Michael Dressen, Geschäftsführer bei Tech Data, sieht große Veränderungen im PC-Geschäft auf die Branche zukommen. Eine Schlüsselrolle wird dabei Windows 8 spielen, wie er im Interview mit ChannelPartner erläutert.
Herr Dressen, wie schätzen Sie die derzeitige Situation im PC-Markt ein?
Michael Dressen: Ich war im Juni auf der Computex in Taiwan. Spätestens seit dieser Messe ist mir klar, dass im Markt Umbrüche bevorstehen. Wir sehen die ersten Vorboten: Intel und AMD haben Gewinnwarnungen herausgegeben. Wir haben ein doppeltes Phänomen: Zum einen sind die Kunden zurückhaltend in Erwartung von Windows 8, doch das Entscheidende ist, dass eine Umwälzung Richtung Smartphone oder Tablets stattfindet. Dies beobachten wir zwar schon seit es das iPhone und das iPad gibt, doch nun wird es einen Kannibalisierungseffekt vom Notebook zum Windows 8 Tablet geben.
Meinen Sie damit den Einstieg von Microsoft ins Hardware-Geschäft mit Tablet-PCs?
Dressen: Ich war auf der Microsoft-Partnerveranstaltung in Toronto. Für mich war die interessanteste Botschaft, dass Microsoft dort nicht über Surface gesprochen hat. Es wurden nur Geräte von Herstellerpartnern gezeigt. Ich glaube, Microsoft hat einen halben Schritt zurück gemacht, weil es von den Hardware-Herstellern massive Proteste gegeben hat. Aus meiner Sicht ändert sich das Business-Modell von Microsoft. Microsoft hat in den letzten 20 Jahren mit der Trennung von Software und Hardware gut gelebt. Dieses Business-Modell wurde nun durch Apple und Google in Frage gestellt, die beide Software und Hardware zusammen anbieten. Würde Microsoft jetzt aber in großem Stil eigene Hardware anbieten, stünde die Allianz mit den PC-Herstellern in Frage. Das kann dazu führen, dass sich die Hardware-Fabrikanten abwenden. Ich habe auf der Computex mit einigen Herstellern gesprochen, die nun selbst proprietäre Software-Systeme entwickeln. Daher werden wir in den nächsten zwölf Monaten interessante Entwicklungen sehen. Microsoft ist an einem Punkt, an dem das alte Business-Modell nicht mehr so funktioniert. Die Frage ist nun, mit welcher Radikalität Microsoft dieses Modell in Frage stellt. Das ist allerdings auf dem Kongress nicht klar geworden. Wie das letztendlich aussieht, hängt stark davon ab, welcher Erfolg Microsoft zusammen mit den Herstellern mit Windows 8 haben wird. Haben sie damit keinen Erfolg, kann ich mir gut vorstellen, dass sie dann ein Modell wie bei Apple und Google umsetzen.
Welchen Effekt wird die Windows 8-Einführung denn haben?
Dressen: Noch verzichten die Kunden nicht auf einen PC, nur weil sie sich ein iPad kaufen. Das wird sich ändern, wenn Windows 8 auf den Markt kommt. Windows 8 ist eigentlich ein Tablet-Betriebssystem und wird einen Boom für Windows-Tablets auslösen. Das wird aber im Bereich der Windows-Desktops und Notebooks dazu führen, dass davon weniger verkauft werden. Für den Nutzer eines PCs ist Windows 8 kaum ein Fortschritt.
Dazu kommt noch, dass der aktuelle Maschinenpark da draußen für Windows 8 nicht ausgerichtet ist. Windows-8-taugliche Hardware wird nur langsam und in kleinen Stückzahlen verfügbar sein. Ich glaube aber, dass die Hardware-Hersteller dieses Problem nicht wirklich sehen wollen, auch deswegen, weil es noch zu viele Restbestände gibt. Das ist eine große Gefahr für den Channel. Wenn man sich jetzt mit Produkten eindeckt, die eigentlich nicht verkäuflich sind, dann wird es für alle Beteiligten sehr teuer werden.
Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für Ihr Geschäft?
Dressen: Die Konsequenz nicht nur für uns, sondern für den gesamten Handel ist, dass man bei der Bevorratung extrem vorsichtig sein sollte. Wir stehen deswegen seit ein paar Wochen auf der Bremse. Die Umsätze gehen im Moment ziemlich stark zurück. Wir haben glücklicherweise keinen gigantischen Lagerbestand aufgebaut. Nun kommen Hersteller und versprechen uns einen Boom der Produkte. Ich glaub das überhaupt nicht. Den Boom wird es vielleicht bei Windows-Tablet-Computern geben. Alles andere wird zurückgehen. Deshalb ist es mir wichtig, dass der Kanal weiß, wie wir das sehen. Die Distributoren tun sich derzeit schwer, sich zu orientieren. Das ist gefährlich für die ganze Branche. Derzeit sind wir mit Projektpreisen mit nicht einmal 0,5 Prozent Marge konfrontiert. Das ist alles andere als gesund. Das ist keine nachhaltige Strategie.
Rechnen Sie für mit einer Eintrübung des Deutschlandgeschäfts im kommenden Jahr?
Dressen: Bei PCs eindeutig ja, bei Servern und Software befürchte ich keinen Einbruch. Es ist natürlich schwer zu sagen, wie sich die ganze Euro-Krise weiter entwickelt. Wenn viele Länder konsolidieren müssen, wird es natürlich auch den Export in Deutschland treffen. Ich rechne mit einem eher flachen Verlauf für 2013.
Wie werden sich ihrer Ansicht nach die Preise entwickeln?
Dressen: Durch den verstärkten Einsatz von Tablets werden die Preise sinken. Man kann sich das zwar kaum vorstellen, weil heutzutage schon die Preise im Notebook-Bereich sehr niedrig sind. Dazu kommt, dass die hochpreisigeren Ultrabooks die Erwartungen enttäuscht haben. Doch das ist für mich keine Überraschung. Ultrabooks kosten 1.300, 1.400, 1.500 Euro, das sind die Kunden nicht bereit auszugeben. Das wird vielleicht nur für ein MacBook bezahlt, weil es Kult ist. Die Kunden warten jetzt auf Windows-Tablets, und die wird es für deutlich unter 300 Euro geben. Es würde mich auch nicht wundern, wenn wir bald einen Preispunkt von 199 Euro sehen. (awe)