Wir haben die wichtigsten Hersteller und Distributoren von Netzwerkzubehör zu ihren Erfahrungen mit mittelständischen Kunden befragt. Dabei wurde klar, dass sich die Anbieter anstrengen müssen, um die immer anspruchsvoller werdenden SMB-Kunden zufriedenzustellen. Dabei kommt ihnen ihre Flexibilität zugute.
In mittelständischen Firmen sind in den vergangenen fünf Jahren die Anforderungen an die IT-Infrastruktur enorm gestiegen - und sie erhöhen sich konstant weiter. Diesen Eindruck gewann zumindest Mike Lange, Produktmarketingleiter bei D-Link. "Dementsprechend steigt auch die Nachfrage nach schnellen und skalierbaren Netzwerklösungen", so der Manager. Dabei sollte seiner Meinung nach IP-Storage, also die Archivierung von immer größer werdenden Datenmengen in Netzwerkspeichern, in den Fokus der mittelständische Kunden bedienenden Reseller rücken, glaubt Lange.
Niels Klussmann von der Internet Business Solutions Group bei Cisco sieht im SMB-Netzwerkumfeld noch viel Nachholbedarf: "Während in Großunternehmen moderne, hoch auflösende Videokonferenzen über IP-Netze bereits weit verbreitet sind, steht die Nutzung derartiger Services im Mittelstand erst am Anfang."
Für Andreas Hausmann, Business Development Manager für den Handel bei HP Networking, steht das Thema Virtualisierung im Vordergrund: "Durch die Virtualisierung von Netzwerken entsteht ein neuer Markt für den Fachhandel. Gerade beim gehobenen Mittelstand mit 500 bis 5.000 Usern verzeichnen wir eine hohe Nachfrage." Laut Hausmann genügt es aber keinesfalls, nur Netzwerkkomponenten zu verkaufen: "Um das volle Potenzial der Virtualisierung zu realisieren, sind Lösungen notwendig, die über das Netzwerk hinausgehen - also auch Storage und Server umfassen - und all diese Komponenten in einem System vereinen." Darin sieht der HP-Manager zusätzliche Absatzchancen für den Fachhandel.
Gleich drei Themen, mit denen sich der Netzwerk-Reseller mit Mittelstandskundschaft beschäftigen sollte, hat Josua Braun, Senior Product Marketing Manager Storage EMEA bei Netgear, ausgemacht: Mobility, Zehn-Gigabit-Ethernet und Konvergenz: "Hier tun sich immer mehr Chancen für den Fachhandel auf, und es gilt, auf den bereits fahrenden Zug noch aufzuspringen." Dabei gibt Braun seinen Vertriebspartnern handfeste Tipps mit auf den Weg: "Konkret suchen Kunden nach sicheren und flexiblen WLAN-Lösungen." So bekräftigt auch der Netgear-Manager den verstärkten Hang vieler Anwender, eigene, zum Teil private Endgeräte in die Firma mitzunehmen (BYOD, Bring Your Own Device), und diese User halten es mittlerweile für selbstverständlich, dass sie diese Smartphones und Tablets auch im Unternehmens-LAN nutzen können.
Dann wollen viele Kunden ihre drahtlosen Netzwerke wiederum ihren Kunden und Geschäftspartnern zur Verfügung stellen. Selbstverständlich müssen diese Gastzugänge vom geschäftskritischen Netzwerkbetrieb im Unternehmen getrennt bleiben. Darüber hinaus glaubt der Netgear-Marketier, dass in der IP-basierten Sprach- und Videokommunikation in Zukunft die Musik spielen wird.
Weitere Empfehlungen, was der mittelständisch geprägte Netzwerkfachhändler beachten sollte, hat Jochen Bräunlein, Director Channel Sales bei Teldat, in petto. Seiner Meinung nach könnten neue Anschlusstypen wie VDSL oder LTE Kunden aus dem Mittelstand den dort dringend benötigten Bandbreitengewinn liefern - vor allem in ländlichen Gebieten, wo bis dato nur ISDN-Infrastruktur vorhanden war. Erst dann könnten auch diese Kunden verschlüsselte Kommunikation mit ihren Lieferanten und Geschäftspartner via VPN überhaupt betreiben, meint Bräunlein.
Norbert Roller, Channel-Chef bei Zyxel, ist der festen Überzeugung, dass fundiertes Know-how und die Erfahrungen eines Fachhändlers zurzeit mehr denn je gefragt sind: "Es geht um die fachmännische Implementierung von virtualisierten Servern, von mobilen VPN-Zugängen für Außendienstmitarbeiter und Niederlassungen sowie um die transparente Einbindung von Heimarbeitsplätzen ins Unternehmensnetzwerk."
