Kündigung wegen unzureichender Deutschkenntnisse

Mitarbeiter muss Arbeitsanweisungen verstehen

15.11.2010
Verstößt die Entlassung gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung? Von Dr. Christian Salzbrunn

Heutzutage gibt es in Deutschland kaum noch Arbeitsplätze, die nicht ein Mindestmaß an Kenntnissen der deutschen Sprache erfordern, schon allein um die Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers verstehen zu können. Dies gilt zunehmend auch für gewerbliche Mitarbeiter.

Stellt ein Arbeitgeber fest, dass aus seiner Sicht dem Arbeitnehmer die fachliche Einigung zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung fehlt, kann dies grundsätzlich auch eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen. Ungeklärt war bislang jedoch, ob eine nicht hinreichende Beherrschung der deutschen Sprache auch dann als ein Kündigungsgrund in Betracht kommen kann, wenn hiervon ein ausländischer Mitarbeiter betroffen ist.

Denn seit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Jahre 2006 werden Arbeitnehmer vor beruflichen Benachteiligungen bzw. vor Diskriminierungen wegen ihrer ethnischen Herkunft geschützt. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG können Kündigungen z. B. auch dann unwirksam sein, wenn eine Maßnahme dazu führt, dass ein Mitarbeiter nicht nur unmittelbar, sondern lediglich mittelbar im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG benachteiligt wird, d. h. wenn die Benachteiligung letztlich aufgrund eines Umstandes erfolgt, der nur indirekt auf die Herkunft des Mitarbeiters zurückzuführen ist.

Das Bundesarbeitsgericht musste nun in einem Urteil vom 28.01.2010 über die Rechtsfrage entscheiden, ob auch die Einführung schriftlicher Arbeitsanweisungen in einem Betrieb und eine später erfolgende Kündigung eines ausländischen Mitarbeiters wegen unzureichender Deutschkenntnisse (da er die schriftlichen Anweisungen nicht verstand) gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen seiner ethnischen Herkunft verstößt.

In dem Sachverhalt ging es um einen Produktionshelfer, der im Jahre 1948 in Spanien geboren wurde und dort auch zur Schule ging. Seit 1978 war er bei dem Arbeitgeber, einem Unternehmen der Automobilzulieferindustrie mit ca. 300 Mitarbeitern, beschäftigt. Im Jahre 2001 unterzeichnete der Arbeitnehmer eine Stellenbeschreibung, die u. a. Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift als Arbeitsplatzanforderung vorsah. Daraufhin absolvierte der Kläger im Jahre 2003 auf Kosten des Arbeitgebers während der Arbeitszeit einen Deutschkurs. Der Arbeitgeber empfahl dem Kläger sogar die Teilnahme an weiteren Folgekursen, was dieser aber ablehnte.

Zertifizierung verhindert

Nachdem der Arbeitgeber sich im März 2004 nach entsprechenden Qualitätsnormen zertifizieren ließ, wurde bei mehreren internen Prüfungen festgestellt, dass der Arbeitnehmer keine Arbeits- und Prüfungsanweisungen lesen konnte. Im September 2005 forderte der Arbeitgeber ihn auf, Maßnahmen zur Verbesserung seiner Deutschkenntnisse zu ergreifen. Nachdem der Arbeitnehmer keine Verbesserungsversuche unternommen hatte, verband der Arbeitgeber eine weitere Aufforderung mit dem Hinweis, dass er mit einer Kündigung zu rechnen habe, wenn er nicht die notwendigen Kenntnisse in der deutschen Sprache nachweisen könne.

Eine weitere Prüfung im April 2007 ergab, dass der Arbeitnehmer weiterhin nicht in der Lage war, diese Vorgaben des Arbeitgebers einzuhalten. Nach Erhalt der Zustimmung des Betriebsrats sprach der Arbeitgeber sodann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2007 aus.

Das BAG wies die von dem Arbeitnehmer hiergegen erhobene Klage - anders als die Vorinstanz beim LAG Hamm - ab. Während das LAG Hamm noch davon ausgegangen ist, dass die Kündigung sozialwidrig und wegen eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unwirksam sei, vertraten die Richter des BAG die Auffassung, dass die Kündigung nicht gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft verstoßen hätte. Denn einem Arbeitgeber sei es nicht verwehrt, von einem Arbeitnehmer ausreichende Kenntnisse der deutschen Schriftsprache zu verlangen.

Eine mittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG liegt nach Ansicht der Richter nicht vor, sofern der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern die Kenntnis der deutschen Schriftsprache verlangt und dies auch zur Ausübung der geschuldeten Tätigkeit erforderlich ist. Im vorliegenden Fall verfolgte der Arbeitgeber ein legitimes und gerade nicht diskriminierendes Ziel, da er nur aus Gründen der Qualitätssicherung schriftliche Arbeitsanweisungen in seinem Betrieb eingeführt hat. Eben dies machte nun die Beherrschung der deutschen Schriftsprache erforderlich. Für die Richter kam im vorliegenden Fall erschwerend hinzu, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zuvor ausreichend Gelegenheit zum notwendigen Spracherwerb gegeben hatte (BAG, Urteil vom 28.01.2010, Az.: 2 AZR 764/08).

Dieses BAG-Urteil liegt auch auf einer Linie mit einer kurz zuvor ergangenen Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein. Dort ging es um eine ähnlich gelagerte Rechtsfrage, nämlich ob eine Aufforderung des Arbeitgebers zum Besuch eines Sprachkurses eine Belästigung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft gem. § 3 Abs. 3 AGG darstellen und damit eine Entschädigungszahlung im Sinne des § 15 AGG auslösen kann.

Nicht alles kann als Belästigung gewertet werden

Auch in diesem Rechtsstreit verneinte das LAG eine solche mittelbare Diskriminierung, weil nicht jede als unerwünscht empfundene Verhaltensweise eine Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 3 AGG darstellen könne. Erforderlich wäre insoweit vielmehr, dass ein feindliches Umfeld durch Einschüchterung, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen geschaffen wird. Bei einer nachdrücklichen Aufforderung des Arbeitgebers zum Besuch von deutschen Sprachkursen könne dies aber nicht angenommen werden, da nur die Kritik an der deutschen Sprachkompetenz einen ausländischen Arbeitnehmer nicht in dessen Würde herabsetzt (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 23.10.2009, Az.: 6 SA 158/09).

Die beiden vorliegenden Entscheidungen sind deshalb so interessant, weil sich gerade in der heutigen Arbeitswelt die Arbeitsplatzanforderungen schnell ändern können. Sie zeigen, dass auch von langjährigen Mitarbeitern, die ohne die entsprechenden Sprachkenntnisse bislang beanstandungsfrei gearbeitet haben, Grundkenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift einverlangt werden können.

Voraussetzung ist jedoch, dass diesem Verlangen ein legitimes, nicht diskriminierendes Ziel des Arbeitgebers zugrunde liegt. Gerade damit wird vermieden, dass ein solcher Kündigungsgrund einfach "konstruiert" werden kann, indem z. B. zu Lasten nicht oder kaum Deutsch sprechender Arbeitnehmer völlig grundlos in einem Betrieb schriftliche Arbeitsanweisungen eingeführt werden. Zudem muss Arbeitnehmern immer zuerst Gelegenheit gegeben werden, die erforderlichen Sprachkurse zu besuchen, bevor eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wird.

Der Autor Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf.

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