Umstrittene Cloud-Technologie

Microsoft scheitert mit Patentklage vor dem BGH

16.12.2021 von Peter Marwan
Nach sieben Jahren hat der Bundesgerichtshof gegen Microsoft entschieden: Der Konzern wollte Patente für nichtig erklären lassen, die IT-Systemarchitekt Hardy Schloer im Jahr 2000 eingereicht hat. Damals wollte die geschützten Technologien keiner haben, heute sind sie für Cloud-Dienste möglicherweise unverzichtbar.
Im Patentstreit mit Microsoft ging die erste Runde an die Patentpool Group und deren Tochterfirma Zoe Life Technologies: Der US-Konzern scheiterte mit dem Versuch, ein europäisches Patent für nichtig erklären zu lassen.
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Microsoft konnte sich im Verfahren um ein europäisches Patent vor dem Bundesgerichtshof nicht durchsetzen. Die Entscheidung des BGH fiel bereits am 7. Oktober, das Urteil wurde jedoch erst kürzlich veröffentlicht. Die Patent- und Rechtsanwaltskanzlei Meyer-Dulheuer spricht von einem "großen Rechtsstreit", denn das umstrittene Patent (EP1126674) sei Basis für moderne Cloud- und Server-Technologie. Es geht dabei um die dynamische "Bereitstellung von Daten für einen Benutzer".

Mit einer Nichtigkeitsklage gegen die Zoe Life Technologies AG, ein Unternehmen der Patentpool Group, hatte Microsoft das Patent angezweifelt. Das Unternehmen reagierte damit auf Vorwürfe, es verletze genau dieses Patent, das beim Deutschen Patentamt unter der Nummer DE 600 31 088 geführt wird. Auf so einen Vorwurf mit einer sogenannten Nichtigkeitsklage zu reagieren, in der bezweifelt wird, ob ein Patent überhaupt schützenswerte Erfindungen umfasst und abdeckt, ist laut Kanzlei Meyer-Dulheuer durchaus üblich.

Nachvollziehbar ist es auch: Aus heutiger Sicht sind damit geschützte sichere Datenkommunikation sowie das serverseitige Erstellen von Webseiten alltägliche Vorgänge. Im Jahr 2000 waren sie es aber eben noch nicht. Das hat nun auch der Bundesgerichtshof so bestätigt: Die Nichtigkeitsklage wurde abgewiesen.

„Das Urteil ist auch ein Meilenstein in der Patentierung von Software", erklärt Heiner Pollert, CEO der Patentpool Group.
Foto: Patentpool Group

"Im nächsten Schritt geht es nun um die Höhe des Schadensersatzes - auf gerichtlichem oder außergerichtlichem Wege", sagt Heiner Pollert, CEO der Patentpool Group, in einer Pressemitteilung. "Hierbei können auf die Microsoft Deutschland GmbH Kosten in Millionenhöhe zukommen; zumal Ansprüche bis zu zehn Jahre rückwirkend geprüft werden können."

Seiner Ansicht nach ist das BGH-Urteil ist auch ein Meilenstein in der Patentierung von Software. Außerdem erklärt Pollert, dass derzeit rechtliche Schritte im Vereinigten Königreich geprüft werden, wo für die Technik ebenfalls ein Patent erteilt wurde. Auch für das Verfahren ist er zuversichtlich: "Es ist eine analoge Situation wie in Deutschland zu erwarten."

Allerdings ist in Deutschland noch längst nichts entschieden: Zwar scheiterte Microsoft mit dem Versuch, das Patent aus der Welt zu schaffen, ob es das Patent aber tatsächlich auch verletzt hat, muss ein anderes Gericht entscheiden. Dieses Verfahren liegt derzeit noch beim Landgericht München. Auf Nachfrage wollte Microsoft dazu - wie in solchen Fällen üblich - keine Auskunft geben. Schließlich handelt es sich um ein laufendes Verfahren.

Um zu verstehen, worum es in dem Streit genau geht, lohnt es sich, dessen Geschichte kurz wiederzugeben: Im Jahr 2000 wurden zwei Erfindungen des IT-Systemarchitekten Hardy Schloer als deutsche Patente angemeldet. 2006 wurden sie für Deutschland und Großbritannien erteilt. Die Patentpool Group sicherte sich die Patente und gründete zusammen mit Schloer und Kapital von Investoren die Ravenpack AG. Schloer war bei dem Unternehmen auch eine Zeit lang CEO. Ravenpack entwickelte eine eigene Anwendung für die patentierte Technologie und begann, die zu vermarkten. Genutzt wird sie von Ravenpack heute zum Beispiel in der Nachrichtenanalyse für die Finanzbranche.

Außerdem wurde sie laut Patentpool zuvor mehreren Unternehmen der IT-Branche angeboten, darunter auch Microsoft. "Wie so oft bei bahnbrechenden Innovationen haben die Verantwortlichen in den Chefetagen und Entwicklungsabteilungen der angesprochenen Firmen eine Kooperation abgelehnt. Dabei ging viel Know-how nach außen, was unvermeidbar ist, wenn man Technologien präsentiert. Vor Nachahmern schützt schließlich das Gatekeeper-Patent", teilt Patentpool mit.

Hardy Schloer, Mitgründer von Prisma Analytics, hat im Jahr 2000 Patente für die dynamische Bereitstellung von Daten für einen Benutzer angemeldet. Ob er damit das vorweg genommen hat, was heute bei vielen Angeboten für Cloud Computing zum Einsatz kommt, muss vor Gericht geklärt werden.
Foto: Patentpool Group

Ein sogenanntes Gatekeeper-Patent schützt im Wesentlichen die zentrale und unverzichtbare Komponente einer umfangreicheren Innovation. Der Erfinder erspart es sich dadurch, viele Einzelpatente auf Teilbereiche anzumelden, denn ohne seine geschützte, zentrale Komponente sind die für Nachahmer ohnehin wertlos. Das umstrittene Patent erstreckt sich laut Patentpool auf "eine bahnbrechende Basistechnologie, die verschiedene Konzepte des frühen Internets und des heutigen Cloud Computing erst möglich gemacht hat. Die Aspekte umfassen eine sichere Datenkommunikation sowie das serverseitige Erstellen von Webseiten."

Allerdings sei das Wissen darüber durch von Ravenpack abgewanderte Programmierer auch zu anderen Firmen durchgesickert. Das geschützte Know-how habe sich so verbreitet. Schloer und Pollert haben Ravenpack in Folge der Finanzkrise 2008, die das im Finanzumfeld tätige Unternehmen hart traf, verlassen. Sie gründeten 2016 mit Prisma Analytics ein auf Big-Data-Analyse spezialisiertes Unternehmen. Auch mit Prisma Analytics haben die beiden schon ein großes Unternehmen im Visier: Google.

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