Nicht nur mit dem Wechsel auf eine Open-Source-Variante, sondern auch durch eine frühe Positionierung beim Thema Multi-Channel hat sich das Shop-System Oxid profiliert. Oxid-Gründer und Handelsexperte Roland Fesenmayr erklärt, worauf es bei der erfolgreichen Online-Offline-Verknüpfung ankommt.
Wenn es um Musterbeispiele für die Verbindung von stationärem Handel und E-Commerce geht, fällt oft der Name Oxid. Sehen Sie Ihr Unternehmen als einen der Vorreiter in diesem Bereich?
Roland Fesenmayr: Wir sind sicher einer der Innovationstreiber im Markt bei der Vernetzung zwischen Online, Mobile und PoS-Lösungen und investieren vergleichsweise viel in dieses Thema. Allerdings geht es uns dabei nicht primär darum, immer weitere Channels zu erschließen. Vielmehr wollen wir die einzelnen Kanäle integrieren, auflösen und so einen Mehrwert für den Kunden schaffen.
Oxid hat schon vergleichsweise früh das Thema Multi-Channel in den Mittelpunkt gestellt. Was war für Sie hier der strategische Auslöser?
Fesenmayr: Den Anstoß haben hier nicht zuletzt unsere Kunden gegeben. Ich nenne Ihnen zwei Beispiele aus dem IT-Bereich: Zu den Oxid-Anwender zählen hier unter anderen die Handelsketten ARLT Computer und Gravis, die schon seit langer Zeit auch Funktionen wie die Abfrage von Filialverfügbarkeiten in ihre Website integriert haben. Die Konzepte für eine Channel-Vernetzung liegen also auf der Hand. Allerdings bedeutet es in vielen Fällen noch immer einen signifikanten Aufwand, die stationäre IT mit der Online-IT zu vernetzen. Unser Ziel war es, hier für Vereinfachungen zu sorgen.
Unter dem Begriff "Multi-Channel" versteht man in erster Linie die Erweiterung stationärer Handelskonzepte um Online-Funktionen. Inwieweit beobachten Sie auch die gegenläufige Entwicklung, also den Vorstoß von Online-Händlern in den stationären Bereich?
Fesenmayr: Für Online-Händler gibt es noch kein Patentrezept für eine Strategie im stationären Bereich. Wir haben Kunden wie zum Beispiel Fahrrad.de oder Koffer-direkt.de, die profitabel eine stationäre Filiale betreiben. Dennoch haben diese Firmen oft das Gefühl, das stationäre Geschäft lenke nur ab. Letzten Endes ist das eine fortlaufende Diskussion: Jeder fühlt, dass wir langfristig - also in fünf bis zehn Jahren - in einer Multi-Channel-Welt leben werden. Zurzeit haben wir aber die Situation, dass das Online-Geschäft unglaublich stark wächst und die Marktanteile zunehmend verteilt werden. Da will man natürlich alles in die Online-Waagschale werfen.
Gilt das auch für den IT-Handel?
Fesenmayr:Nirgends kann man das derzeit besser beobachten als im IT-Handel. Das ist schon beeindruckend, was Media-Saturn da treibt: Nachdem man den Online-Bereich lange vernachlässigt hatte, wird nun die Geldbörse aufgemacht, und die große Aufholjagd startet.
Retailer als E-Tailer
Media-Saturn ist nicht der einzige Elektronikhändler, der sich als Multi-Channel-Anbieter neu aufstellt. Zuvor hatte das bereits ProMarkt versucht, konnte aber den Abwärtstrend nicht stoppen...
Fesemayr: Man muss klar sehen, dass Multi-Channel keine Ausflucht für wacklige Retail-Strategien und inkonsequente Handelsmodelle ist. Auch die Vernetzung von On- und Offline ist kein Heilmittel, wenn in den einzelnen Kanälen keine Channel-Exzellenz erreicht wird. Es gibt hier kein allgemein gültiges Konzept, was für die IT-Branche auf der Hand liegen würde.
In der Tat ist die standardmäßige Koppelung von Ladengeschäft und Online-Shop eine fragwürdige Lösung. Viel erfolgreicher sind dagegen Konzepte, die auf einer dem jeweiligen Geschäftsmodell entsprechenden Verbindung von On- und Offline-Handel beruhen. Inwiefern unterstützt Oxid solche individuell zugeschnittenen Lösungen?
