Lieferdienste brauchen Lieferando, Händler/-innen brauchen Amazon, Entwickler/-innen den Google Play Store. Gerade (aber nicht nur) kleine und mittlere Unternehmen sind für den Vertrieb auf Plattformen angewiesen. Dabei ärgern sich die gewerblichen Nutzer/-innen über manche Geschäftspraktiken der Plattformen. Sie beklagen:
das Ranking von Produkten sei intransparent,
Benachrichtigungszeiten bei Vertragsänderungen zu kurz
und Beendigungen von Vertragsverhältnissen häufig ungerechtfertigt.
Seit dem 12. Juli 2020 gilt die Platform-to-Business-Verordnung der EU (P2B-VO). Die Verordnung legt den Plattformen darin verschiedene Informationspflichten auf und fordert zudem die Einführung eines internen Beschwerdemanagementsystems sowie externe Mediation. Der folgende Beitrag soll erläutern, wer davon betroffen ist, welches die wichtigsten neuen Pflichten sind und wie sie durchgesetzt werden.
Mit Plattformen meint die P2B-VO konkret Online-Vermittlungsdienste und Suchmaschinen. Online-Vermittlungsdiensten werden verstärkt Pflichten auferlegt, während die P2B-VO für Suchmaschinen nur eingeschränkt gilt.
P2B-VO-Vorgaben für Online-Vermittlungsdienste
Ein Online-Vermittlungsdienst liegt nicht vor, wenn Anbieter nur offline oder unentgeltlich agieren. Zudem muss der Online-Vermittlungsdienst Transaktionen zwischen gewerblichen Nutzer/-innen und Verbraucher/-innen vermitteln. Nicht erfasst sind also B2B-Plattformen. Schließlich muss zwischen dem Online-Vermittlungsdienst und den gewerblichen Nutzer/-innen ein Vertrag über die Nutzung bestehen.
Irrelevant ist, wo die Anbieter der Plattform ihren Sitz haben. Es kommt räumlich für die Anwendung der P2B-VO nur darauf an, ob die gewerblichen Nutzer/-innen ihren Sitz in der EU haben und Verbraucher/-innen in der EU ihre Waren und Dienstleistungen anbieten.
Für Online-Vermittlungsdienste gelten die folgenden Vorgaben:
Erläuterungen in den AGB
Als Instrument zur Umsetzung der Informationspflichten setzt die die P2B-VO vor allem auf die AGB der Online-Vermittlungsdienste. In ihnen müssen zukünftig bestimmte Angaben gemacht werden.
Wichtig: Die P2B-VO verbietet die mitunter fragwürdigen Handlungen nicht, will sie aber transparenter machen. Unwirksam sind Klauseln, welche gegen die Pflichten verstoßen.
Einschränkung, Aussetzung oder Beendigung der Dienste
Online-Vermittlungsdienste können weiterhin die Sichtbarkeit von Waren und Dienstleistungen einschränken oder alle Dienste für eine gewerbliche Nutzerin/einen gewerblichen Nutzer aussetzen oder beenden. Die Gründe, bei deren Vorliegen sie sich eine solche Maßnahme vorbehalten, müssen sie in ihren AGB angeben.
Ranking
Zukünftig müssen Online-Vermittlungsdienste in ihren AGB die das Ranking bestimmenden Hauptparameter angeben und die Gründe für die relative Gewichtung dieser Hauptparameter gegenüber anderen Parametern nennen. Dabei müssen sie auch Angaben darüber machen, ob und wie Entgelte das Ranking beeinflussen. Wiederum gilt: Ein Verkauf besserer Platzierungen wird nicht verboten, soll aber transparenter werden.
Geschäftsgeheimnisse sollen dennoch geschützt sein. Die Plattformen sind auch nicht verpflichtet, Algorithmen oder Informationen preiszugeben, die eine Manipulation der Suchergebnisse ermöglichen. In diesem Spannungsfeld zwischen Transparenz und Geheimhaltungsinteressen ist nicht ganz klar, wie konkret die Informationen über die Hauptparameter sein müssen. Die EU-Kommission wird daher hierzu Leitlinien veröffentlichen.
Selbstbevorzugung
Selbstbevorzugung meint Fälle vertikaler Integration, wenn also zum Beispiel Amazon eigene Produkte auf Amazon anbietet. Diese Form der Selbstvermarktung wird nicht verboten, Online-Vermittlungsdienste müssen aber jegliche etwaige differenzierte Behandlung erläutern. Das gilt unter anderem in Bezug auf Ranking oder den Zugang zu Daten.
