Umstieg auf SAP S/4HANA

Modernisierung des SAP-Datenökosystems

27.09.2023 von Adrian Trickett
Viele Unternehmen nutzen SAP und müssen jetzt auf die neue ERP-Lösung SAP S/4HANA umsteigen. Das Schweizer Telekommunikations- und Energieversorgungsunternehmen WWZ hat diese Migration bereits in Angriff genommen.
Zwischen den unterschiedlichen SAP-Anwendungen werden ständig Daten ausgetauscht
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SAP ist fast ein Synonym für Enterprise-Software. Rund 40 Prozent der deutschen Unternehmen ab 100 Mitarbeitern nutzen laut Statista Research mindestens eine SAP-Lösung. Spitzenreiter ist dabei SAP ECC. Beeindruckende Zahlen, doch die Uhr tickt: SAP löst sein altes System durch das neue ERP-System SAP S/4HANA ab. Es ist also höchste Zeit für viele Unternehmen, auf die neue ERP-Lösung umzusteigen. Die Unterstützung der SAP Business Suite 7 läuft nur noch bis Ende 2027 verlängert. Kunden können nun beide Systeme bis zum Abschluss ihrer Migration parallel nutzen. Sie erhalten damit zusätzliche Zeit und Flexibilität für ihre Migrationsprojekte.

Schnelle Services für ein Kundenportal

Die in der Schweiz ansässige WWZ AG hat die SAP-Migration schon begonnen. Hintergrund war der Aufbau eines Self-Service-Portals für die 60.000 Telekommunikations- und 72.000 Versorgungsdienstleistungskunden. Ziel des Portals war es, Kunden die eigenständige Buchung unterschiedlicher Dienstleistungen zu ermöglichen. Dafür benötigte der Versorger eine Lösung, die alle Services schnell bereitstellt und Backend-Prozesse automatisiert.

Das IT-Team stand allerdings vor einer doppelten Herausforderung. Erstens war eine leistungsfähige EDI-Lösung für die Datenextraktion aus dem ERP-System notwendig und zweitens musste WWZ gleichzeitig die SAP-Migration angehen. Denn das alte ERP-System konnte eine grundlegende Anforderung nicht effizient bewältigen: Den Datenaustausch mit den zahlreichen Drittanwendungen von Geschäftspartnern.

WWZ benötigt also einen modernen, API-basierten Ansatz für den Datenaustausch, der mit S4/HANA kompatibel ist. Diese Umstellung ist nicht nur ein reines IT-Upgrade, sondern eine Transformation in allen Bereichen des Unternehmens - eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie bot dem Schweizer Dienstleister aber die Chance, das eigene Unternehmen noch stärker zu digitalisieren, für die Zukunft zu rüsten und eine nachhaltige Neuausrichtung zu ermöglichen.

Das richtige Betriebsmodell für SAP S/4HANA

Zunächst ist es wichtig, die passende Betriebsart für S/4HANA zu finden. Das neue System kann grundsätzlich sowohl in einem eigenen Rechenzentrum und damit "on premises" als auch in einer Cloud-basierten Infrastruktur betrieben werden. In letzterem Fall gibt es zwei Möglichkeiten, nämlich den Betrieb in einer Public oder einer Private Cloud.

Dabei wird die Public-Cloud-Lösung von SAP selbst oder einem der bekannten Cloud-Hyperscaler betrieben. Der Service ist mandantenfähig und bietet einen Zugang über das offene Internet an. Die Private Cloud dagegen ist exklusiv nur für ein nutzendes Unternehmen und läuft in einem privaten Netzwerk, das von einer Firewall geschützt ist. Die Besonderheit beider Betriebsmodelle: Es sind Subscription-Services, bei denen eine regelmäßige Gebühr anfällt. Die On-Premises-Version der neuen SAP-Suite wird nach dem traditionellen Lizenzierungsmodell mit einem eigenen IT-Team in einem eigenen Rechenzentrum betrieben.

Welches Betriebsmodell das richtige ist, sollten Unternehmen nach einer gründlichen Analyse der aktuellen Situation und ihrer Anforderungen ermitteln. Die gewünschte Betriebsart muss mit der Unternehmensstrategie und den geschäftlichen Zielen in Einklang stehen. Eine erhebliche Rolle bei der Auswahl spielt die Größe und Komplexität des Unternehmens.

Der Betrieb im eigenen Rechenzentrum eignet sich in aller Regel nur für größere Unternehmen mit spezifischen Anforderungen. Das sind beispielsweise Firmen aus Branchen der kritischen Infrastrukturen wie Finanz- und Versicherungswirtschaft, Telekommunikation und Energieversorgung. Sie haben spezifische Compliance-Anforderungen, die bei einer Entscheidung berücksichtigt werden müssen.

