Nach monatelangen Verhandlungen haben der europäische Cloud-Verband CISPE und Microsoft eine Einigung erzielt. Die Einigung beinhaltet laut Reuters eine Zahlung von Microsoft in Höhe von mehreren Millionen Euro an den Cloud-Verband CISPE sowie separate Zahlungen an einzelne CISPE-Mitglieder. Im Gegenzug zieht CISPE seine Beschwerde bei der EU-Kommission zurück und die einzelnen Mitglieder verpflichten sich, keine Klagen gegen Microsoft einzureichen.
"Die heute erzielte Einigung zwischen CISPE und Microsoft ist ein großer Gewinn für den US-Konzern - und ein Bärendienst für Innovation und Cybersicherheit in der Europäischen Union", sagt Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker, IT-Sicherheitsrechtler an der Hochschule Bremen. "Microsoft hat erwartungsgemäß alle Verbindungen spielen lassen, um zu versuchen, die dringend benötigte europäische kartellrechtliche Untersuchung der Marktbündelungspraktiken des US-Konzerns abzuwenden."
Der deutsche und europäische Cloud-Sektor leide seit Jahren unter dem Technologiemonopol Microsofts.Die nun erzielte Einigung werde im Sinne der Technologiesouveränität sicher mittelfristig nicht dazu beitragen, die Situation auf dem Cloud-Markt zu entschärfen.
Einigung gefährdet die digitale Souveränität
"Dass man nun pauschal bereit ist, Millionen zu investieren, zeugt davon, dass die Erfolgswahrscheinlichkeiten eines europäischen Kartellverfahrens laut den Befürchtungen des Konzerns nicht schlecht stehen", ordnet Kipker ein. "Außerdem wird dadurch deutlich, wie hoch der bereits eingetretene Schaden schon ist, wenn pauschal derartige Summen in einer Einigung zwischen CISPE und Microsoft ausgezahlt werden."
Mit einem "Weiter so" werde die europäische digitale Souveränität weiter untergraben, indem immer mehr Anwendungen in der Wirtschaft, bei staatlichen Einrichtungen und auch bei Privatanwendern bedenkenlos in eine nicht souveräne Cloud-Infrastruktur ausgelagert würden. "Die Cloud ist der Schlüssel zu neuen Technologien, und indem wir diesen Schlüssel bedenkenlos und bereitwillig weggeben, gefährden wir massiv unsere eigene digitale Souveränität schon jetzt", warnt Kipker.
Auch die "Coalition for for Software Licensing" (CFSL), die aus CISPE und der französischen Anwendervereinigung CIGREF hervorgegangen ist, zeigt sich mit der Einigung unzufrieden. Ryan Triplette, Executive Director und Sprecherin der CFSL, sagt: "Diese Einigung ist Microsofts jüngster Versuch, einer behördlichen Kontrolle zu entgehen, ohne die zugrunde liegenden wettbewerbswidrigen Praktiken anzugehen, die Millionen von Cloud-Kunden weltweit betreffen."
Microsoft werde seine "unfairen Softwarelizenzierungspraktiken weiterhin nutzen, um die Auswahl einzuschränken, die Kosten in die Höhe zu treiben und Kunden an sich zu binden." Denn die Einigung mit einigen europäischen Anbietern trage nichts dazu bei, "Microsofts globales wettbewerbswidriges Verhalten anzugehen."
Triplette verweist auf laufende Beschwerden und Untersuchungen "in Großbritannien, in der gesamten EU, den USA und in anderen Ländern". Sie zeigten deutlich "Microsofts weit verbreitetes Muster wettbewerbswidrigen Verhaltens und die Notwendigkeit umfassender Lösungen, die für alle Cloud-Kunden gelten." Die CFSL werde sich daher weiterhin für eine faire Softwarelizenzierung einsetzen und mit Regulierungsbehörden weltweit zusammenarbeiten.
Langer Streit zwischen Microsoft und CISPE
Der Streit zwischen Microsoft und CISPE schwelt seit 2019. 2022 hatte sich der Verband dann bei der EU-Kommission über Microsoft beschwert. Es ging dabei um die kurz zuvor eingeführten, neuen Lizenzierungspraktiken von Microsoft.
Die waren aus Sicht des Verbandes wettbewerbswidrig, weil sie Produktivitätssoftware mit Cloud-Infrastrukturdiensten unzulässig bündelten. Oder anders gesagt: Microsoft machte es seinen Mitbewerbern im Cloud-Geschäft unmöglich, seine Office-Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen anzubieten.
Die CISPE-Mitgliedsfirmen OVHcloud (Frankreich) und Aruba (Italien) hatte zuvor bereits eine separate Beschwerde gegen Microsoft eingereicht. Zu den CISPE-Mitgliedern gehört außerdem Amazon - auch wenn es kein europäisches Unternehmen ist. Die einige Monate später von Microsoft gemachten Zugeständnisse stellten den Verband nicht zufrieden. Er untermauerte seine Kritik vielmehr Anfang 2023 durch eine Studie.
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