Datenzugang
Ein Datenzugangsrecht sieht die P2B-VO nicht vor. Die Online-Vermittlungsdienste müssen aber darüber informieren, ob es einen technischen und vertraglichen Zugang zu Daten gibt.
Bestpreisklauseln
Verbreitet vor allem im Hotelgewerbe untersagen Bestpreis- oder auch Meistbegünstigungsklauseln es den gewerblichen Nutzer/-innen auf der eigenen Website oder auf anderen Plattformen bessere Konditionen anzubieten. Kartellrechtlich ist die Zulässigkeit solcher Klauseln umstritten. Die P2B-VO verbietet sie nicht, die Online-Vermittlungsdienste müssen sie aber in ihren AGB begründen.
Weitere Vertriebskanäle und Partnerprogramme
Die gewerblichen Nutzer/-innen sollen wissen, wo und wie ihre Produkte vermarktet werden. Die Onlinevermittlungsdienste müssen daher über weitere Vertriebskanäle sowie Auswirkungen der AGB auf Inhaberschaft und Kontrolle geistigen Eigentums informieren.
Mediation
In ihren AGB müssen Online-Vermittlungsdienste wenigstens zwei Mediator/-innen benennen, mit denen sie zur Zusammenarbeit zwecks außergerichtlicher Streitbeilegung bereit sind.
Weitere Pflichten für Online-Vermittlungsdienste
Neben den Erläuterungen in den AGB müssen Online-Vermittlungsdienste einige weitere Pflichten erfüllen. Eine nachträgliche Änderung der AGB ist nur noch unter Einhaltung bestimmter Fristen möglich.
Wenn Onlinevermittlungsdienste ihren Service gegenüber gewerblichen Nutzer/-innen einschränken, aussetzen oder beenden, müssen sie diese Entscheidung begründen. Die Begründung ist zwar keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Maßnahme, sie soll lediglich einen Kommunikationsprozess anstoßen; ihr Fehlen könnte aber zu Schadensersatzansprüchen führen.
Die Förderung der Kommunikation mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung verfolgen auch die Pflichten zur Einführung eines internen Beschwerdemanagements einerseits und zur Benennung zweier externer Mediator/-innen andererseits. Über Funktionsweise und Wirksamkeit des internen Beschwerdemanagements müssen die Plattformen zudem jährlich einen Bericht veröffentlichen, wenn es sich nicht um kleine Unternehmen handelt
P2B-VO-Vorgaben für Suchmaschinen
Suchmaschinen treffen ebenfalls Pflichten, aber in eingeschränkter Form. Sie müssen keine der oben genannten Erläuterungen in ihren AGB vornehmen, da häufig gar kein Vertragsverhältnis zwischen der Suchmaschine und ihren gewerblichen Nutzer/-innen besteht.
Beim Ranking müssen die Suchmaschinen die wichtigsten Hauptparameter sowie deren relative Gewichtung zueinander benennen. Sie sind genauso wenig wie Online-Vermittlungsdienste dazu verpflichtet, Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren oder Informationen und Algorithmen preiszugeben, die eine Manipulation der Suchergebnisse ermöglichen.
Lesetipp: 6 SEO-Maßnahen für besseres Ranking im Netz
Ein Verbot der Selbstbevorzugung gibt es auch nicht für Suchmaschinen. Jegliche etwaige differenzierte Behandlung, zum Beispiel bezüglich Datenzugang oder Ranking, muss aber erläutert werden.
Durchsetzung der Pflichten
Zur Durchsetzung der Pflichten steht zunächst den gewerblichen Nutzer/-innen die Möglichkeit offen, gegen die Plattformen zum Beispiel auf Schadensersatz zu klagen. Damit sind jedoch Risiken verbunden. Neben den drohenden Prozesskosten und dem strukturellen Ungleichgewicht könnten sie befürchten, durch das Aufbegehren gegen die Plattformen, von denen sie abhängig sind, in deren Missgunst zu geraten. Die P2B-VO sieht daher ein Verbandsklagerecht vor, um kollektiv die Plattformen zur Einhaltung der P2B-VO zu bewegen.
Ob darüber hinaus auch Abmahnungen auf die Plattformen zukommen, lässt sich noch nicht sicher sagen. Durch Abmahnungen können Mitbewerber/-innen und Interessenverbände gegen Wettbewerbsverstöße vorgehen. Ob das auch bei Nichteinhaltung der P2B-VO möglich ist, wird zur Zeit noch unterschiedlich bewertet, denn nicht jede Pflicht, die ein Unternehmen trifft, ist auch eine Marktverhaltensregel, die bei Bruch zu einer Abmahnung berechtigt. (bw)