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Swyx Communications AG
Vorstand
Herrn Dr. Ralf Ebbinghaus
Emil-Figge-Str. 80
44227 Dortmund
München, 23.04.2001
Spritpreise und Voice-over-IP
Sehr geehrter Herr Dr. Ebbinghaus,
weil die Benzinpreise eine neue Rekordmarke erreicht haben, werden die Rufe nach alternativen Energien wieder laut. Das kennt man aus der Vergangenheit. Werden Benzin und Heizöl wieder billiger, verstummen diese Forderungen. Anbieter alternativer Energien - zum Beispiel Sonne, Wasser, Raps - werden ausgebremst und müssen auf der Standspur fahren. Die alternativen Energien kommen nicht voran.
Im Telekom-Bereich ist es ähnlich. Weil die Telefongebühren vor einigen Jahren hoch waren, erfand man das Telefonieren über das Internet. Das Zauberwort: Voice-over-IP, kurz VoIP. Der wesentliche Vorteil: viel billiger. Dementsprechend fielen die Prognosen der Marktforscher aus: Sie versprachen Anbietern, die sich frühzeitig auf diesen Wachstumsmarkt spezialisieren, glänzende Geschäftsaussichten. Wegen der günstigen Alternative werde es eine Völkerwanderung der Telekom-Anwender ins VoIP-Lager geben, so die Vorhersagen der Auguren. Die Anbieter arbeiteten mit Hochdruck an der Verbesserung der Schwachstellen des Systems. Einer dieser VoIP-Pioniere: die Swyx Comunications AG, die eigens zu diesem Zweck gegründet worden war.
Doch dann passierte etwas, womit keiner gerechnet hatte: Die Gebühren fürs Telefonieren gaben nach. Sie gaben nicht nur nach, sie brachen auf breiter Front ein. Plötzlich kostete das Telefonieren nur noch einen Bruchteil dessen, was man kurz zuvor bezahlen musste. Ein Glück für die Telefonierer, Riesen-Pech für die VoIP-Anbieter. Denn mit den erodierenden Telefongebühren bricht auch die Geschäftsgrundlage der alternativen Telekomfirmen wie Swyx oder Tedas zusammen. Na ja, vielleicht bricht sie nicht gleich zusammen, aber das entscheidende Argument, mit dem man die Anwender ins VoIP-Lager schleusen wollte, ist einfach nicht mehr da.
Damit droht die VoIP-Technologie dasselbe Schicksal zu erleiden wie die alternativen Energien: Sie bleibt ein Nischenmarkt. Mag sein, dass sich die Ausgangslage wieder ändert, also die Telekommunikationsgebühren anziehen. Allerdings ist diese Entwicklung angesichts der Konkurrenzsituation in diesem Umfeld vorerst ganz sicher nicht zu erwarten.
Für die VoIP-Anbieter stellt sich daher nicht nur die Frage, ob sie die Durststrecke überstehen können, bis der Markt sich öffnet, sondern ob es diesen Markt überhaupt geben wird. Wir haben uns ja auf der Cebit bereits über dieses Thema unterhalten, und Ihr Vorstandskollege Dr. Wolfgang Schröder hatte eingeräumt, dass sich der Markt "in einer frühen Anfangsphase" befinde. Rund 320 Anlagen haben Sie derzeit draußen im Feld, überwiegend kleinere Installationen, mit denen Interessenten die Technologie ausprobieren.
Auf der Cebit habe ich einen Software-Hersteller gefragt, der damals mit Ihnen kooperiert hatte, als Sie noch "ITK GmbH" auf Ihrer Visitenkarte stehen hatten, ob er auch heute wieder mit Swyx in geschäftlicher Verbindung stehe. Seine Antwort fiel deutlich aus: "Ich würde mit den Swyx-Leuten ja gerne Geschäft machen. Wenn es da nur Geschäft gäbe."
Nun sagen Sie, dass Sie in diesem Jahr zehn Millionen Mark Umsatz machen wollen, und haben auch schon den Börsengang für nächstes Jahr ins Auge gefasst. Ich muss Ihnen gestehen: Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger verstehe ich, auf welcher Grundlage dieser Optimismus basiert.
Mit freundlichen Grüßen
Damian Sicking