Mit freundlichen Grüßen ...

25.10.2001

ComputerPartner

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Rainer Liebich

c/o Baramundi Software AG

High-Tech-Park

Werner-Haas-Str. 4

86153 Augsburg

München, 22.10.2001

Was Frauen wollen. Und was IT-Firmen brauchen.

Sehr geehrter Herr Liebich,

letzte Woche war wieder Messe, die "Systems". Und obwohl es schon Messen mit mehr Besuchern gab, war es wieder nett. Man hat viele Bekannte getroffen. Viele hat man aber auch nicht getroffen. Denn die Regel, dass in der Computerbranche keiner untergeht, sondern immer irgendwo wieder auftaucht, gilt schon lange nicht mehr. Etliche Manager, vor allem diejenigen, die in den 80er und frühen 90er Jahren im Sog des allgemeinen IT-Booms nach oben gespült worden waren und deren wesentliche Leistung darin bestand, Umsatz und Gewinn nicht verhindern zu können, sind inzwischen aussortiert worden. Und zwar völlig zu Recht.

Insofern bin ich jetzt ein wenig amüsiert, wenn ich mehr und mehr Stimmen höre, die zur Rettung der deutschen Wirtschaft die "Leute von gestern" zurückrufen wollen. Die "Wirtschaftswoche" beispielsweise brachte vergangene Woche einen Artikel über das Ende des "Jugendwahns" in den Unternehmen. "In schwierigen Zeiten besinnt sich die Wirtschaft auf den Wert der Erfahrung", heißt es dort.

Ich finde das, wie gesagt, lustig. Nachdem die Jugend versagt hat (Stichwort "New Economy"), sollen es jetzt die Alten richten. Damit wird der eine Unsinn durch den anderen ersetzt. Denn genauso wenig wie die Jugend einen Wert an sich darstellt, hat das Alter oder die Erfahrung einen Wert an sich. Nehmen Sie zum Beispiel den "erfahrenen Liebhaber", also den Casanova, der viele Frauen rumgekriegt hat. Ich bin ziemlich sicher, dass 99 Prozent der Frauen überhaupt keinen Wert darauf legen, dass ihr Liebhaber über viel Erfahrung verfügt. Gut muss er sein! Und zwar dann, wenn es drauf ankommt. Ich bin zwar kein Experte in diesen Dingen, aber ich halte es für durchaus wahrscheinlich, dass es erfahrene Liebhaber gibt, die ganz miserabel sind in dem, was sie tun. Vielleicht sogar die Mehrzahl. Aber das ist ein Thema für sich. Was ich sagen will, ist Folgendes: Erfahrung an sich ist zunächst einmal überhaupt nichts wert. Nur das ist etwas wert, was man aus der Erfahrung gelernt hat: Wissen, Können, Klugheit.

Stellen Sie sich vor, sehr geehrter Herr Liebich, all die Helden von gestern, die Computermänner der 80er Jahre, die Sie besser kennen als ich und die zu allem fähig, aber zu nichts zu gebrauchen waren, all die Blender, Glücksritter und Schönwetterkapitäne, kämen zurück und würden bestimmen, wo's lang geht. Für uns Journalisten sicher das Beste, was uns passieren könnte, wir könnten aus dem Vollen schöpfen. Ein ganzes Heft nur mit Missmanagement-Storys. Das ist gar nicht böse gemeint: Denn wie soll derjenige in der Krise helfen, der keine Krisenerfahrung hat?

Nein, die Computerbranche braucht keine Leute mit Erfahrung. Sondern die Computerbranche braucht Leute, die aus Erfahrung klug geworden sind. Kurz und gut, sehr geehrter Herr Liebich, die Computerbranche braucht Männer wie Sie! Erfahrungen haben Sie bis zum Abwinken, als Deutschlandchef von NCR (1985 bis 95), als Vorstandschef der Bull AG und der Schneider Rundfunkwerke (1997/98) - alles Unternehmen, die irgendwann in raue See und ins Schlingern geraten sind. Dass Sie klug geworden sind, zeigt Ihr Professorentitel. Die Studenten der Fachhochschule Ulm sollen ja geradezu an Ihren Lippen hängen, wenn Sie Vorlesungen halten über Unternehmensführung und Marketing.

Deshalb kann man die junge Firma Baramundi Software AG in Augsburg nur beglückwünschen, dass es ihr gelungen ist, Sie als Aufsichtsratsvorsitzenden zu verpflichten. Allerdings finde ich, dass Sie auf dem Foto, das man sich von der Baramundi-Homepage herunterladen kann, ruhig etwas fröhlicher hätten gucken dürfen. Sie haben doch das große Los gezogen, sehr geehrter Herr Liebich! In den goldenen Zeiten der Computerbranche richtig viel Geld verdient und jede Menge Spaß gehabt, und obendrein jetzt noch Ruhm und Anerkennung, zudem ein bisschen Beschäftigung und das gute Gefühl, noch immer irgendwie gebraucht zu werden. Ich beneide Sie.

Viele Leute von damals haben es viel schlechter getroffen als Sie. Das heißt aber nicht, dass sie unwichtig sind. Kein Mensch ist nutzlos. Zur Not kann er immer noch als schlechtes Beispiel dienen.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking