Um eine langwierige EU-Untersuchung wegen der andauernden Vorwürfe wettbewerbswidrigen Praktiken bei seinem Cloud-Geschäft zu verhindern, hat Microsoft offenbar direkte Verhandlungen mit dem CISPE - einer Interessensvertretung vor allem europäischer Cloud-Provider - aufgenommen. Das berichtet Reuters.
Bei der Auseinandersetzung geht es darum, wie Microsoft seine Produkte - vor allem Microsoft 365 - mit seinen Cloud-Services verzahnt und welche Lizenzierungsmöglichkeiten es anderen Cloud-Providern anbietet. Die Mitbewerber beklagen vor allem, dass sie aufgrund der Software-Lizenzen eigene SaaS-Diensten eigentlich nur teurer anbieten können, als Microsoft in der Azure-Cloud. Außerdem sehen sie den Wettbewerb dadurch behindert, dass Microsofts Software in anderen Clouds nicht immer reibungslos funktioniere.
Cloud-Wettbewerber fodern bessere Lizenzbedingungen
Grundsätzlich hat Microsoft aber natürlich in der Cloud -wie damals auch bei PCs - ein Interesse daran, dass seine Software so weit wie möglich verbreitet ist. Es wäre daher nicht das erste Mal, dass Microsoft sein Geschäftsgebaren aufgrund der Aktivtäten des CISPE anpasst. Bereits im Mai 2022 ging das Unternehmen auf europäische Cloud-Provider zu, Damals versprach es, dass es für sie unter anderem einfacher werden soll, in ihren Rechenzentren Microsofts Cloud-Angebote wie Office 365 (Microsoft 365) zu hosten und wollte Kunden in Europa mehr Flexibilität bei den Lizenzbedingungen einräumen. Zu Letzterem hatte es nicht nur Beschwerden der Cloud-Provider, sondern auch von Anwendervereinigungen gegeben.
Die versprochenen Anpassungen setzte Microsoft dann zum 1. Oktober 2022 um. Den CISPE-Mitgliedern gingen die aber nicht weit genug. Nach Auffassung der Interessensvertretung blieben Microsofts Lizenzierungspraktiken dennoch wettbewerbswidrig. Ein "Gschmäckle" hat die Kritik, weil dem CISPE neben europäischen Firmen wie Clever Cloud (Frankreich), Aruba, Deda Cloud und Serverplan (Italien), Gigas und Jotelulu (Spanien) oder Leaseweb auch AWS angehört, dessen Mutter Amazon in Bezug auf Wettbewerbsbehinderung nicht gerade ein Kind von Traurigkeit ist.
CISPE untermauerte Kritik an Microsoft mit Studie
Dennoch scheint die Kritik des CISPE begründet. Untermauert wurde sie im Februar 2023 durch eine in seinem Auftrag erstellte Studie der Frankfurt School of Finance und der ESMT Berlin. Darin kritisieren die beteiligten Ökonomen, dass Microsofts Praxis, Software und Cloud-Angebote zu bündeln, nachteilig für die Kunden sei. "Sogenannte Produktbündelungen sind unbedenklich, wenn daraus ein Zugewinn an Wohlfahrt für den Konsumenten erzielt wird. Unsere ökonomische Studie legt dar, dass dies bei Microsoft nicht gegeben ist", fasste Professor Dr. Markus Reisinger, Leiter des Economics Department der Frankfurt School of Finance das Ergebnis der von ihm mitverantworteten Studie damals zusammen.
Um eine langwierige Untersuchung durch die EU-Kommission zu verhindern beziehungsweise vorzeitig zu beenden müsste Microsoft dem CISPE jetzt weit und schnell entgegenkommen. "Wir sind für eine schnelle und effiziente Beseitigung des Problems. Wir müssen aber betonen, dass dies nur geht, wenn Microsoft seine unfairen Lizenzpraktiken beendet", erklärte dazu CISPE-Generalsekretär Francisco Mingorance. Man verlange in den Gesprächen schnelle und substantielle Zugeständnisse noch im ersten Quartal 2024.
Microsoft generell zum Einlenken bereit
Bei einer Einigung mit der CISPE könnte die EU-Kommission ihre Untersuchung einstellen. OVHcloud, der größte europäische Cloud-Infrastruktur-Provider, ist kein CISPE-Mitglied, hatte aber parallel bereits im Sommer 2021 eine Beschwerde bei den EU-Wettbewerbshütern eingelegt, wie im März 2022 bekannt wurde.
Rund ein Jahr später berichtete Bloomberg, dass Microsoft bereit sei, auf diese Beschwerde zu reagieren und sich offenbar nicht nur eine Einigung mit OVHcloud, sondern auch mit dem italienischen Unternehmen Aruba sowie mit dänischen Cloud-Providern abzeichne. Womöglich trachtete Microsoft, mit diesen Einzelabkommen die CISPE-Mitglieder zu spalten. Gelungen zu sein scheint ihm dies jedoch nicht.