Bau von Rechenzentren

Neue RZ-Konzepte reduzieren Kosten und Energie

20.10.2015 von Harald Lutz
Durch Standardisierung und neue Konzepte im Rechenzentrumsbau lassen sich bis zu 50 Prozent der Kosten sparen.
Die zentrale Aufgabe der Rechenzentrums-Infrastruktur ist es Server-Einheiten zu kühlen, mit Strom zu versorgen und Sicherheitsstandards dafür zu gewährleisten.
Foto: e3 computing

Die zentrale Aufgabe der Rechenzentrumsinfrastruktur ist es, die Server-Einheiten zu kühlen, mit Strom zu versorgen und Sicherheitsstandards dafür zu gewährleisten. Durch Innovation und Standardisierung im industriellen Rechenzentrumsbau Kosten, Energie und wertvolle Zeit einzusparen, hat sich daher das Unternehmen e3 computing GmbH auf die Fahnen geschrieben. Der Technologiegeber zeigt mit dem eCube-Konzept auf, dass gegenüber dem herkömmlichen individuellen Rechenzentrumsbau bis zu 50 Prozent der gängigen Kosten eingespart werden können.

Von Anfang an die Investitionskosten senken

"Das Reizvolle an unserem Konzept ist, dass sowohl die Investitionskosten als auch die Betriebskosten gegenüber dem herkömmlichen individuellen Rechenzentrumsbau erheblich gesenkt werden können", betont daher ausdrücklich der Geschäftsführer von e3 computing, Alexander Hauser. Üblicherweise erhalte ein Investor den Return-On-Invest (ROI) für eine betriebskostenoptimierte Technologie erst über eine bestimmte Periode.

Was mit dem Aufbau eines Hochleistungs-HPC-Forschungsrechenzentrums an der Goethe-Universität im Rahmen des hessischen Wirtschaftsförderprogramms LOEWE vor gut fünf Jahren seinen Anfang nahm, ist auch heute noch die Basis für alle aktuellen Projekte. Hauser: "Wir fanden Technologie und Konzept so überzeugend, dass wir eine Firma gegründet, die Patente erworben und den Ansatz zum Produkt eCube weiterentwickelt haben." Mehrere ‚Masterminds‘ aus der Professorenzunft sind auch weiterhin im Beirat des Unternehmens e3 computing aktiv.

Alexander Hauser, Geschäftsführer von e3 computing: "Mit unserem patentierten Ansatz werden gleich von Anfang an die Investitionskosten erheblich reduziert."
Foto: e3 computing

Kern des Konzepts: Wasserkühlung über Wärmetauschertüren

Welche technologischen Innovationen stehen nun hinter diesem Paradigmenwechsel im modernen Rechenzentrumsbau? Den Kern des innovativen eCube-Konzepts bildet die Kühlung ausschließlich mit Wasser über Wärmetauschertüren direkt hinter dem Rack. Hauser: "Wasser hat eine viertausendmal höhere Wärmeleitfähigkeit als Luft." Durch den hierdurch möglichen Verzicht auf diversen technischen ‚Ballast‘ gegenüber der herkömmlichen Umluft-Klimakühlung wie Einhausungen, Kalt-Warmgänge, Doppelböden und sogar energieaufwendige Kältemaschinen etc. öffnet sich gleichzeitig die Tür zu einem neuen standardisierten und damit kostengünstigeren Design im Rechenzentrumsbau.

In der Praxis gibt es unterschiedliche Ansätze, wie man mit Wasser kühlt. Auch in der Raumkühlung kann Wasser in der Kühlkette mit dabei sein. Gängige Methode ist, dass man Wasser in Umluft-Klimageräte einbringt, wo die Kälte des Wassers auf die Luft übertragen wird. "Und die wird in gigantischen Mengen durch den Rechnerraum ‚gepustet‘. Wir dagegen kühlen direkt am Rack und damit genau dort, wo die Wärme auch entsteht", verdeutlicht der Geschäftsführer. Die Kühlung ausschließlich durch Wasser ist ein wesentlicher Effizienzfaktor: Um die Wärme aus dem Rechenzentrum wieder herauszubekommen, werden lediglich Wasserpumpen benötigt. Hauser: "Diese Pumpen verbrauchen 1,5 bis 2 Prozent des von der IT benötigten Stroms und sind damit wesentlich verbrauchsgünstiger als die verbreitete Kühlung über Umluft-Klimageräte."

