Im Zuge der Bewältigung der Pandemiefolgen standen im Frühjahr 2020 zunächst einmal Notebooks im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Denn die Frage, wie sich Homeoffice ermöglichen lässt, schien für viele Unternehmen mit der Anschaffung eines Notebooks beantwortet.
Diese Entwicklung zeigt, dass die seit Jahren vorhandenen und von vielen Anbietern propagierten Möglichkeiten des geräteunabhängigen mobilen Arbeitens in den meisten Köpfen noch gar nicht angekommen waren. Denn zur Umsetzung einer gründlichen Veränderung braucht es neue Technik und neue Arbeitsweisen. Da es sich dabei um ein Projekt handelt, bei dem jeder glaubt, kompetent mitreden zu können – schließlich ist jeder selbst auch PC-Benutzer –, klingt das nach langwierigen Gesprächen und viel Ärger.
Immerhin schien in vielen IT-Abteilungen zumindest schon darüber nachgedacht zu werden. Ausgangspunkt waren oft Überlegungen, was eine VDI (Virtual Desktop Infrastructure) der Firma bringen würde. Die wiederum wurden angestellt, weil die Verantwortlichen für herkömmliche Desktop-Umgebungen zunehmend mit Sicherheitsproblemen zu kämpfen hatten und ihnen die Kosten aus dem Ruder liefen. VDI und Desktop as a Service (DaaS) versprechen bei beidem Abhilfe.
Interesse an DaaS steigt durch die Pandemie
In einer Umfrage stellte die Enterprise Strategy Group (ESG) im März 2020 fest, dass Unternehmen zudem auch mit Inventarisierung und Compliance von Softwarelizenzen (36 Prozent der Befragten) zu kämpfen haben. 88 Prozent gaben damals an, dass sie „interessiert“ oder „sehr interessiert“ daran sind, über Smartphones und Nicht-Windows-Geräte auf VDI/DaaS-Infrastrukturen zuzugreifen. Acht von zehn Unternehmen glaubten, dass VDI oder DaaS sicherer sind als herkömmliche Desktops. In der Umfrage sagten weiterhin 58 Prozent der Befragten, dass sich ihrer Auffassung nach DaaS künftig als dominierende Form der Desktop-Nutzung durchsetzen wird.
Durch die Auflagen der Pandemie und die Verlagerung vieler Büroarbeitsplätze konkretisierten sich diese eher vagen Ahnungen und Überlegungen. Auf die Frage, ob DaaS durch die Pandemie einen bedeutenden Schub erfahren hat, gibt Thomas Huber, Channel Director für Deutschland bei Nutanix, eine knappe und klare Antwort: „Absolut!“ Zudem hätten viele der Nutanix-Partner ihr Serviceangebot „rund um DaaS-Lösungen mit Nutanix erweitert und ermöglichen so ihren Kunden einen cloudgestützten Remote-Arbeitsplatz, der tatsächlich funktioniert.“ Nutanix ist hier nicht nur mit seinen bekannten Angeboten für VDI aktiv, sondern bietet mit "Frame" auch eine zusätzliche DaaS-Lösung an.
Auch Heiko Lossau, Head of Business Unit Microsoft and Cloud Marketplace beim VAD ADN, findet klare Worte: „Die globale Pandemie hat dem dezentralen Arbeiten massiv Vorschub geleistet.“ Etwas vorsichtiger drückt sich Christian Elsenhuber, Principal Partner Solutions Architect bei Amazon Web Services aus. Das Unternehmen ist in diesem Umfeld mit dem Angebot „Amazon Workspaces“ vertreten.
„Das Interesse für solche Services steigt, und wir sehen immer größeres Wachstum in allen Branchen und Unternehmen jeder Größe“, sagt Elsenhuber. Er nennt auch zwei Referenzkunden, die die Leistungsfähigkeit belegen könnten, beide allerdings aus den USA: Grubhub, eine große Online- und Mobilplattform für Foodservice, habe innerhalb von zwei Tagen von einer Handvoll Amazon Workspaces auf über 1.200 skalieren können. Maximus, ein Dienstleister der vor allem Behörden und Einrichtungen im Gesund- heitswesen unterstützt, nutze Amazon Workspaces pandemiebedingt nun für 25.000 Mitarbeiter als Remote- Arbeitsumgebung.
