Demotivierte Mitarbeiter, fehlende persönliche Wirkung, unzureichende Ergebnisse. Die Krise der Führung ist vielerorts sichtbar und rückt immer mehr ins Bewusstsein. Oftmals benötigen Manager und Führungskräfte einen unverhältnismäßig hohen Kraftaufwand, Druck und Anstrengung, um überhaupt noch einigermaßen akzeptable Resultate vorweisen zu können.
Immer mehr Führungskräfte fühlen sich hilflos angesichts ihrer subtil rebellierenden, sich entziehenden, zum Teil offen sabotierenden Mitarbeiter. Der Verlust ihrer Autorität ist offenkundig und für die Vorgesetzten eine schmerzhafte Realität. Verzweifelte Versuche, Mitarbeiter mit Belohnungen (Boni), Bestrafungen (Versetzung, Entzug von Aufgaben oder Ressourcen) zu kontrollieren oder mit Beschwichtigungen und falschem Verständnis wohlgesonnen zu machen, erleichtern den Führungsjob nicht, im Gegenteil, der Widerstand der Belegschaft nimmt dadurch noch zu.
Ebenfalls ist zu konstatieren, dass die Zusammenarbeit zwischen Führungskräften oft in einem Konkurrenzkampf verharrt, unter dem alle Beteiligten leiden, da die Beziehungen untereinander empfindlich gestört, oft sogar zerstört sind. Zugleich steigen die Anforderungen an die Führungskräfte, die von Termin zu Termin hetzen und kaum noch persönlich mit ihren Mitarbeiter kommunizieren können. Führungs-Kraft, Präsenz und Autorität können so nicht entstehen. Stattdessen sind zynische Sprüche und beißende Ironie über Führungskräfte und deren Verhalten Beleg für den Verlust ihrer Autorität.
Die wahren Ursachen erkennen
Auslöser der Führungskrise ist, dass wir zunehmend in einer auf Austausch und Beteiligung bedachten Wissensgesellschaft leben, in der Akzeptanz und Autorität immer weniger aus Fachkompetenz und formaler Position resultieren. Wichtiger ist ein beziehungsorientierter, humaner Umgang miteinander, um sachliche Ziele zu erreichen. Und zwar in beide Richtungen. Von Führungskräften zu Mitarbeitern, und umgekehrt. Autorität, ohne die Führung nicht gelingt, bedarf einer funktionierenden Beziehung, doch diese ist weder angeboren noch kann sie antrainiert oder erlernt werden, auch wenn das bislang immer wieder so dargestellt wurde und bisweilen noch wird.
Obwohl die meisten Führungskräfte erkennen, dass sich die Rahmenbedingungen verändert haben, setzen sie weiterhin vor allem auf Anweisung und Gehorsam, Zuckerbrot und Peitsche, um ihre Mitarbeiter hinter sich zu bringen. Wirkliche Autorität war und ist damit aber nicht verbunden. Mitarbeiter, die unter solchen Bedingungen Vorgaben folgen, tun dies letztlich nur aus Angst vor Konsequenzen und persönlichen Nachteilen. Dennoch lässt sich aktuell in Unternehmen beobachten, dass die Chefs entweder über noch mehr Druck und Kontrolle führen oder sich manipulativer Sozialtechniken als Mittel zum Zweck bedienen. Begeisterung und Freiwilligkeit in der Zusammenarbeit zwischen Führung und Personal ist kaum noch zu finden. Das in einem solchen Klima weder Kreativität noch innovatives Handeln entstehen, dürfte klar sein.
Die allgemeine Führungskrise ist darauf zurückzuführen, dass
die bestehenden Strukturen und Kulturen in Unternehmen nicht mehr den Erfordernissen einer globalen Wirtschaft entsprechen
die verkrusteten Unternehmensstrukturen es Führungskräften schwer bis unmöglich machen, angemessen mit dem von außen induzierten Innovationsdruck umzugehen
Ängste Führungskräfte daran hindern, notwendige Struktur- und Kulturveränderungen anzustoßen und die damit verbundenen Konflikte auszutragen.
Die bisherigen Führungsstil- und Steuerungsmodelle blenden zudem alles aus, was mit der stetig steigenden Komplexität und Selbstorganisation, Globalisierung und Demokratisierung aller Lebensbereiche in Verbindung steht.
