"Azure Stack ist die einzige konsistente Hybrid-Cloud-Plattform", behauptet Natalia Mackevicius, Director Program Management Azure Stack. Die Managerin macht damit deutlich, wie Microsoft das neue Cloud-Angebot positioniert wissen will. Kunden müssten in Sachen Cloud-Nutzung nicht das Rad neu erfinden, sondern könnten mit Azure Stack die gleichen Entwicklungs-, Verwaltungs- und Security-Tools nutzen, die sie schon von der Azure Public Cloud gewohnt seien.
Schon im Juli hatte Microsoft auf seiner Partnerkonferenz Ignite die allgemeine Verfügbarkeit von Azure Stack bekanntgegeben, seit September werden die ersten "Integrated Systems" mit der eingebauten Cloud ausgeliefert. Andre Kiehne, Leiter Specialist Sales Team und Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland, bringt die strategische Stoßrichtung auf den Punkt: Azure Stack biete Unternehmen "eine Möglichkeit, die Cloud in ihre Rechenzentren zu holen". Darüber hinaus gestalte sich die Migration eines RZs in die Cloud, wie sie immer mehr Organisationen anstreben, damit wesentlich einfacher.
Die Vorteile der Private-Cloud-Plattform sind laut Microsoft vielfältig. So soll Azure Stack Nutzern das gleiche Look and Feel bieten wie die Azure Public Cloud. Unternehmen können Private- und Public-Cloud-Ressourcen der Azure-Familie über eine gemeinsame Management-Konsole verwalten. Workloads sollen sich je nach Bedarf zwischen beiden Cloud-Sphären hin und her bewegen lassen, lautet ein weiteres Versprechen. Azure Stack stellt dabei sowohl Infrastruktur- (IaaS) als auch Plattformdienste (PaaS) zur Verfügung. Vereinfacht ausgedrückt, macht die Plattform die komplette Azure-Technik im lokalen Rechenzentrum verfügbar.
Unternehmen müssten damit kein zusätzliches Know-how für ihre interne Cloud aufbauen, argumentiert Azure-Managerin Mackevicius. Vor allem kleinere und mittelgroße Unternehmen würden von zwei verschiedenen Kaufoptionen profitieren. Sie könnten Azure Stack entweder als schlüsselfertige Lösung in Form eines Integrated System von einem Hardwarepartner beziehen. Oder sie nutzten den Stack als vollständig gemanagten Service von einem Dienstleister. In diesem Fall übernimmt ein Managed Service Provider (MSP) wie etwa Avanade den Betrieb und die Verwaltung der Plattform.
Damit erweitere sich die Partnerbasis für das Cloud-Angebot beträchtlich, erklären die Microsoft-Verantwortlichen. Neben zahlreichen Independent Software Vendors (ISVs) kämen auch klassische Systemintegratoren und Service-Provider ins Boot. Auch die Anzahl der Hardwarepartner hat der Cloud-Provider vergrößert. Standen anfangs nur Dell EMC, HPE und Lenovo als Lieferanten der Integrated Systems auf der Liste, hat inzwischen auch Cisco ein entsprechendes Angebot im Portfolio. Im ersten Quartal wird der chinesische Huawei-Konzern hinzukommen. Speziell für den deutschen Markt hat Microsoft zudem eine Partnerschaft mit der Wortmann AG geschlossen.
Wer von Azure Stack profitieren soll
Profitieren sollen von Azure Stack beispielsweise Unternehmen in stark regulierten Branchen wie Finanzen oder Gesundheit, aber auch Organisationen, die Daten an entfernten Standorten vorhalten und auswerten müssen. Der Ölfeld-Ausrüster Schlumberger etwa nutzt den Stack auf Schiffen, wo Daten lokal verarbeitet und nur die Ergebnisse in die Public Cloud transferiert werden. Microsoft hat darüber hinaus auch Nutzer im Visier, die Anwendungen on-premise mit Hilfe von Cloud-Technologien modernisieren wollen.
Im ersten Fall könnten etwa Finanzdienstleister nur einen Teil ihrer Daten in die Public Cloud verlagern und sensible Informationen im Haus behalten. Verarbeitet würden die Daten von der gleichen Anwendung, die sowohl in der Public- als auch in der Private-Cloud verfügbar ist.
"Wir sehen Azure Stack nicht als Private-Cloud-Ersatz, sondern als Erweiterung von Azure", erklärt Jürgen Dick, Business Lead Azure & Hybrid Cloud bei Microsoft Deutschland, im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE: "Private Cloud bedeutet ja, ich baue mir meine eigene Cloud. Die bleibt dann oft auf der Ebene von Infrastructure as a Service stehen. Unser strategischer Fokus liegt auf der Public Cloud mit dem kompletten Azure-Portfolio mit Infrastruktur- und Plattform-Diensten." Hier habe man einen sehr hohen Automatisierungsgrad erreicht. Microsoft habe aber auch gelernt: "Es gibt Kunden, die das Azure-Konzept richtig gut finden, aber trotzdem nicht alle Workloads in der Cloud betreiben wollen, beispielsweise aus Compliance-Gründen." Sie legten Wert darauf, bestimmte interne Anwendungen über die gleichen Prozesse und Verfahren wie in der Public Cloud Azure bereitzustellen. Der typische Azure Stack-Kunde nutze also bereits Azure-Services.
