Herr Nintemann, Sie sind ja ein alter Cebit-Hase, vor zwei Jahren haben Sie die "Smart Building"-Initiative dort gelauncht, warum?
Jan Nintemann, Global Fairs TT-Messe: Ich beschäftige mich schon sehr lange mit dem Thema Smart Home (z.B. e-Home Messe Berlin) und Smart Building (von 2011-2014 ISE Amsterdam). Dem IT-Channel sind im vergangenen Jahrzehnt doch einige Geschäftsfelder weggebrochen, etwa PC-Reselling und Assemblierung. Viele Systemhäuser haben zwar an Geschäftsvolumen eingebüßt, haben aber eine äußerst interessante Klientel.
Fast all diese Kunden, z.B. aus der öffentlichen Verwaltung, Krankenhäusern, Gewerbe- und Industriebetrieben usw. sind in Gebäuden untergebracht. Die Affinität zum Geschäftsfeld "Smart Building" ist hier von Haus aus gegeben.
Geht es hier um die "intelligente" Vernetzung?
Nintemann: Genau! Denn andererseits hat der IT-Techniker oder das Systemhaus die Oberhoheit über die gesamte Vernetzung und Systemsteuerung von großen Gebäudekomplexen. Hier schlummert m. E. großes Geschäftspotential.
Welche Endgeräte werden dabei gesteuert? IP-Kameras? Aufzüge? Türen? Zutrittskontrolle?
Nintemann: Ich unterscheide zwischen "Smart Home" und "Smart Building". Für Ersteres ist eher dieIFAoder etwa die Light & Building zuständig. Unter "Smart Building" versteh' ich das professionelle Gebäude-Management. Das kann kein Laie so nebenbei. Auch der normale Elektro-Installateur stößt hier schnell an seine Grenzen. Hier ist die Kompetenz eines Systemintegrators gefragt, denn die Steuerungssysteme sind durchweg softwaregetrieben und IP-basierend - das sind die Kernkompetenzen eines ITlers - nicht eines Elektrikers.
Bei größeren Gebäuden, etwa bei Krankenhäusern, steuert oft das Systemhaus das gesamte Gebäude-Management, bei Bedarf holt er sich aber auch die professionelle Hilfe eines Elektroinstallateurs oder der Elektriker ist Subunternehmer für das Systemhaus - was aber manchmal auch umgekehrt funktioniert.
Gesteuert wird im Prinzip alles, was das Gebäude ausmacht: Es muss zuallererst vor diversen Gefahren geschützt werden ("physical security") - hier geht es um Zutrittskontrolle, Bewegungsmelder, Alarmanlagen und Video-Überwachung, aber auch z.B. um Rauchmelder.
Gebäude-Automation geht da noch einen Schritt weiter. Hier werden Systeme wie Klima, Heizung, Wasserversorgung, aber auch Aufzüge oder etwa Licht aus der Ferne gesteuert, vorausgesetzt, sie alle sind via IP ansprechbar. So können Türöffner und Lichtanlagen in großen Gebäudesystemen zentral geregelt werden - genauso wie separate Energiesteuerung oder etwa Touchscreens zur Gebäudesteuerung aus dem Bereich Digital Signage.
Und das lohnt sich. Unabhängige Untersuchungen haben ergeben, dass adäquates Licht am Arbeitsplatz die Produktivität um bis zu zehn Prozent erhöhen kann.
Wie steht es um neue Anwendungen, wenn immer mehr Devices in den Gebäuden über IP adressierbar sind? Stichwort IoT (Internet of Things)
Nintemann: Ja, klar! IoT spielt auch bei der Gebäude-Steuerung und -Automatisierung eine immer größere Rolle - und das sowohl im privaten Anwender-Bereich ("Smart Home") als auch im gewerblichen Umfeld ("Smart Building").