Die Cloud-basierten Lösungen dagegen sind ideal für kleine und mittelgroße Unternehmen mit begrenzten IT-Ressourcen. Dabei kann die Migration auf S/4HANA den IT-Betrieb vereinfachen, die eigenen Teams entlasten und damit letztlich Kosten senken.

Datenextraktion mit externen Schnittstellen

Das Betriebsmodell ist nicht alles, wichtig ist auch eine Lösung für die Datenextraktion EDI. Hier gibt es SAP-native Lösungen wie das Tool Process Integration (PI) für den Datenaustausch zwischen SAP-Anwendungen. PI hat für den konkreten Anwendungsfall bei WWZ jedoch einen Nachteil: Es muss zunächst für Drittanwendungen angepasst werden, sodass die Entwicklung von mehr als 30 Anwendungsschnittstellen notwendig gewesen wäre.

Der Schweizer Versorger entschied sich deshalb für die alternative EDI-Lösung, mit der Anwender SAP-Daten einfach und schnell auf einer einheitlichen Plattform austauschen und geschäftskritische Entscheidungsprozesse beschleunigen können. Die Software ist für die schnelle Extraktion und den einfachen Austausch von Daten aus SAP-Anwendungen mit einem breiten Ökosystem aus Drittanbieter-Lösungen gedacht. Der Entwicklungsaufwand ist gering und durch ein API-Management gibt es ausreichend Schnittstellen für externe Datenformate.

Das IT-Team von WWZ erstellte zunächst eine Kopie der SAP R/3 SQL-Produktionsdatenbank. Dann nutzte es die alternative EDI-Lösung, um die bestehenden Systeme mit dem Self-Service-Portal zu verbinden, ohne dabei die Produktionsdatenbank zu beeinflussen. Die alternative EDI Lösung arbeitet deutlich schneller als andere Methoden und gibt dem Unternehmen die Möglichkeit, alle Daten mit dreifacher Geschwindigkeit zu extrahieren und bereitzustellen. Der zusätzliche Vorteil: Die gleichen Integrationen arbeiten auch auf S/4HANA und müssen nicht eigens angepasst werden.

Cloud-EDI: Vorteile und Gegenargumente

Zusammen mit der Entscheidung für das Cloud-Betriebsmodell steht eine weitere Entscheidung an: Ist der Wechsel zu einer Cloud-basierten EDI-Lösung empfehlenswert oder sollte das Unternehmen ein älteres EDI-System behalten? Der Wechsel in die Cloud ist dann sinnvoll, wenn das Unternehmen Wachstum erwartet oder sich das Geschäftsmodell durch saisonale Schwankungen auszeichnet, beispielsweise im Handel. Ein weiterer Grund für die Cloud ist der Bedarf an schneller Implementierung und dezentralen Zugriffen über Remote-Verbindungen. Denn genau für diese Anwendungsszenarien sind Cloud-Lösungen optimal geeignet: Sie bieten Skalierbarkeit, Flexibilität und regelmäßige Updates.

Es gibt allerdings auch gute Gründe, ein älteres EDI-System beizubehalten. Das ist typischerweise der Fall, wenn es tief in vorhandene und (im Moment) nicht abzulösende Legacy-Systeme integriert ist. Ein Wechsel würde einen erhöhten Aufwand verursachen und das Risiko von Störungen erhöhen. Das betrifft beispielsweise Branchen, die auf selbstentwickelte Kernsysteme angewiesen sind, etwa Banken oder Versicherungen. Hier ist es üblich, ältere Lösungen bis auf weiteres zu nutzen, um die vorhandene Systemintegration nicht zu destabilisieren.

Cloud-EDI bietet effizienzsteigernde Vorteile. Es ermöglicht Unternehmen, ihre EDI-Kapazität schnell und einfach zu skalieren, um sich an neue Geschäftsanforderungen anzupassen. Auch mit Blick auf die Kosten hat die Cloud viele Vorteile. So entfällt die Notwendigkeit hoher Anfangsinvestitionen in Hardware und Software. Meist haben Cloud-Lösungen ein nutzungsbasiertes Modell, bei dem Unternehmen nur die tatsächlich eingesetzten Ressourcen zahlen. Das ist insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen von Vorteil.

Hinzu kommt: Cloud-Lösungen sind meistens schneller und einfacher eingerichtet als eine klassische On-Premises-Anwendung. Sie nutzen Automatisierung durch KI, erhöhen die Datenqualität und verringern das Risiko von Störungen. Zudem legen Cloudprovider Wert auf hohe Sicherheitsstandards und Datenschutz. Insgesamt steigern Cloud-Lösungen die Effizienz von Geschäftsprozessen und ermöglichen Unternehmen dadurch Innovation.