Der schlechte Ruf von Vista stammte nicht zuletzt daher, dass viele bestehende Anwendungen aufgrund weitreichender Systemänderungen dort nicht mehr liefen oder zumindest Schwierigkeiten bereiteten. Microsoft versuchte diese Probleme mit Windows 7 in den Griff zu bekommen. Da die beiden Windows-Versionen aber auf ein weitgehend identisches Fundament bauen, muss beim Umstieg von XP mit Inkompatibilitäten gerechnet werden. Allerdings stellt Microsoft mehr Tools und Konfigurationsmöglichkeiten zur Verfügung, um alte Programme zum Laufen zu bringen.
Bei Standard-Software können Unternehmen relativ leicht von den Erfahrungen anderer Anwender und von den Tests des Herstellers profitieren. Microsoft stellt daher eine Online-Datenbank zur Verfügung, die zwar relativ stark auf Consumer-Software ausgerichtet ist, aber auch Sicherheits- und Entwickler-Tools sowie Business-Anwendungen berücksichtigt. Die gesamte Liste kann zudem als Excel-Tabelle heruntergeladen werden. Sie enthält aktuell fast 20.000 Einträge.
Umfangreiche Kompatibilitätslisten
Mit ihrer Hilfe können sich Unternehmen darüber informieren, ob Anwendungen in einer bestimmten Version unter Windows 7 lauffähig sind und ob sie sich auch mit der 64-Bit-Version des Betriebssystems vertragen. Allerdings müssen sie bei inkompatiblen Programmen selbst sehen, ob und wie sie diese zum Laufen bringen. Wer hier weitergehende Unterstützung benötigt, kann etwa Changebase AOK vom gleichnamigen englischen Hersteller einsetzen. Das Programm versucht, die meisten gängigen Kompatibilitätsprobleme, etwa verursacht durch die Benutzerkontensteuerung (User Account Control, UAC), automatisch durch Repackaging zu lösen, soweit dies durch die Änderung von Einstellungen möglich ist.
COMPUTERWOCHE Marktstudie Windows 7
Schon die Tatsache, dass neue Rechner mit Windows 7 ausgeliefert werden, hat Microsoft und der ganzen PC-Branche einen echten Boom beschert. Umso erstaunlicher, dass die Euphorie einen Großteil der IT-Verantwortlichen in deutschen Unternehmen nicht erfasst hat.
Die Mehrheit hat Windows Vista ausgelassen und plant nun, von Windows XP aus zu wechseln. Doch zunächst wollen Anwendungen getestet und der Umstieg sauber vorbereitet sein. Dafür lassen sich die IT-Chefs Zeit.
Microsoft selbst stellt ebenfalls Tools zur Verfügung, die Anwendern dabei helfen, ihre tatsächlich installierten Anwendungen zu erfassen, auf die Kompatibilität mit Windows 7 zu prüfen und die eventuell benötigten Einstellungen ("Shims") im Netz zu verteilen. Die zwei wichtigsten davon sind das Application Compatibility Toolkit (ACT) und das Microsoft Assessment and Planning Toolkit (MAP). Der Schwerpunkt von MAP liegt auf Performance, Hardwareausbau und Konsolidierungspotenzialen, wohingegen ACT alleine die Kompatibilität von Hard- und Software erfasst. Die beiden Tools sind als Ergänzung gedacht und werden daher häufig zusammen eingesetzt.
MAP |
ACM |
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Datensammlung |
• über das Netz per WMI, Remote-Registry-Zugriffe sowie für VMware-Hosts per VMware-Web-Zugriff. • alle zu erfassenden Clients müssen für den Remote-Zugriff konfiguriert sein und der Zugriff muss über das ganze Netz in den Firewall-Regeln erlaubt sein. |
• per Agent auf den Zielsystemen, Auslieferung als Windows-Installer-Paket etwa per GPO oder Logon-Script. • Deinstallation nach der Datensammlung nicht nötig. |
Erfasste Daten |
• Hardware-Daten (Prozessor, Speicher, Grafik, Massenspeicher etc.) • Performance-Daten • Betriebssystem-Versionen • Office-Installationen • SQL-Installationen • Rollen der Windows-Server • Hosts für virtuelle Maschinen (Microsoft und VMware) • Meldungen des Windows-Sicherheitszentrums |
• Geräte und ihre Treiber • installierte Programme mit Versionsnummern |
Analyse und Darstellung der Bewertung |
• Eignung der erfassten Computer für Windows 7, Server 2008 R2, Vista oder Server 2008, sowie notwendige Hardware-Aufrüstungen, um weitere Computer für die Systeme auszubauen; detallierte Reports und Vorschläge als Word-Dokumente exportierbar • Inventar der Office-Installationen zum Zweck des Upgrades auf Office 2007 • Inventar der SQL-Server und -Komponenten zum Zwecke der Migration zu SQL Server 2008 • Inventar aller virtuellen Maschinen • Bewertung der Energiesparmöglichkeiten durch alle Betriebssystem-Upgrades • Bewertung der Sicherheit anhand der gesammelten Meldungen des Windows-Sicherheitszentrums • Bewertung der Möglichkeiten der Applikationsvirtualisierung • Bewertung der Möglichkeiten der Server-Konsolidierung inklusive ROI-Rechner |
• nach Datenabgleich mit der ACT-Community Bewertung jeder Anwendung und jedes Gerätes hinsichtlich Kompatibilität mit Windows 7, Vista oder Windows XP • Übersicht nach Geräten und darauf eventuell vorhandenen Problemen pro Ziel-Betriebssystem ebenfalls darstellbar • Exportmöglichkeit nach Excel |
Windows 7 enthält zahlreiche Shims
Neben der Analyse bietet ACT über den integrierten "Compatibility Administrator" die Möglichkeit, die für bestimmte Programme benötigten Kompatibilitätseinstellungen auf alle PCs zu verteilen, auf denen diese Applikationen laufen sollen. Zu diesem Zweck ist es nicht nötig, das ACT auf allen Zielrechnern zu installieren. In kleineren Umgebungen kann man diese Optionen als Teil der Anwendungen ausliefern, bei einer größeren Client-Zahl empfiehlt sich das Einrichten einer zentralen Shim-Datenbank.