RZ-Bau
Neue Wege im RZ-Bau
Green Cube Heimholtzzentrum
Neue Wege im RZ-Bau
Green Cube bei GSI -FAIR in der Bauphase
Neue Wege im RZ-Bau
Kühlen mit Wasser
Neue Wege im RZ-Bau
Racks - Wasserkühlung
Neue Wege im RZ-Bau
Projektgruppe GSI - FAIR
Neue Wege im RZ-Bau
Stahlgerüstbau
Neue Wege im RZ-Bau
Kühltüme
Neue Wege im RZ-Bau
eCube Innenansicht
Neue Wege im RZ-Bau
Wasser zum Rack
Neue Wege im RZ-Bau
FAIR - Simulation
Neue Wege im RZ-Bau
GSI-Helmholtzzentrum
Neue Wege im RZ-Bau
GSI - Supercomputer L-CSC

Raumtemperatur korreliert mit der Rücklauftemperatur des Wassers

Da Wasser eine sehr hohe Wärmeleitfähigkeit aufweist, kann dieser Ansatz im Rechenzentrumsbau trotz geringer Volumenströme mehr Wärme über die einzelnen Wärmetauscher abführen, als die herkömmliche Luftkühlung. Das heißt im Umkehrschluss: "Wenn die Wärmelast nicht sehr hoch ist, ergibt sich eine sehr niedrige Temperaturdifferenz zwischen Vor- und Rücklauf (Delta T)", erläutert der Rechenzentrumsexperte die zugrunde liegende Physik. Die Raumtemperatur im Rechenzentrum korreliert dabei mit der Rücklauftemperatur des Wassers. Der Technologiegeber verzeichnet bei allen bereits realisierten und vor der Inbetriebnahme stehenden Projekten für die Wasserkühlung direkt am Rack einen sehr niedrigen Delta T-Wert von einem bis zwei Kelvin bzw. Grad Celsius. Hauser: "Mit unserer Technologie reicht, relativ einfach, ohne zusätzliche Kältemaschine zu erhaltendes 25 Grad warmes Wasser aus, um noch 27 Grad Ansaugtemperatur der Server zu gewährleisten."

Eine intelligente Kühlung sorgt dafür, dass sich Server, Storage, Netzwerk und Co. im RZ wohl fühlen.
Foto: e3 computing

Neues Design im Rechenzentrumsbau wird möglich

Die Vorteile der Technologie mit dem Nukleus auf Wasserkühlung über Wärmetauschertüren gegenüber dem herkömmlichen individuellen Rechenzentrumsbau mit Umluftklimatechnik sprechen eine eindeutige Sprache: Warm und Kaltluft müssen nicht mehr voneinander getrennt werden, höhere Vorlauftemperaturen ermöglichen es, ohne energieaufwendige Kältemaschinen zu arbeiten, kleinere Generatoren können eingesetzt werden und vieles mehr. Ein weiterer Clou dieses Konzepts: Diese Vorteile wirken sich bereits beim Bau eines neuen Rechenzentrums budgetschonend aus.

"In dem Moment, wo keine Luft mehr durch einen Doppelboden geführt werden muss, brauche ich auch keine Doppelböden mehr. Wenn sich die Warmluft ausschließlich innerhalb der Racks befindet, gibt es im Rechenzentrum keine Thermik mehr; das bedeutet, man kann durchlässig bauen", erläutert der Geschäftsführer die neu gegebenen Standardisierungsoptionen. So verwundert es auch nicht, dass das Designkonzept ohne feste Stahlbetonböden auskommt. Kern des Hochbaus ist ein an ein Hochregallager erinnerndes Stahlgerüst. Hauser: "Das alles geht deutlich schneller im Aufbau, ist standardisierbar und damit deutlich ökonomischer."

Gegenüber dem herkömmlichen individuellen Rechenzentrumsbau wird mit einer standardisierten Bauweise daher nur eine Handvoll unterschiedlicher Stahlkomponenten sowie Stahlprofilflächen, Gitterroste sowie Stahlkassettenböden für die Trennung der Ebenen verbaut. Damit kann die durchschnittliche Geschosshöhe von fünfeinhalb Metern eines ‚normalen‘ Rechenzentrums auf rund drei Meter gesenkt werden. Hauser: "Summa summarum spart der Bauherr mit unserem Ansatz etwa 50 Prozent des Bruttorauminhaltes oder der Gebäudegröße."

