienstleister auf Kooperationen, bauen Partnerökosysteme auf und kaufen Internet-Agenturen zu - sofern sie es sich leisten können. Letztere zu finden, ist allerdings gar nicht mehr so einfach: Viele Agenturen sind bereits ganz oder teilweise von anderen IT-Anbietern, teilweise auch von großen Anwenderunternehmen, weggekauft worden.

Zum Schluss wollte Lünendonk wissen: Wie fühlen sich IT-Dienstleister selbst auf die agile und digitale Transformation vorbereitet? Immerhin 43 Prozent geben ehrlich zu, dass derzeit weder ihre Unternehmenskultur noch ihre Attraktivität als Arbeitgeber (Employer Branding) ausreichen, um gefragte Skills wie User-Experience-Designer, Data Scientists oder sonstige Kreative anzulocken. Ein Drittel beklagt zudem die interne Silomentalität und die Alleingänge einzelner Geschäftsbereiche, die eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Teams behinderten.

Fazit

Die Lünendonk-Experten stellen angesichts der Untersuchungsergebnisse fest, dass digitale Transformation und der Kundenwunsch, neue Geschäftsmodelle zu etablieren, die IT-Dienstleister massiv fordern. So seien agile Themen für Kunden wie für Anbieter eine große Herausforderung. Der Mangel an Fachkräften behindere das Wachstum, zumal Konzerne wie Siemens, Bosch oder Volkswagen selbst immer mehr zu IT-Unternehmen mutierten und so einen Gutteil der Talente vom Markt nähmen.

Richtig schwierig ist es für die IT-Berater, Kompetenzen in Themen aufzubauen, die normalerweise von Digitalagenturen bearbeitet werden. Ferner stellt Lünendonk fest, dass mit der Akzeptanz von SAP S/4 HANA das Interesse an SAP-Experten wieder stark zunimmt. SAP hatte zwar die Mainstream-Wartung für ERP 6.0 und SAP Business Suite 7 bis Ende 2025 verlängert, aber viele Kunden wollten im Zuge der fortschreitenden Cloud-Transformation früher umstellen. Das aber sei nicht nur ein technisches, sondern auch ein prozessuales Thema: Branchen- und Fach-Know-how müssten gleichermaßen aufgebaut werden.