Virtualisierung macht Netzwerke komplexer
Durch die zunehmende Virtualisierung der IT-Infrastruktur bei mittelständischen Kunden sieht Matthias Schneider, Business Group Manager bei der Ingram Micro Distribution GmbH, auch bei dieser Klientel die Notwendigkeit der Netzwerkaufrüstung: "Hier werden heterogene, aber trotzdem leistungsfähige, effektive und intelligente Netzwerke benötigt." Damit meint der Ingram-Manager übrigens nicht nur die Datennetzwerke, sondern auch die gesamten Telekommunikationssysteme.
Schneiders Ansicht nach müssen sich vor allem Kunden aus dem industriellen Mittelstand mit dem eigenen Business spezialisieren und differenzieren, um gegenüber den eher unflexiblen Großkonzernen zu bestehen. "Das ist die ideale Voraussetzung für den IT-Fachhandel, der ja schwerpunktmäßig den Mittelstand bedient", schließt der Ingram-Manager daraus. Denn auch Mitarbeiter in mittelständischen Firmen werden immer flexibler und mobiler und müssen dennoch ständig miteinander, aber auch mit ihren Kunden und Lieferanten in Kontakt bleiben.
Dirk Obendorf, Business Unit Manager Cisco bei Tech Data, hat die Erfahrung gemacht, dass viele SMB-Kunden noch auf die älteren Standards wie 10/100-MBit-Ethernet im Festnetz und IEEE 802.11/a/b/g im WLAN setzen. "In diesen Netzwerken steht auf Dauer nicht mehr genügend Bandbreite zur Verfügung, um dem stetig wachsenden Datenverkehr genügend Kapazität zu bieten. Die zunehmende Nutzung von Social-Media-Plattformen sowie die steigende Anzahl von mobilen Endgeräten erfordert immer mehr Leistung im Netzwerk", so de Tech-Data-Manager weiter.
"Das Netzwerk ist die Basis von allem - beim Kunden muss es einfach funktionieren", meint Helge Scherff, Vertriebsleiter bei Wick Hill Deutschland. Für den VAD gibt es viele neue Herausforderungen bei Kundennetzwerken, beispielsweise Voice over IP (VoIP), Mobile Device Management (MDM), Bring Your Own Device (BYOD), Cloud Computing, Hosted Services und weiteres. Scherff glaubt, dass viele mittelständische Kunden auf diese neuen Entwicklungen noch gar nicht vorbereitet sind. Hier ist es nun die Aufgabe der Reseller, diese mittelständische Klientel mit der modernen TK- und Netzwerk-Infrastruktur vertraut zu machen.
Ähnlich äußert sich Gerald Hahn, Vorstandsvorsitzender der Softshell AG: "Durch die rasche Zunahme von Cloud-Anwendungen und das entsprechend starke Wachstum beim Datenverkehr sind viele Netzwerke und deren Komponenten bei KMUs überfordert." Als Beispiele nennt der Spezialdistributor VoIP, Online-Storage und -Backup, digitales Marketing oder auch Videos in Netzwerken, deren Kapazitäten für derart ressourcenhungrige Applikationen gar nicht ausgelegt sind.
Deshalb ist auch Mike Lange von D-Link der festen Überzeugung, dass sich im Zuge dieser Entwicklung Fachhändlern neue zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten eröffnen - sofern ihr Sortiment breit gefächert ist und sie über das entsprechende Netzwerk-Know-how verfügen." Im Rahmen der Globalisierung ist der deutsche Mittelstand im asiatischen Raum sehr erfolgreich: "Dort ist das neue Internetprotokoll IPv6 bereits stark verbreitet, was auch mittelständische Unternehmen hierzulande zwingt, bei der Netzwerkanbindung IPv6-fähige Netzwerkkomponenten einzusetzen", sagt Lange. Er wittert hier ein zusätzliches Betätigungsfeld für deutsche, mittelständisch geprägte Netzwerk-VARs.
Ähnlich argumentiert Niels Klussmann von Cisco: "Gerade der Mittelstand in einer föderal organisierten Region wie Deutschland mit einer exportorientierten Wirtschaft könnte von der gestiegenen Nachfrage nach Videokommunikation profitieren." Laut Cisco wird sich das globale Datenvolumen bis 2016 vervierfachen - maßgeblich getrieben durch mobilen Datenverkehr und breitbandige Videokommunikation. Und hier könnte der Reseller seinem mittelständischen Kunden aufzeigen, wie er sein Netzwerk multimedia-tauglich macht. "Der Fachhändler kann hier mit der Überprüfung der Netzwerk-Performance starten, danach einen Video-Workshop abhalten und anschließend dem mittelständischen Kunden den Migrationspfad für sein Netzwerk aufzeigen", skizziert Klussmann die Vorgehensweise eines erfolgreichen Fachhändlers.
Seiner Meinung nach sollten neben den klassischen Netzwerkkomponenten auch Videoendgeräte zu dem vom Reseller angebotenen Portfolio in diesem Segment gehören. "Das beginnt bei pragmatischer Software, setzt sich über Desktop-Lösungen und einfache Standsysteme fort und endet bei Videokonferenzräumen für den anspruchsvollen Mittelstandskunden", zählt der Cisco-Manager auf. (rw)