Energie-Effizienz im Fokus

Zu einer wichtigen Kenngröße im Rechenzentrumsumfeld hat sich in den vergangenen Jahren die Messung der Energieeffizienz über den PUE-Wert herauskristallisiert. Auch in puncto Gesamtstromverbrauch des Rechenzentrums im Vergleich zum IT-Anteil schneiden eCube-Rechenzentren gegenüber den gängigen Anlagen besser ab. "Bei einem hochverfügbaren Rechenzentrum mit einem Doppelsystem aus Generatoren, USV-Anlagen und Stromschienen ist es unser Anspruch, einen PUE-Wert von unter 1,15 zu erzielen." Bei HPC-Forschungsrechenzentren wird unter Verzicht auf für den Betrieb nicht zwingendes Equipment sogar ein Wert von 1,07 möglich. Zum Vergleich: Herkömmliche Rechenzentren weisen im Durchschnitt einen PUE-Wert von 1,7 auf; als besonders innovativ gilt in der Praxis derzeit bereits die Marke von 1,35.

Was bedeuten diese Zahlen nun für den Stromverbrauch und Geldbeutel? Bei einem PUE-Wert von 1,15 liegt der Gesamtstromverbrauch 15 Prozent höher als der Verbrauch der IT. Ein durchschnittlicher PUE-Wert von 1,7 ergibt daher einen unproduktiven "Overhead" von 70 Prozent. Hauser: "Das ist bei einem Strompreis von 14 Cent für 1 Megawatt verdammt viel." Der Geschäftsführer des Technologiegebers greift flugs zum Taschenrechner: 1,2 Millionen Euro kostet im Beispiel der jährliche Betrieb eines 1-Megawatt-Rechenzentrums nur für die IT. Multipliziert mit 1,15 ergeben sich schon 1,4 Millionen Euro, mit 1,7 für ein durchschnittliches Rechenzentrum ganze 2,1 Millionen Euro - jeweils pro Jahr gerechnet.

Auch für einen PUE-Wert von 1,35 kalkuliert, ergeben sich nach Adam Riese 1,66 Millionen Euro. Hauser: "Bei 300.000 Euro pro Jahr sparen Sie bei einer durchschnittlichen Betriebsdauer der Anlage von 15 Jahren rund 4,5 Millionen Euro allein an Stromkosten." Bei einer laut Borderstep Institut installierten Rechenzentrenkapazität von einem Gigawatt in Deutschland ließen sich rein hypothetisch pro Jahr rund 700 Millionen Euro an Energiekosten einsparen. Hauser: "Neben diesem rein monetären Aspekt bleibt noch die Sicht auf die günstigeren CO2-Emissionen und den Klimawandel..."

Kühlen mit Wasser ist besonders energieeffizient.
Foto: e3 computing

Rechenzentrumsneubau in Darmstadt

Nicht erst seit dem LOEWE-Pilotprojekt an der Frankfurter Goethe-Universität gilt: Der zum eCube-Konzept im Rechenzentrumsbau weiterentwickelte Technologieansatz ist schon lange keine reine Theorie mehr und hat sich in der Praxis mehrfach bewährt. Jüngstes Kind ist der Green Cube: ein sechsstöckiger Rechenzentrumsneubau für das internationale Forschungsprojekt FAIR, einen Teilchenbeschleuniger, der in Darmstadt auf einem Gelände des GSI-Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung entsteht und in der ersten Ausbaustufe im Januar 2016 offiziell eingeweiht wurde. Hauser: "Gestartet wurde mit 256 Racks auf den obersten zwei Stockwerken. In der Endausbaustufe sind 768 Racks mit einer Gesamtleistung von 12 Megawatt vorgesehen.".

Als Besonderheit beim neuen Darmstädter Rechenzentrum gilt: Es wird über zwei Hochleistungsspannringe, zwei Umspannwerke und ebenfalls zwei komplett getrennte Verteilstränge bis hin zum Server versorgt, so dass auf USV-Anlagen und Generatoren bewusst verzichtet wird. Neben den HPC-Servern zur Durchführung wissenschaftlicher Experimente zur Quantenphysik werden in dem nagelneuen Rechenzentrum auch die Standard-IT-Systeme für den operativen Betrieb untergebracht. Hintergrund: GSI und FAIR sollen organisatorisch zu einer Gesellschaft verschmolzen werden.

Der Bauherr konnte die Kosten für das neue Rechenzentrumsgebäude, wie üblich ohne die IT, aber mit der Außenhaut und inklusive der Racks gerechnet, auf unter 15 Millionen Euro ansetzen. Hauser: "Beim Individualrechenzentrumsbau gängig sind 6.000 bis 7.000 Euro pro Kilowatt, manchmal auch darüber. Bei GSI / FAIR wurde eine Summe von nur 1.300 Euro pro Kilowatt erzielt." Auch bei der Energieeffizienz kann das neue Rechenzentrum punkten. Hauser: "Der gemessene Betriebs-PUE-Wert des Green Cube beträgt rund 1,05 und ist damit noch effizienter als der Design-Wert im Probebetrieb." Klar ist aber auch, dass dieser sehr günstige PUE-Wert zu gewissem Teil der Forschungsausstattung geschuldet ist.

