"Auf Messen genügt es nicht, unsere Produkte auf den Stand zu stellen und abzuwarten, ob sich jemand dafür interessiert", sagt Jan Cerny, Verkaufsleiter bei einem Hersteller von Autozubehör. "Unsere Standmitarbeiter müssen aktiv den Kontakt zu den Besuchern suchen und ihnen die Vorzüge unserer Produkte aufzeigen. Sonst rechnet sich der Messeauftritt nicht. Schließlich kostet er unser Unternehmen einen sechsstelligen Betrag."
Zwei Tage schulte deshalb der Arbeitgeber von Cerny vor Beginn der jüngsten Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), Frankfurt, zunächst seine Standmitarbeiter. Unsicher war das Unternehmen aber, ob seine Mitarbeiter das Gelernte im Messealltag umsetzen können. Deshalb beschloss es, das Verhalten der Standmitarbeiter auf der IAA von einem "unbeteiligten Dritten" checken zu lassen - "um anhand der Erkenntnisse auch das Trainingskonzept für unser Standpersonal zu überarbeiten", erläutert Cerny.
Verschiedene Kundentypen mimen
Mit dem Durchführen der Checks beauftragte Cerny das Trainings- und Beratungsunternehmen Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, das zuvor bereits die Messetrainings durchführte. Dieses ermittelt für Unternehmen auch, ob deren Mitarbeiter das gewünschte Verkäuferverhalten zeigen - auf Messen und im Vertriebsalltag. Hierfür setzt es sogenannte Mystery-Shopper ein - also Testkunden, die zum Beispiel auf Messen den Stand des betreffenden Unternehmens aufsuchen. "Nach Absprache mit unserem Auftraggeber mimen sie dort bestimmte Kundentypen und beobachten sowie beurteilen das Auftreten und Verhalten des Stand- oder Verkaufspersonals", erläutert Björn Raupach, Vertriebstrainer und -berater bei Dr. Kraus & Partner.
Raupach und der Hersteller von Autozubehör vereinbarten, dass während der IAA täglich vier Mystery-Shopper mehrfach den Stand des Unternehmens besuchen sollten. Dabei sollten jeweils zwei Einkäufer einer Handelskette oder eines Autoherstellers mimen, die beiden anderen sollten sich als Fachbesucher ohne Kaufautorisation ausgeben. Diese Rollenteilung wurde gewählt, "weil sich die Standbesucher in zwei Gruppen einteilen lassen", erklärt Raupach: Zum einen in die "fachlichen Experten". Sie interessieren sich primär für die technische Lösung, können aber alleine keine Kaufentscheidung treffen. Zum anderen die Geschäftsführer und Einkäufer von Unternehmen oder ähnliche Entscheider. "Sie interessieren sich vorwiegend für den Nutzen der Produkte und deren Preis-Leistungs-Verhältnis." Zu welcher Gruppe ein Standbesucher zählt, das müssen die Standmitarbeiter ermitteln. Hierfür ist laut Cerny eine bestimmte Fragetechnik und eine gewisse Systematik im Gesprächsaufbau nötig - "auch weil Messegespräche nicht endlos dauern sollten. Schließlich sollen die Standmitarbeiter möglichst viele qualifizierte Gespräche führen."
Schwachstelle Bedarfsermittlung
Inwieweit eine solche Systematik vorhanden ist, ermittelten die Mystery-Shopper bei ihren Besuchen des IAA-Stands. Dabei zeigte sich: Viele Standmitarbeiter präsentieren den Besuchern unmittelbar nach deren Begrüßung die Produkte des Unternehmens. Vor allem, wenn Hochbetrieb herrscht, vergessen sie zuvor zu ermitteln:
- Welche Funktion hat mein Gesprächspartner in seinem Unternehmen?
- Welchen Einfluss hat er auf die Kaufentscheidung?
- Welchen Bedarf hat sein Unternehmen - wann?
- Wie weit ist die Kaufentscheidung fortgeschritten?
- Mit welchen Mitbewerbern hat der Gesprächspartner Kontakt?
- Was gefällt ihm (nicht) an deren Angeboten?
Die Mystery-Shopper analysierten auch, ob die Standmitarbeiter die Produkte so präsentieren, dass für die Besucher deren Vorzüge für ihr Unternehmen deutlich werden. "Keine einfache Aufgabe", betont Raupach, "denn dazu müssen die Standmitarbeiter aus den Kundeninformationen zunächst ableiten, welche Nutzenerwartung der Kunde hat und welche Leistungsmerkmale für ihn folglich wichtig sind." Vielen Standmitarbeitern fiel dies schwer - auch weil sie kaum Infomaterial zur Hand hatten, um den Besuchern die Vorzüge bestimmter technischer Lösungen bildhaft vor Augen zu führen. Für Verkaufsleiter Cerny eine wichtige Information, zeigt sie ihm doch: "Hierauf müssen wir beim Vorbereiten von Messen stärker achten."
Gewonnene Infos besser dokumentieren
Die Testkunden von Dr. Kraus & Partner checkten auch, ob die Standmitarbeiter die gewonnenen Infos so dokumentieren, dass dem Besucher nach der Messe ein individuelles Angebot unterbreitet werden kann. Sie analysierten zudem das Auftreten der Stand-Mitarbeiter - zum Beispiel ihr nonverbales Verhalten: Signalisiert ihre Körpersprache den Besuchern eher "Ich bin für Sie da" oder "Sprich mich nicht an"? Auch wie Standmitarbeiter auf die körperlichen Signale von Kunden reagieren, untersuchten sie. Dabei stellten sie fest: Die Standmitarbeiter reagieren kaum auf die Körpersprache potentieller Kunden. So sprachen sie zum Beispiel nur sehr selten Messebesucher an, die sich zögernd vor dem Stand aufhielten. Selbst wenn sie auf dem Stand suchend herumirrten, wurden sie oft nicht kontaktiert.
Auch das Outfit der Standmitarbeiter nahmen die Mystery-Shopper unter die Lupe - vor allem, um zu ermitteln, ob ihr Gesamtauftritt dem Anlass "Messe" entspricht. Getestet wurden zudem ihre Englisch-Kenntnisse, da man laut Raupach auf einer Messe wie der IAA "mit dem Besuch von Einkäufern aus aller Herren Länder rechnen muss".
Gegen Ende jedes Messetags erstellten die Mitarbeiter von Dr. Kraus & Partner einen Bericht, in dem sie ihre Beobachtungen zusammenfassten - auch bezogen auf die einzelnen Standmitarbeiter. Nicht um diese zu kritisieren, sondern um ihnen am nächsten Morgen, bevor die Messehallen ihre Pforten wieder öffneten, Tipps zu geben, was sie besser machen können. Durch dieses Vorgehen konnte der Hersteller von Autozubehör bereits während der IAA viele Schwachpunkte beheben. "Was dazu beitrug", betont Cerny, "dass der IAA-Besuch für uns ein Erfolg war".