Führung neu denken
Unternehmen, die im globalen Wettbewerb überleben wollen, müssen daher Führung neu denken. Es reicht nicht (mehr), sich nur immer wieder neue Führungstechniken und Stile auszudenken, wenn das Fundament, auf denen sie fußen, unverändert bleibt. Die Glaubwürdigkeit ist dahin. Doch Führung lebt von Glaubwürdigkeit, da sie Vertrauen und dadurch Sicherheit schafft. Ohne diese beiden fundamentalen Merkmale zwischenmenschlicher Beziehungen bleibt die Krise in der Führung bestehen. Sie verschärft sich sogar, da die Probleme aufgrund nicht mehr adäquaten Unternehmensstrukturen häufig auf die individuelle Ebene verlagert werden, was bei Führungskräften wie Mitarbeitern in Versagensangst und Demotivation mündet.
Die bereits stattfindende Revolution, die Digitalisierung, übersteigt bereits heute alles, was wir bislang an Komplexität und Transparenz erfahren haben. Umso dringlicher ist es, Führung und deren Strukturen, die sich heute bestenfalls "kooperativ verkleiden", den neuen Erfordernissen der so genannten agilen Vernetzung anzupassen.
Um die aktuellen - und erst recht die künftigen - Herausforderungen zu bewältigen, bedarf es einer neuen Perspektive in der Führung. Dazu müssen die Entscheider bereit sein, Führung von innen, aus der bestehenden Struktur und Kultur heraus weiterzuentwickeln, auch wenn dies bedeutet, Konflikten nicht länger ausweichen zu können. Die Führungskräfte müssen sich also für Veränderung entscheiden und ganz konkrete Maßnahmen angehen, die die Zusammenarbeit in Unternehmen tatsächlich auf ein neues Fundament stellen.
Eine Lösung dieser Führungskrise ist im Kern ein Wandel in der Haltung zu Autorität in der Führung, die so genannte "Neue Autorität in der Führung". Dafür muss sich die Einstellung zur Führung ändern. Wer ein wirkliches Miteinander anstrebt, muss sich von der in der Vergangenheit praktizierten Logik der Kontrolle und des Gehorsams verabschieden. Stattdessen geht es darum, eine Verbundenheit mit dem gemeinsamen Ziel, also Beziehungen wieder herzustellen. Die Neue Autorität in der Führung erfordert es nicht nur, die Strukturen und Kulturen in den Unternehmen hin zu mehr Selbstorganisation zu verändern, sondern es auch den Führungskräften zu ermöglichen, sich mit ihrer Situation und ihren Emotionen zu befassen. Im Mittelpunkt des Konzepts der Neuen Autorität steht daher, wie erwähnt, eine Änderung der Einstellung bzw. Haltung zu Führung.
Nur alle aufgeführten Elemente zusammen ergeben ein Fundament dafür, dass Mitarbeiter ihren Führungskräften wieder Autorität zuweisen. Erst in der Wechselwirkung von innerer Haltung und äußerem Verhalten der Führungskräfte kann sich zwischen ihnen und ihren Mitarbeitern eine neue Autoritätsbeziehung entwickeln. Es kommt daher darauf an, dass die Führungskräfte ihre innere Haltung zu Autorität ändern. Doch nur wenn sich die strukturelle Ebene in Unternehmen zu einer vernetzten, transparenten und agilen Organisationsstruktur entwickelt, gelingt der Wandel der Führungskultur, kann das volle Potenzial der Produktivitätsreserve - auch durch Aufhebung bislang blockierter Innovationen - gehoben werden.
Die Chancen, die sich für Unternehmen, Unternehmer und Führungskräfte durch diesen Transformationsprozess auf individueller, struktureller und kultureller Ebene ergeben, sind enorm. Sie legen so nicht nur die Basis für künftigen wirtschaftlichen Erfolg, sondern ermöglichen es, aus der gegenwärtigen Krise der Autorität auszusteigen, agile Unternehmensstrukturen und -kulturen glaubwürdig mit Leben zu füllen und in der Führung von Menschen im 21. Jahrhundert anzukommen.
Infos und Kontakt: Frank H. Baumann-Habersack ist seit über zehn Jahren geschäftsführender Gesellschafter der systemischen Organisationsberatung Baumann Partner sowie Akademieleiter von Autoritum - Akademie für Persönlichkeit und Führung in Burgdorf / Hannover. Neben den Führungs-, Konflikt- und Veränderungsthemen gehört auch die Gestaltung von Unternehmens- sowie Führungskulturen zu seinen Kernkompetenzen. Der Consultant und Coach arbeitete zuvor als Führungskraft, Projektleiter und interner Berater. Bau- mann-Habersack ist Betriebswirt (B.A.) und Arbeitswissenschaftler, Bankkaufmann, Lehrcoach sowie ausgebildet in NLP, systemischer Familientherapie und Supervision.
Frank H. Baumann-Habersack: Mit neuer Autorität in Führung. Warum wir heute präsenter, beharrlicher und vernetzter führen müssen, Springer Gabler 2015m 34,99 Euro
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