Abhängig beschäftigt oder selbstständig?

Mitarbeitende Ehefrau – was zu beachten ist

29.06.2010
Wann bei einer Familien-GmbH Sozialversicherungspflicht besteht, beschreibt Stefan Engelhardt.

Bei einer Tätigkeit für eine Familiengesellschaft kommt es für die Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbstständigen Tätigkeit im Wesentlichen auf die Kapitalbeteiligung und die damit verbundene Einflussnahme auf die Gesellschaft an.

Nach einer Entscheidung des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg vom 15.08.2008 - L 4 KR 4577/06 ist die Tätigkeit einer Ehefrau für eine GmbH, an der sie zu 10 Prozent und ihr Mann zu 90 Prozent beteiligt sind, regelmäßig sozialversicherungspflichtig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Ehefrau durch den Gesellschaftsvertrag über keine Sperrminorität verfügt oder ein Arbeitsvertrag mit der GmbH besteht. Die Eheleute können gegen diese Versicherungspflicht auch nicht einwenden, dass der Arbeitsvertrag nur aus steuerrechtlichen Gründen abgeschlossen und nicht gelebt worden sei.

Parteien dieses Verfahrens waren ein Ehepaar und die AOK als Beklagte. Streitig war, ob die Ehefrau seit 1978 bei der klagenden GmbH versicherungspflichtig beschäftigt ist oder nicht. Sie hält an der GmbH 10 Prozent. Ihr Mann, der auch alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH ist, 90 Prozent der Anteile. Beschlüsse werden nach dem zugrunde liegenden Gesellschaftsvertrag grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, eine Sperrminorität zu Gunsten der Ehefrau ist nicht vorgesehen.

Die Ehefrau ist seit 1978 im Umfang von ca. 40 Stunden pro Woche für ein Gehalt von zuletzt ca. 4.000,00 Euro als Bürokraft tätig. Ihr obliegen sämtliche kaufmännischen Arbeiten. 1996 schloss sie mit der GmbH einen schriftlichen Arbeitsvertrag, nachdem das Arbeitsverhältnis bereits seit 1978 besteht, jedoch erstmals mit diesem Arbeitsvertrag schriftlich fixiert wird. Der Arbeitsvertrag enthält alle typischen Elemente, wie z. B. die Festigung der wöchentlichen Arbeitszeit, des Arbeitsorts, eine Weisungsbefugnis der Geschäftsführung und eines Urlaubsanspruchs. Sie ist danach nicht berechtigt, selbständig Personal einzustellen oder zu entlassen.

Unternehmerrisiko - ja oder nein?

In der Folge wurden Sozialversicherungsbeiträge für die Ehefrau abgeführt, im August 2004 beantragte die GmbH bei der AOK schließlich die rechtsverbindliche Überprüfung, ob die Ehefrau seit Eintritt in die Firma eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausübe. Sie habe vom ersten Tag an unbegrenzte Vollmacht über die Konten der Gesellschaft einschließlich der eingeräumten Kreditlinie gehabt, zudem habe sie eine Bürgschaft für ein der GmbH gewährtes Darlehen übernommen, sodass sie ein eigenes unternehmerisches Risiko trage und somit als selbstständig anzusehen sei.

Die AOK war anderer Auffassung und bestand auf der Versicherungspflicht. Die Klage hatte sowohl vor dem Sozialgericht als auch vor dem Landessozialgericht keinen Erfolg.

Das Gericht hat dazu ausgeführt, dass seit 1978 eine abhängige Beschäftigung der Ehefrau vorliegt, somit Sozialversicherungspflicht besteht.

Bei einer Tätigkeit für eine Familiengesellschaft kommt es für die Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbstständigen Tätigkeit im Wesentlichen auf die Kapitalbeteiligung und die damit verbundene Einflussnahme auf die Gesellschaft an. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass den Weisungsrechten in einer Familiengesellschaft typischerweise eine geringere Bedeutung zukommt, ohne dass dies der Annahme einer abhängigen Beschäftigung zwingend entgegenstehen würde.

Die Ehefrau ist nur zu 10 Prozent an der GmbH beteiligt. Bei einem so niedrigen Kapitalanteil ist in der Regel von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, eine Sperrminorität besteht ebenfalls nicht, so dass auch hier keine Ausnahme zu ersehen ist.

Arbeitsvertrag mit typischen Merkmalen

Für eine abhängige Beschäftigung spricht auch der zwischen der Ehefrau und der GmbH geschlossene Arbeitsvertrag, der sämtliche typischen Merkmale eines Arbeitsverhältnisses aufweist. Die GmbH kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Arbeitsvertrag nur aus steuerrechtlichen Gründen abgeschlossen und tatsächlich nicht gelebt worden ist, da Arbeitsverträge nicht nach Individualnützlichkeit steuerrechtlich und sozialrechtlich unterschiedlich ausgelegt werden. (oe)

Der Autor Stefan Engelhardt ist Rechtsanwalt und Landesregionalleiter "Hamburg" der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. (www.mittelstands-anwaelte.de).

Kontakt:

Stefan Engelhardt, Roggelin & Partner, Alte Rabenstr. 32, 20148 Hamburg, Tel.: 040 769999-36, E-Mail: stefan.engelhardt@roggelin.de, Internet: www.roggelin.de