Anwendungsmodernisierung und Data Center Transformation
Dessen ungeachtet gibt es nach den Erfahrungen des Microsoft-Managers etliche Unternehmen, die zwar von der Cloud-Idee überzeugt sind, aber noch nie mit Public-Cloud-Services gearbeitet haben. Diese Gruppe interessiere sich dafür, Cloud-Konzepte intern für neue Applikationen nutzen, damit diese von Anfang an "Cloud-ready" sind. Dahinter stehe häufig die Überlegung, dass sich solche Anwendungen später ohne großen Aufwand in die Public Cloud transferieren lassen.
Das Thema Anwendungsmodernisierung gewinnt in diesem Kontext an Bedeutung. Viele Unternehmen wollen dafür fortgeschrittene Technologien und Tools nutzen, die in der Cloud als einfach beziehbare Services zur Verfügung stehen. Dazu gehören beispielsweise Container Services, Serverless Computing oder Dienste rund um die Entwicklung von Microservices. Microsoft jedenfalls verspricht, eine Vielzahl von Azure-PaaS-Services auch on premise verfügbar zu machen
Ein anderes aufkommendes Anwendungsfeld für Azure Stack heißt Data Center Transformation. Dick berichtet von einem Kunden, der mit nur einer Anwendung in Microsoft Azure angefangen habe. Daraufhin seien so viele Mitarbeiter auf die Cloud-Vorzüge aufmerksam geworden, dass das Unternehmen heute mit Microsoft über die komplette Transformation der Rechenzentrumslandschaft rede. Nach Dicks Erfahrung gibt es immer mehr Organisationen, die sich mit derartigen Transformationsprojekten beschäftigen. Marktforscher wie Gartner und Forrester bestätigen diesen Trend (siehe dazu auch: Kernanwendungen wandern in die Public Cloud).
Einige Unternehmen wollen IT-Dienste mithilfe der Cloud schneller zur Verfügung stellen, um besser auf neue Business-Anforderungen reagieren zu können. Anderen geht es eher um Flexibilität. Nicht wenige Konzerne etwa haben einen Großteil ihrer IT ausgelagert und versuchen nun, über ein Cloud-Engagement flexibler zu werden. Typischerweise laufen solche Outsourcing-Verträge über fünf Jahre oder länger. "Alles was über die vertraglich festgelegten Leistungen hinausgeht, kostet viel Geld", beobachtet Dick. "Wir als Microsoft arbeiten hier beispielsweise mit den Outsourcing-Dienstleistern zusammen, um deren Angebote für den Kunden flexibler zu machen."
Im Rahmen groß angelegter Transformationsprozesse stellen Unternehmen nicht selten die komplette IT auf den Prüfstand: Mainframes, dezentrale Systeme und die zugehörigen Anwendungen. Dabei steht auch die Organisationsstruktur zur Disposition. Eine wichtige Frage dabei lautet für Dick: "Wie schaffe ich es, durch die Cloud schneller und flexibler zu werden und dabei meine Belegschaft mitzunehmen?" Dabei gehe es gerade nicht, wie häufig kolportiert, um Stellenstreichungen in der IT. Vielmehr könnten Unternehmen auf diesem Weg der latenten Personalknappheit in der IT entgegenwirken. "Die IT kommt ja in den Fachabteilungen oft gar nicht mehr richtig an, weil sie als langsam und unflexibel wahrgenommen wird", so der Manager. "Da wird dann schon mal auf eigene Faust ein Cloud-Service eingekauft." In Cloud-Transformationsprojekten helfe Microsoft mit Azure und Azure Stack dabei, neben der reinen Technik auch die Restrukturierung von Unternehmen zu begleiten. IT-Mitarbeiter müssten künftig in der Lage sein, den Fachabteilungen einen echten Mehrwert zu bieten.
Azure Stack in der Praxis: die Technik ist das kleinste Problem
Wo die Stolpersteine auf dem Weg in die Cloud liegen, erläuterten erste Azure-Stack-Nutzer auf einer Kunden- und Partnerveranstaltung von Microsoft. "Der Sprung von der klassischen IT in die Cloud ist eine Herausforderung", berichtete Ercan Yapalak, Head of IT Services bei Zehnder, einem Hersteller von Heizungs- und Klimatisierungssystemen. Dabei sei die Technik oft das geringste Problem. Vielmehr gelte es, organisatorische und kulturelle Hürden zu nehmen. Nach den ersten Schritten in die Cloud mit Office 365 und der Azure Public Cloud arbeitet Zehnder derzeit daran, IT-Infrastruktur-Services über die Cloud zu zentralisieren. Für den Azure Stack im eigenen Haus hätten unter anderem Compliance-Gründe gesprochen.
Ähnliche Motive nennt Volkswagen Financial Services. Der Finanzdienstleister liefert beispielsweise auch IT-Services für die Volkswagen Bank. "Vor diesem Hintergrund spielt das Thema Compliance für uns eine zentrale Rolle", erläuterte System Analyst Steffen Seifert. Auch mit Blick auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) denke man darüber nach, bestimmte Anwendungen on premise auf dem Azure Stack und nicht in der Public Cloud zu betreiben.
Seiferts Pläne gehen noch weiter. Er möchte teure Eigenentwicklungen nach und nach durch Azure-Services ersetzen und sich damit immer weiter in die Cloud bewegen: "Wir wollen weg von der klassischen Virtualisierung und hin zu PaaS-Diensten." Die hergebrachte organisatorische Aufstellung nach Servern, Storage und Netzwerk sei dabei eher hinderlich. Im Cloud-Zeitalter gelte es, solche Strukturen aufzubrechen und in bereichsübergreifenden Teams zusammenzuarbeiten.