High Performance Computing und Industriestandard

Wird mit dem skizzierten Projekt GSI / FAIR aber nicht mit Kanonen auf Spatzen gezielt? Die von e3 computing im HPC und Forschungsumfeld realisierten, sehr hohen Anforderungen mit einer Leistung von bis zu 20 Kilowatt (kW) Strom und Wärme pro Rack sind für viele industrielle Rechenzentren weit überdimensioniert. Hauser: "Für Unternehmensrechenzentren in der Industrie wird bis auf Ausnahmen wie beispielsweise in der Automobilindustrie nicht diese Leistungsstärke benötigt." Hintergrund: Viele Arbeiten, die früher an der Werkbank ausgeführt wurden, werden heute bei Audi, Volkswagen, Daimler und Co. zunächst im Computer simuliert.

"Dadurch, dass wir HPC können, können wir auch alles andere", ergänzt der Geschäftsführer noch im gleichen Atemzug. Ein Rechenzentrumsneubau nach dem aufgezeigten Konzept rechne sich schon ab einer Leistung von weniger als drei Kilowatt pro Rack. Hauser: "Je höher die Leistungsdichte, je höher sind allerdings auch die Kostenvorteile." Ein Neubau mit "Luft nach oben" ermögliche es Unternehmen gleichzeitig, ihre Infrastruktur zukunftssicher zu machen. Die Welt stehe voll von Rechenzentren, die nur zu einem Drittel mit Servern bestückt sind, weil die Kühlung nicht mehr hergibt. Hauser: "Gegenüber maximal 15 Kilowatt Wärmelast, die mit Luft noch gerade eben gekühlt werden kann, ist mit unserer Technologie derzeit eine Kühlung bis zirka 30 Kilowatt möglich."

Der GSI Supercomputer L-CSC im Detail.
Foto: GSI-Helmholtzzentrum

Gehört die Zukunft dem Container?

Wohin wird die Reise im Rechenzentrumsneubau gehen? Sind die ebenfalls neu aufkommenden, mittlerweile hoch gehandelten Container-Rechenzentren die Lösung für die Defizite im herkömmlichen Individualrechenzentrumsbau?

Nach Expertenmeinung sind Container-Rechenzentren von Emerson, Rittal und Co. zwar ein attraktiver neuer Standardisierungsansatz, bis auf Weiteres aber nur für kleinere Unternehmensrechenzentren im Segment 15 bis 20 Racks mit einer Gesamtleistung von 70 Kilowatt gut geeignet. Hauser: "Auch wir können unsere Technologie mit den Wärmetauschertüren in Containern abbilden", verweist der Geschäftsführer nicht ohne Stolz auf eine kostengünstige und mit 300 Kilowatt für einen Container sehr leistungsstarke Installation eines HPC-Rechenzentrums "aus der Box" für ein russisches Forschungszentrum.

Beim Thema Standardisierung und Industrialisierung im Rechenzentrumsbau hat e3 computing jedoch in der Regel eine Gesamtleistung der Module bis zu einem Megawatt vor Augen. Grund dafür ist, dass sich die entwickelten Konzepte gut für Standardisierung eignen wie zum Beispiel durch Stahlbau. Hauser: "Hier mit Containern zu arbeiten, ist von der Kostenseite her völlig ineffizient." Das in Frankfurt am Main und in München beheimatete Unternehmen setzt daher auch für die Zukunft primär auf den Neubau größerer Unternehmens- und Forschungsrechenzentren. Auch noch im Blick: die Modernisierung von in die Jahre gekommenen Bestandsrechenzentren.

"Wir arbeiten konzentriert daran, Rechenzentren bis zu einer Größe von einem Megawatt weitgehend zu standardisieren und als Produkte am Markt anzubieten, die man ähnlich wie ein Auto konfigurieren kann", formuliert der Geschäftsführer den nächsten Schritt. Produkt heißt beim Rechenzentrumsbau: es steht ein Produktionsprozess mit standardisiertem Equipment, Verträgen mit Lieferanten und transparenten Preisen dahinter, die bei nachträglichen Konfigurationsänderungen unkompliziert angepasst werden können. Hauser: "Das komplette Rechenzentrum wird bei großen finanziellen Vorteilen in wenigen Monaten geliefert und aufgebaut."