Change Management

Mit Widerständen in Digitalisierungsprojekten richtig umgehen

04.11.2021 von Thomas Mederer
Was tun, wenn die Einführung neuer Arbeitsweisen im Team auf subtilen Widerstand trifft? Wenn nach scheinbarer Zustimmung das Engagement ausbleibt? Ein Erfahrungsbericht.
 
  • Veränderung fängt immer beim Menschen an
  • 3 Arten von Konflikten
  • Adoption and Change Management (ACM)
  • Mediation kann helfen, Konflikte zu lösen
Bei jedem Kundenprojekt gilt es, die Anwender mit auf die Reise zu nehmen, um deren anfängliche Skepsis zu überwinden.
Foto: Roman Samborskyi - shutterstock.com

Was ist, wenn ich nicht will? Eigentlich ist die Frage ganz einfach, aber irgendwie auch nicht, denn dahinter verbirgt sich so viel mehr, als man zunächst vermuten würde.

Passende Tools in den richtigen Anwendungen ausprobieren

Vor längerer Zeit habe ich ein neues Team zu meinem Bereich bekommen, schon einige Monate mit diesem Team gearbeitet und mir die Arbeitsweisen angeschaut. Eines fiel mir immer wieder störend auf: Alle Dokumentationen, Arbeitsanweisungen, Checklisten und weitere wichtige Dokumente wurden auf einem Netzlaufwerk als Word und Excel Dokumente organisiert. Wie man sich denken kann, lässt man so sehr viel Potenzial und Transparenz ungenutzt auf der Straße zurück. Einer meiner ersten größeren Veränderungen sollte also die Ablösung dieser Dokumentationsstruktur durch eine moderne Knowledge-Base/Wiki sein.

Die Vorteile liegen auf der Hand:

Für mich sprach alles dafür, die Veränderung so schnell als möglich umzusetzen. Ich hatte die Rechnung jedoch ohne den Wirt gemacht, wie man so schön sagt. In diesem Fall war es die Führungskraft des betroffenen Teams. Als ich in einem der nächsten Teammeetings den Vorschlag unterbreitete, stieß dieser sehr schnell auf Widerstand. Wie ich heute weiß, handelte es sich um einen emotionalen Widerstand, wenn man in den drei Arten von Prof. Dr. Vahs denkt.

Zunächst waren es sehr subtile Formen, die eine Umsetzung bremsten. Als erstes gab es scheinbare Zustimmung, jedoch hat das Engagement gefehlt. Als nächstes waren immer so viele Dinge zu tun, auf die das Team augenscheinlich keinen Einfluss hatte. In anderen Worten, relativ lange geschah nichts. Zunächst habe ich das Verhalten nicht verstanden, denn schließlich hatte die neue Lösung ja nur Vorteile.

Fahndung nach den Ursachen für die Widerstände

Das wichtigste hatte ich jedoch überstehen. Bisher wurde das Team ausschließlich von Personen geführt, die einen kaufmännischen und keinen technischen Hintergrund hatten. Das hatte dazu geführt, dass bei der Lösungssuche technische Aspekte eher eine untergeordnete Rolle spielten. Veränderungen wurden zudem vermieden, denn es ist ja etwas Neues und man hat doch eigentlich nie Zeit für eine Veränderung.

Diese so wesentliche Tatsache war mir als eher technikorientierter Mensch nicht aufgefallen bzw. in den Sinn gekommen.

Hinzu kam, dass zu dieser Zeit unternehmensweit gerade ein neues Kommunikationstool eingeführt wurde. In einem gemeinsamen Gespräch öffnete sich die Führungskraft und die Bedenken und Ängste konnten zum erste Mal offen angesprochen werden. Wie sich herausstellte, waren die Vorteile nicht alle so selbsterklärend und einfach verständlich, wie ich es angenommen hatte. Auch hatte ich die Fähigkeit unterschätzt, wie unterschiedlich schnell Menschen lernen. Durch meinen technischen Hintergrund bin ich es gewohnt mir neue Tools in kurzer Zeit bis zu einem gewissen Grad anzueignen.

Letztlich wurde das Projekte dennoch ein Erfolg, wenn auch mit einiger Verzögerung. Die Erfolgsfaktoren waren relativ einfach zu bestimmen, nachdem die Hindernisse aus dem Weg geräumt waren. Zunächst gab es einen Workshop, in dem die Hintergründe und das Ziel nochmal ausführlich erklärt wurden. Darüber hinaus gab es eine Schulung, um das notwendige Wissen für die Nutzung des Tools zu vermitteln.

Arten und Gründe von Widerständen

Das Beispiel zeigt, wie schnell Widerstände entstehen können und ein Projekt aufhalten. Es lohnt sich also einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und sich die Frage zu stellen, welche Arten von Widerständen es gibt und welche Gründe es geben kann. Wie eingangs erwähnt, unterscheidet Prof. Dr. Vahs drei Arten von Widerständen.

Arten von Widerstaenden nach Prof. Dr. Vahs.
Foto: Proact

Während sich die erste Art des Widerstands relativ leicht aus der Welt schaffen lässt, ist dies bei den anderen beiden nicht so einfach, denn wer möchte schon gerne nach einer Veränderung schlechter dastehen als vorher (Politischer Widerstand) und wer verändert sich schon gerne, wenn er dazu gezwungen wird (Emotionaler Widerstand).