Allerdings ist es keineswegs so, dass die Kompatibilitätseinstellungen für jede ältere Software von den Beteiligten eines Migrationsprojekts selbst gesetzt werden müssen. Windows bringt derzeit die Shims für über 6.000 Programme mit, die bereits in der System-Datenbank gespeichert sind. Ihr Einsatz erfordert keine Anpassung seitens der Benutzer, sondern erfolgt automatisch. Erfasst sind sowohl Anwendungen als auch deren Setup-Programme. Um sie einzusehen, ist der "Compatibility Administrator" aus dem ACT notwendig.
Internet Explorer 6 als Altlast
Eine Ursache für Kompatibilitätsprobleme, mit der man eigentlich nicht rechnen würde, sind Web-Anwendungen, wenn sie speziell für den Internet Explorer 6 entwickelt wurden. Zum Lieferumfang von Windows 7 gehört der IE8, eine parallele Installation des IE6 ist nicht möglich.
Probleme entspringen der Tatsache, dass sich der neue Browser viel stärker an die Web-Standards hält und IE6-spezifische Websites nicht immer korrekt darstellt. Aus Kompatibilitätsgründen enthält er daher zusätzlich die Rendering-Engine des IE7 und im Quirks Mode verhält er sich sogar wie der IE5 - nur eine explizite Kompatibilität mit dem IE6 kennt er nicht. Ein weiterer Grund für Inkompatibilitäten sind Plug-ins, ActiveX-Controls und die IE6-spezifische Java Virtual Machine, falls eine Anwendung genau diese erfordert.
Wenn sich Web-Anwendungen nicht in einem neueren Browser ausführen lassen und der Hersteller der Software nicht bereit ist, dieselbe zu aktualisieren, bleibt als letzte Möglichkeit nur, den IE 6 in irgendeiner Form zu virtualisieren und auf diese Weise parallel zum IE8 auszuführen.
Die eleganteste Methode ist dabei die Applikationsvirtualisierung, bei der der IE6 nicht installiert wird und keinerlei Änderungen am System vornimmt. Microsoft selbst bietet dafür App-V an, das Teil des Desktop Optimization Pack (MDOP) ist. VMware erweiterte ThinApp 4.6 speziell für diesen um ein Feature namens ThinDirect, mit denen der Administrator bestimmte URLs auf den virtualisierten Browser umleiten kann, während die anderen Web-Seiten in einem moderneren Web-Client angezeigt werden. Gegen diesen Ansatz spricht nur, dass er nicht mit den Lizenzbedingungen von Microsoft in Einklang steht. Der Hersteller vertritt schon lange die Position, dass der IE ein Teil des Betriebssystems und keine eigenständige Anwendung ist. Als solcher darf er nicht virtualisiert werden.
Als Alternative bleibt daher die Möglichkeit, den IE6 auf einem Terminal-Server auszuführen und ihn auf dem Client nur anzuzeigen, so dass keine Versionskonflikte auftreten. Allerdings läuft der Internet Explorer 6 nicht unter Windows Server 2008 (R2), so dass dafür ein Windows Server 2003 (R2) erforderlich ist.
Ein Nachteil dieses Vorgehens besteht im inkonsistenten Benutzererlebnis, dass es keine definierbaren Zuständigkeiten des lokalen IE8 und des entfernten IE6 für bestimmte URLs gibt. Microsoft schlägt als Behelfslösung vor, im IE6 mit Hilfe von Content-Filtering alle URLs mit Ausnahme der Legacy-Anwendungen zu sperren.
Virtuelles XP als Ultima Ratio
Egal ob IE6 oder eine andere widerspenstige Altanwendung: Wenn keiner der von Windows 7 gebotenen Kompatibilitätsmechanismen hilft, dann besteht das letzte Mittel darin, ein komplettes XP inklusive der betroffenen Software in einer lokalen Maschine auszuführen.
Für Privatanwender und kleine Firmen stellt Microsoft zu diesem Zweck den XP-Modus zur Verfügung. Mangels zentraler Management-Optionen eignet er sich aber nicht für größere Installationen.
Für diese empfiehlt Microsoft den Einsatz von Med-V, mit dessen Hilfe Programme, die in einer virtuellen Maschine unter dem Virtual PC laufen, nahtlos in das Windows-7-Host-System integriert und über Administrationsvorgaben gesteuert werden können. Med-V ist ebenfalls Teil von MDOP, das den Abschluss einer Software Assurance erfordert, die zudem die nötigen Lizenzrechte zur Ausführung von bis zu vier Windows-Instanzen in lokalen virtuellen Maschinen einräumt.
Der große Nachteil dieser Lösung besteht darin, dass Firmen pro Client zwei Betriebssysteme verwalten müssen. Das betrifft nicht nur Patches und Updates, sondern auch die Installation und Wartung von Virenscannern oder anderer Sicherheitssoftware. Darüber hinaus sollten die Benutzerprofile zwischen Host- und Gastsystem abgeglichen werden. Aus diesem Grund wählen nur sehr wenige Unternehmen diese Option zur Lösung von Kompatibilitätsproblemen.
Der Beitrag basiert auf einem Artikel der ChannelPartner-Schwesterzeitschrift Computerwoche. Autor ist Andreas Kroschel, Redakteur bei WindowsPro.de