Unterschiede zwischen Smart Home und Smart Building
Aber der Marktzugang ist ja da jeweils ein ganz anderer …
Nintemann: Selbstverständlich! Es macht einen Riesenunterschied, ob ich "Smart Home"-Equipment an den Mann bringenoder einem Business-Kunden "Smart Building"-Konzepte verkaufen möchte. Die Geschäftsprozesse sind da ganz unterschiedlich: Bei Consumern ist es überwiegend der Produktabverkauf, in bestimmten Fällen kombiniert mit einer fachgerechten Installation durch einen Handwerkerbetrieb; im professionellen Umfeld geht es um Installationen im fünf- bis sechsstelligen Bereich, bei denen Planungsbüros die technische Konzeption entwerfen.
Da sind dann wieder Systemintegratoren gefragt, oder?
Nintemann: Im Prinzip ja. Aber hier kann man auch Grabenkämpfe beobachten. Das ist üblicherweise so, wenn neue Märkte von mehreren Playern aus unterschiedlichen Richtungen angegangen werden. Im Segment "Smart Building" sind es eben IT-Systemintegratoren und größere Elektroinstallionsbetriebe.
Für mich ist die Entscheidung eindeutig: Die Kernkompetenz in der Steuerung von Gebäuden ist die IT- und Software-getriebene Technik. Mit der IP-Technologie sind aber die meisten Elektroinstallationsbetriebe überfordert - vor allem dann, wenn es um komplexe Gebäude-Automations-Prozesse geht.
Deshalb ist bei derartigen Projekten die Zusammenarbeit zwischen dem IT-Techniker und dem Elektroinstallateur sinnvoll. Und aus diesem Grund wird das Thema "Smart Building" auf vielen unterschiedlichen, auch Non-IT-Messen, eine wichtige Rolle spielen.
Auch auf der Cebit?
Nintemann:Die Cebit als Leitmesse für Digitalisierung, M2M, IoT und Industrie 4.0 ist natürlich eine wichtige Plattform für "Smart Building", weil dieses Thema einen Teilaspekt des gesamten IoT-Bereichs darstellt.
Und deswegen haben Sie die "Smart Building"-Plattform auf der CeBIT etabliert?
Nintemann: Ja, weil die Kompetenz des ITK-Channels im Bereich "intelligente Gebäudesteuerung" noch vielfach brachliegt. Deswegen versuchen Distributoren wie Michael Telecom oder Eno, aber auch Größen wie die Deutsche Telekom, den Fachhandel für das "Smart Building"-Geschäft zu begeistern. TK-Spezialisten wie Agfeo und Auerswald entwickeln sich ebenfalls in diese Richtung. Sie erweitern ihre Telefonzentralen zu Steuerungszentralen für das Gebäude-Management.
Und meine Aufgabe sehe ich eben darin, die aus beiden Richtungen, IT und TK, sich fortentwickelnden technischen Systeme miteinander in Einklang zu bringen und daraus neue Geschäftskonzepte für die relevanten Channels zu kreieren - auf meinen Messeplattformen.
Und was raten Sie nun den Systemhäusern?
Nintemann: Sie können sich in das Thema "Smart Building" viel leichter einarbeiten, als Elektroinstallationsbetriebe, die kaum über EDV-Know-how verfügen. Diesen Vorsprung sollten Systemhäuser nun nutzen, um neue Kunden ans Land zu ziehen. Meistens können sie dabei immer noch mit Elektroinstallateuren zusammenarbeiten.
Was bedeutet das nun für die Cebit?
Nintemann:Ich glaube, dass viele Aussteller, die schon vor Jahren der Cebit den Rücken gekehrt haben, bald wieder nach Hannover zurückkehren werden - wenn das Geschäft mit Smart Home und Smart Building, ja - auch 'Smart Office' oder 'Smart City' - größere Dimensionen einnehmen wird. Denn dann wird auch die Zahl der potentiellen Kunden, die sich als Messe-Besucher für derartige Konzepte interessieren, nach oben gehen. Und dann wird es auch die notwendige Legitimation für viele Hersteller und Distributoren geben, wieder auf der Cebit auszustellen.
Und mit der "Smart Building"-Plattform auf der Cebit bereiten u.a. wir den Boden für diese Entwicklung.