DaaS als Teil umfassender Digitalisierungsprojekte
Dass Elsenhuber keine Referenzkunden aus Deutschland nennt, liegt vielleicht auch daran, dass das Thema hier etwas langsamer vorankommt. Das liegt nicht unbedingt an einer Technik- und Fortschrittsfeindlichkeit oder einer Verweigerungshaltung. „Workspace as a Service und Desktop as a Service sind heute ganz selbstverständliche Bestandteile moderner IT-Infrastrukturen“, betont Pilkku Aasma, Vice President Partner Sales EMEA bei Citrix. „Allerdings werden sie oft nicht mehr als alleinstehendes Projekt betrachtet. Insbesondere in Deutschland sind digitale Workspace-Projekte Teil eines großen Digitalisierungsschubs.“
Unternehmen setzten dabei jedoch individuelle Schwerpunkte. „Insgesamt haben wir im vergangenen Jahr einen deutlichen Nachfrageanstieg nach unseren Workspace-Lösungen verzeichnen können“, berichtet allerdings auch Aasma. Sie führt das auch darauf zurück, dass „Partner verstärkt mehr Informationen angefragt haben.“ Allerdings habe im Pandemiejahr vielfach die Betriebssicherung im Vordergrund gestanden (Stichwort: Business Continuity). „Wir sehen allerdings auch langfristige Projekte, in denen es allgemein um Mitarbeiterzufriedenheit, Produktivität und Effektivität geht“, sagt Aasma.
Sie sieht DaaS lediglich als einen Teil der „Employee Experience“. Von überall sicher und effizient zu arbeiten sei da nur ein Baustein. Auch flexible Arbeitsmodelle und Digitalisierungsprojekte allgemein gehörten dazu. Da anfangs vor allem Geschwindigkeit gefragt war, weil es darum ging, möglichst schnell möglichst vielen Mitarbeitern Homeoffice zu ermöglichen, habe der Ausbau vorhandener Citrix-Umgebungen – oft On-Premises – im Vordergrund gestanden. Als erfolgreiche Beispiele für eine großflächige Umstellung oder Modernisierung nennt Aasma in Deutschland die Bundesagentur für Arbeit, den Landkreis Rastatt, die BVG/Badische Versicherung sowie gemeinsam mit dem Citrix-Partner SVA die Patrizia AG.
„Nach dem ersten digitalen Schock in den ersten Pandemiemonaten haben wir und unsere Partner gesehen, dass dieser Schritt zu einem Umdenken bei den Kunden geführt hat und sie jetzt offen für Citrix Services aus der Cloud und ganzheitliche Digitalisierungsprojekte mit Schwerpunkt auf Employee Experience sind“, blickt Aasma in die Zukunft.
Komplexität wird oft verkannt
Henning Jasper, Geschäftsführer beim Distributor Vanquish, sieht einen klaren Trend zu Workspace as a Service und macht das am großen Interesse an der eigenen Lösung „Easyworkspace by Vanquish“ fest. Dabei handelt es sich um ein Komplettkonzept aus Infrastruktur, Secure Access, Cloud-Diensten, Hardware und Management. Dank eines einfachen Kalkulators können Service Provider damit ihren Kunden „in weniger als fünf Minuten“ ein Angebot unterbreiten.
Jasper weiß aber auch, warum es gelegentlich hakt: „Die Herausforderung bei WaaS/DaaS liegt in der Komplexität. Denn es reicht nicht aus, einen Arbeitsplatz physisch oder in der Cloud bereitzustellen und als Mietmodell abzurechnen. Zu einer WaaS/DaaS-Lösung gehört auch immer die Infrastruktur als Service und der Zugriff auf diese. Bei Angeboten, die dies außer Acht lassen, fehlt dem Service Provider und damit auch dem Endkunden eine wichtige Komponente.“ Sie später individuell nachzuarbeiten sei ein erheblicher Aufwand. Daran leide auch die Akzeptanz bei Kunden.