Meiner Erfahrung nach trifft man in Digitalisierungsinitiativen auf weitere Arten. Neben den menschlichen lassen sich technische und organisatorische Formen des Widerstands identifizieren. Nicht immer sind Menschen der limitierende Faktor. Stellen Sie sich vor, Sie wollen zwei Tools miteinander verknüpfen und die vom Hersteller bereitgestellten Schnittstellen nutzen. Alles was sie davon abhält, ist eine interne Vorgabe zur Verarbeitung von Daten über den geplanten Weg. In diesem Fall ist der Widerstand organisatorischer Natur.

Zuletzt gibt es auch noch technische Gründe, warum etwas nicht voran geht. Die Beispiele reichen von einer veralteten Version, über eine fehlende Lizenz bis hin zu fehlenden Features in der eingesetzten Software.

So vielfältig wie die Arten können auch die Gründe sein, weshalb es zu Problemen in Projekten kommt. Die Gründe lassen sich den verschiedenen Arten zuordnen, was an dieser Stelle jedoch einen Schritt zu weit führen würde.

Häufige Gründe, die Widerstände auslösen sind:

Es kann also gute Gründe für Widerstände geben, die auch nicht zwingend negativ sind. Häufig wollen Mitarbeiter, aber ihnen fehlen noch Hintergründe, um sich der Veränderung zu öffnen.

Mögliche Herangehensweisen, um Widerstände zu überwinden

Nachdem wir uns in den vorangegangenen Abschnitten angeschaut haben, wie sich Widerstände auf Projekte auswirken können und welche Arten und Formen von Resistenzen es gibt, widmen wir uns im letzten Abschnitt den Möglichkeiten, mit dem Gegendruck umzugehen bzw. diesen im Idealfall bereits im Vorfeld zu vermeiden.

Lesetipp: Alles zum Thema digitale Arbeitsplätze

Unter dem Schlagwort "Change Management" oder Adoption and Change Management (ACM) findet man zahlreiche Herangehensweisen und Modelle, um Veränderungen zu lenken. Unabhängig der Modelle sollte man sich immer bewusst machen, dass Veränderungen beim Menschen anfangen und nicht bei der Technik, denn Technik ist einfach und folgt bestimmten Regeln, die man lernen kann.

Eine, wie ich finde, sehr gute Herangehensweise, um Veränderungsprojekte, und das sind Digitalisierungsprojekte nunmal, zu gestalten ist das ADKAR-Modell von Prosci. Dabei setzt das Modell auf fünf verschiedene Phasen, um den Wandel bestmöglich zu gestalten.

Das ADKAR-Modell von Prosci setzt auf fünf verschiedene Phasen, um Change Management-Projekte erfolgreich zu Ende zu führen.
Foto: https://www.prosci.com/adkar

Einfach erklärt, geht es zunächst darum, das Bewusstsein für die Veränderung zu schaffen, gefolgt von dem Wunsch das Begehren für die Veränderung zu erzeugen.

In der dritten Phase des Modells geht es um den Aufbau des notwendigen Wissens, dass alle Parteien in die Lage versetzt, die Veränderung zu verstehen und sie aktiv unterstützen zu können. In der vorletzten Phase, die auf den Namen "Fähigkeit" hört, fokussiert man sich darauf, die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln, damit die Beteiligten auch in der Lage sind, die angestrebte Veränderung umzusetzen. Abschließend geht es um die Verankerung, damit alle am Ball bleiben.

Was mir persönlich an dem Modell sehr gut gefällt, ist das umfangreiche Tool-Set, welches von Prosci bereitgestellt wird.

Praktische Erfahrungen

So konnte ich bereits einige Bewertungen für Projekte vornehmen und habe spannende Erkenntnisse und Einblicke erhalten, wo man ansetzen muss, um die Erfolgswahrscheinlichkeiten drastisch zu erhöhen. Ein weiterer Aspekt, der mich damals überzeugt hat, ist die Überzeugung, dass Veränderung für jeden anders ist und somit jeder Betroffene sein eigenes Change Modell benötigt. Denn während der eine noch in Phase eins (Bewusstsein) hängt, sind andere vielleicht schon bei Phase drei (Wissen) angelangt. Abhilfe kann hier der Prosci Impact Index schaffen. Exemplarisch zeigt der unten stehende Screenshot das Ergebnis der Analyse für ein Projekt.

Beispiel einer Analyse auf Basis des "Prosci Impact Index".
Foto: Proact

Der Index schaut sich eine Vielzahl von Aspekten an, um eine möglichst umfangreiche Aussagekraft zu haben. Zunächst wird das Projekt und das Risikoprofil des Projekts bestimmt. Weiterhin ist die Analyse des primären Sponsors ein wesentlicher Aspekt, denn Veränderung benötigt auch immer starke Unterstützer, um den Wandel die notwendige Nachhaltigkeit zu geben. Der untere Abschnitt des Prosci® Impact Index fokussiert sich schlussendlich auf die verschiedenen beteiligten Gruppen und wo diese im Veränderungsprozess stehen. Mithilfe einer solchen, an sich simplen, Analyse lassen sich mögliche Stellen für Widerstände frühzeitig erkennen und somit auch geeignete Maßnahmen planen, um diesen aktiv entgegenzuwirken.

Für den Fall, dass Sie sich bereits mitten in einem Veränderungsprozess befinden und auf Widerstände treffen, die sich nicht mehr so leicht lösen lassen, kann Mediation auch eine mögliche Variante sein, um Widerstände zu managen. Einfach gesagt, handelt es sich dabei, um ein strukturiertes Verfahren, um mit Konflikten umzugehen und diese im Idealfall aus der Welt zu schaffen.

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