Sowohl die Kommunikationsplattform Skype wie die Kollaborationslösung Teams gehörten nicht zu den Kernprodukten von Microsoft - bis die Corona-Krise zuschlug. Lockdown und weit verbreitetes Home Office sorgten für einen Boom bei den Microsoft-Produkten und bescherten dem Softwarekonzern die höchsten Zuwachsraten seit langem. Beim Microsoft Envision-Forum 2020, das Corona-bedingt aus der Münchner Unternehmenszentrale gestreamt wurde, wollte der Softwarehersteller seinen Unternehmenskunden nun einen positiven Ausblick in schwierigen Zeiten vermitteln. "Corona ist zu einem Digitalisierungsturbo geworden. Das beschert Unternehmen die Möglichkeit, mit digitaler Resilienz auf der Krise herauszugehen", erklärte die scheidende Microsoft-Deutschlandchefin Christine Haupt. Nachdem es zunächst darum gegangen sei, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten und die Erholung einzuleiten, sollten Unternehmen nun ihr Geschäftsmodell neu denken. "Nur zum Status quo vor der Krise zurückzukehren reicht nicht", so Haupt. Impulse zu neuen Wegen sollten beim Envision Forum Beispiele von Microsoft-Partnern aus verschiedenen Branchen liefern.
Das unterstrich auch Microsoft Europachef Ralph Haupter: "Corona hat nicht nur die weltweiten Lieferketten verändert, sondern auch den Fokus vieler Unternehmen." So seien Remote-Working-Modelle, die vorher im großen Stil nicht denkbar waren, plötzlich Standard geworden. Und gerade im Handel hätten digitale und datengetriebene Geschäftsmodelle als Antwort auf Ladenschließungen im Lockdown einen Druchbruch erfahren. "Jetzt gilt es daher, die Chance zu ergreifen, um digitale Technologie als Treiber für Innovation zu nutzen", erklärte Haupter.
Turbo für die Digitalisierung von Handelsprozessen
Wie innovative Antworten auf die Corona-Krise im Handel aussehen können, präsentierte Xenia Giese, Industry Solution Executive Retail & Consumer Goods bei Microsoft Deutschland. Ziel des Softwarekonzerns sei es, gemeinsam mit den Partnern intelligente Retail-Konzepte möglich zu machen. "Der Handel muss sich mithilfe digitaler Services und Geschäftsfelder neu erfinden", erklärte Giese. Als erstes Handlungsfeld definierte die Retail-Expertin dabei das digitale Empowerment der Mitarbeiter im Handel. Einen Beispiel-Case präsentierte dazu Timo Salzsieder, Chief Innovation und Chief Solution Officer des Handelsriesen Metro. In den vergangenen Jahren habe der Düsseldorfer Konzern den Mitarbeitern in den Metro-Märkten über Mobile Apps zusätzliche digitale Kompetenz in die Hände gegeben. Nun gehe es darum, auch den B2B-Kunden der Metro noch stärker auf sie zugeschnittene Einkaufsmöglichkeiten zu bieten, vor allem mittels mobiler Anwendungen. Der Konzern arbeitet dazu mit der Unternehmensberatung Campana & Schott zusammen. "Gerade die 'Firstline Worker' in den Märkten digital einzubinden, ist heute viel wichtiger", erklärte Berater Boris Ovcak. So nutze die Metro Microsoft Teams nicht nur für die Mitarbeiterkommunikation, sondern habe in die Plattform auch zusätzliche Microsoft-365-Erweiterungen zum Beispiel eine Walkie-Talkie-App integriert.
Als zweiter wichtiger Digitalisierungsbereich für den Handel wurde das Wissen über den Kunden thematisiert. Als Anwendungsbeispiel diente hier das Retail Media Programm des ehemaligen Katalogversenders Otto. Parallel zum Umwandlung in einen Online-Marktplatz bietet Otto seinen Handelspartnern inzwischen auch umfangreiche Werbemöglichkeiten an. Markenhersteller können so nicht nur einzelne Produkte sponsoren, sondern auch komplette Brandingkampagnen innerhalb des Otto-Onlineshops umsetzen. "Kundendaten sind dabei die wichtigste Erfolgsgrundlage. So spielen wir Anzeigen basierend auf konkreten Konsumerinteressen aus", erklärte Otto-Group-Media-Geschäftsführer Torsten Ahlers. Für die Umsetzung der Retail Media Plattform setzt Otto auf den 2019 von Microsoft übernommen Dienstleister PromoteIQ. "Retail Media ist der am schnellsten wachsende Bereich innerhalb des E-Commerce", erzählte PromoteIQ-Gründer Alex Sherman. "Schon heute erreichen wir mit unserer Plattform weltweit mehr als 150 Millionen Onlineshopper."
Digitale Lösungen am Point of Sale
Als drittes relevantes Handlungsfeld für den Handel wurde beim Microsoft Envision Forum 2020 der Bereich Supply Chain vorgestellt. Der entsprechende Referenz-Case stammte vom Logistik-Marktführer DHL, der gemeinsam mit seinen Partnerhändlern an einer Digitalisierung der Logistikkette arbeitet. Das Spektrum, der in Zusammenarbeit mit der Suppy Chain Plattform Blue Yonder entwickelten Neuerungen reicht dabei von Softwarelösungen über den Einsatz von Logistikrobotern bis zum Internet of Things. Gemeinsam ist den von DHl eingesetzten Innovationsbausteinen, dass sie auf Microsofts Cloud-Plattform Azure laufen.
Als letzter - und derzeit vielleicht wichtigster - Punkt in Sachen Handelsdigitalisierung thematisiert wurde der Einsatz von Technologien am Point of Sale, die den Einkauf für die Kunden nicht nur einfacher sondern auch sicherer machen sollen. Dazu zählen kontaktlose Checkout- und Bezahllösungen, Verkaufs- und Paketautomaten, aber auch der Einsatz von digitalen Lösungen zum Kundenmonitoring oder Warteschleifenmanagement. Beispiele dafür lieferte Christian Goerke vom auf den Handel spezialisiertem IoT-Anbieter Bosch.IO. So nutzt etwa die automatisierte Besucherzählung Händlern nicht nur dabei, die derzeit gültigen Corona-Beschränkungen einzuhalten, sondern kann dadurch auch der Einsatz von Store-Mitarbeitern auf der Fläche und an den Kassen proaktiv je nach Frequenz vorgesteuert werden. "Unser Ziel ist es, das Kundenerlebnis zu verbessern, aber auch das Leben der Mitarbeiter in den Geschäften zu erleichtern", so Goerke. Bisher hätten bei digitalen Instore-Lösungen Themen wie technische Silos oder heterogene Systemlandschaften oft eine Hürde dargestellt, doch könne die Plattform von Bosch.IO auf Basis von Microsoft Azure diese effektiv überwinden.
"Durch die Corona-Krise hat sich die Einstellung vieler Menschen zu digitalen Innovationen im Handel positiv verändert", fasste Microsoft-Managerin Xenia Giese die Praxisberichte der Partner zusammen. Es habe sich ein Fenster der Möglichkeiten geöffnet, das es zu nutzen gelte.