„Gerade der eigentlich recht innovative deutsche Mittelstand tut sich bei der Umstellung auf flexible As-a-Service-Angebote schwer. Im KMU-Segment sehen wir aber durchaus Partner und Endkunden, die das Konzept verstehen und adaptieren“, fasst Jasper zusammen. Im eigenen Angebot versucht Vanquish, diese Hindernisse auszuräumen.
So gibt es etwa im Rahmen von Easyworkspace eine Variante mit neuer Hardware und eine mit bestehender Hardware. „Die Herausforderung bei neuer Hardware ist häufig die Finanzierung durch den Channel. Bei bereits vorhandener Hardware sind Standardisierung und damit Verwaltbarkeit eine Herausforderung“, berichtet Jasper.
Kombination aus Hard- und Software bleibt schwierig
Generell drängt sich die Kopplung von Hardware und Software beziehungsweise Diensten aus der Cloud zu einem kompletten, digitalen Arbeitsplatz eigentlich auf. Aber die bereits angesprochenen Hürden – insbesondere bei der Verrechnung – lassen viele Dienstleister noch davor zurückschrecken.
Thomas Huber verweist darauf, dass die Stärke von Nutanix gerade darin liege, die unterschiedlichenMöglichkeiten der Kombination von Hard- und Software zusammenzuführen. Die bei HCI-Projekten erprobte Praxis, Kunden entweder alles remote aus der Cloud oder alles On- Premises zur Verfügung zu stellen beziehungsweise eine individuell angepasste Lösung irgendwo dazwischen anzubieten, soll nun auch bei Desktops umgesetzt werden.
Erst kürzlich kündigte Nutanix diesbezüglich eine Zusammenarbeit mit Lenovo an. Dabei werden die Desktops im Rechenzentrum des Kunden auf einem Host mit Nutanix-Stack betrieben. „Solche Angebote werden immer populärer und sind sowohl für unsere Partner als auch für die Reseller unserer Technologiepartner interessant“, sagt Huber.
Das als „Lenovo Truscale for Hosted Desktops with Nutanix“ eingeführte Angebot bietet die Auswahl zwischen unterschiedlichen Client-Geräten von Lenovo – von Thin Clients bis zu PCs – sowie zwischen Citrix Virtual Apps and Desktops und anderen virtuellen Desktop-Umgebungen. Basis der Lösung ist die Think Agile HX Series (powered by Nutanix) von Lenovo. Alle Optionen werden auf den Endanwender lizenziert und im As-a-Service-Modell verwaltet. Laut Lenovo sollen sich die Administrationskosten für die Infrastruktur so um bis zu über 60 Prozent reduzieren lassen.
Hauptargument: Kunden den Rücken freihalten
Einen anderen Weg geht ADN. „Was die Software angeht, lautet die Empfehlung ganz klar, auf Azure, also die Microsoft Cloud, zu setzen – am besten mit dem Lösungsportfolio von Citrix on top“, sagt ADN-Experte Lossau. „Für kleinere Szenarien haben sich Awingu und Parallels bewährt. Den Kunden überzeugt dabei gerade die Möglichkeit, das Sizing komplett individuell zu gestalten.“
Allerdings gibt es bei allen technisch inzwischen weitgehend ausgereiften Möglichkeiten eine kleine, jedoch nicht zu unterschätzende Hürde. „Vom Kunden erwarten wir Offenheit und die Bereitschaft, die Flexibilität und Attraktivität des Modells zu erkennen“, erklärt Lossau. Die gewonnenen Freiräume könne er dann voll und ganz seinem Kern- geschäft widmen und seine interne IT sich darauf konzentrieren, da die ganze Infrastruktur vom Partner extern gemanagt wird.
„Das ist genau die dahinterstehende Philosophie: Managed Service Providing ist kein schicker Modebegriff, mit dem man sich heutzutage schmückt, sondern hat den reellen Anspruch, dem Kunden den Rücken freizuhalten“, fasst Lossau zusammen. Und mit diesem Argument als Einstieg, sollte es in der Vorbereitung der Post-Pandemie-Ära auch mit DaaS klappen.
Mehr zum Thema bei ChannelPartner
Wie Systemhäuser Workspace as a Service anbieten
Bluechip stellt Workplace-as-a-Service-Angebot vor