Fesenmayr: Wir betrachten Oxid als ein Framework beziehungsweise als eine Art Baukasten. So bieten wir zusätzlich zum Shop-System viele Erweiterungen wie etwa im Bereich Live Shopping, wir haben Schnittstellen zur Unternehmens-IT und zu Multi-Channel-Anwendungen, wir haben eine mobile Lösung für Android-Geräte, aber auch eine Kiosklösung für die Verzahnung von Online und stationärem Handel.
Taugt die Oxid-Plattform auch für die ganz großen Online-Player?
Fesenmayr: Amazon, Zalando und Co. setzen beim Shop-System auf eine Eigenentwicklung und investieren viel in ihre IT. Für alle anderen ist heute eine Commercial-Open-Source-Lösung wie Oxid das Mittel der Wahl. Sie haben hier sowohl die Möglichkeit, eine Standardversion aus der Box zu nutzen, oder auch komplett alles selbst anzupassen und eine hochgradig individualisierte Lösung zu stricken.
Händler als Multi-Channel-Experten
Wie wichtig ist es, dass ein auf Multi-Channel ausgerichteter Händler auf allen Kanälen sämtliche Funktionen anbietet? Oder kann es auch sinnvoll sein, in den einzelnen Kanälen ganz bewusst Schwerpunkte zu setzen?
Fesenmayr: Langfristig gesehen wird es irrelevant sein, über welchen Kanal ein Händler etwas verkauft - solange der Verkauf nur in seinem Unternehmen stattfindet. Der Worst Case ist ja, dass ein Kunde mit der Amazon-App in einen Laden kommt, den Barcode scannt und das Produkt online bestellt. Entscheidend für einen Händler muss die Frage sein: Was muss ich oben investieren, damit unten das gewünschte Ergebnis herauskommt? Wichtig ist es, dass man in den jeweiligen Kanälen fit ist. In vielen Unternehmen fehlt hier aber noch das nötige Bewusstsein.
Die strategische Weitsicht ist das eine, viele Unternehmen kämpfen aber auch mit technischen Hürden, wenn es um das Thema Multi-Channel geht. Wo sind aus Ihrer Sicht hier die wichtigsten Knackpunkte?
Fesenmayr: Die größte Hürde sehe ich nach wie vor im organisatorischen Bereich. Hier geht es darum, die Verantwortlichen für die Handels-IT mit den E-Commerce-Verantwortlichen zusammenzubringen. Ich stelle immer wieder fest, dass die große Mehrheit der Entscheider im Retail-Bereich mit dem Online-Geschäft nichts zu tun hat. Spricht man umgekehrt mit den E-Commerce-Verantwortlichen, sind diese meist in einer ganz anderen Unit angesiedelt als das stationäre Geschäft. Diese Barriere aufzulösen ist aus meiner Sicht die große Herausforderung.
Der Erfolg bei der Vernetzung der Kanäle On- und Offline ist also mehr eine strategische als eine technische Herausforderung. Gilt das auch für die Shop-Software? Es gibt ja inzwischen ein breites Spektrum an Shop-Lösungen. Wie wichtig ist die Wahl des richtigen Shop-Systems für den Erfolg im Multi-Channel-Geschäft?
Fesenmayr: Das ist auch eine Frage des Shop-Systems. Es gibt Lösungen, die sehr gut für den Multi-Channel-Handel vorbereitet sind, und andere Systeme, die sich vor allem auf den Online-Handel fokussieren. Mindestens genauso wichtig wie die Shop-Software ist aus meiner Sicht aber auch das darum herum bestehende Ökosystem. Bei Oxid bieten wir nicht nur die Technologie, sondern können Händler auch mit der dazugehörigen Beratung, entsprechenden Dienstleistern und Support unterstützen. Von entscheidender Bedeutung sind auch die verfügbaren Schnittstellen. Nur so kann sichergestellt werden, dass sich beispielsweise auch ein bereits vorhandenes ERP-System mit der Shop-Lösung verbinden lässt und dass dabei auch die entsprechende Beratung zur Verfügung steht. (mh)