TecChannel-Studie

Microsoft-Kunden hadern mit neuer Strategie

17.07.2014 von Wolfgang Herrmann
Microsofts neue Leitstrategie „Mobile First - Cloud First“ geht an den Anforderungen vieler Unternehmenskunden vorbei. Das belegt eine Umfrage unter deutschen Business- und IT-Entscheidern, die die CP-Schwesterpublikation TecChannel mit den Beratungshäusern Techconsult und Avispador organisiert hat.

Die Vielzahl an neuen Produkten, Lizenz- und Nutzungsmodellen überfordert einen Großteil der professionellen Anwender, das ist ein zentrales Ergebnis der Studie. So sieht eine Mehrheit der Unternehmen Microsoft zwar grundsätzlich auf dem richtigen Weg, um als Anbieter zukünftig relevant zu sein. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Ausrichtung auf mobile Plattformen und Cloud Computing auch den Anforderungen der Kunden entspricht. Mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer verneint dies. Schlimmer noch: Zwei Drittel der Befragten gehen nicht davon aus, dass die neue Strategie der Konzernführung um CEO Satya Nadella ihre Investitionen in Microsoft-Lösungen sichert (siehe Grafik).

Ernüchternd: Zwei Drittel der Befragten glauben nicht, dass Microsofts neue Strategie Ihre Investitionen in Microsoft-Produkte sichert.

Im Rahmen des "Microsoft Business Checkup 2014" wollte die TecChannel-Redaktion herausfinden, was die neue Strategie für Unternehmen bedeutet und wie sie mit dem immer komplexeren Thema Lizenzierung und Software-Nutzungsverträge umgehen. Gemeinsam mit Techconsult und Avispador, die den herstellerunabhängigen Service MSFTbriefing herausgeben, entwickelte die Redaktion dazu eine Online-Erhebung. Unter den 478 Umfrageteilnehmern aus Unternehmen verschiedener Größenklassen finden sich IT-Entscheider und Administratoren ebenso wie Business-Entscheider, Geschäftsführer und Spezialisten aus Fachabteilungen.

Schon seit längerem entwickelt sich Microsoft weg vom klassischen Softwareanbieter und hin zum breiter aufgestellten IT-Konzern, der auch mobile Endgeräte, integrierte Systeme aus Hardware und Software und eine ganze Palette an Cloud-Diensten offeriert. Dafür steht der Leitgedanke "Mobile First - Cloud First". Insbesondere bezüglich der Cloud-Initiativen der Windows-Company geben sich indes viele Kunden skeptisch. Nur 49 Prozent der befragten Microsoft-Kunden stimmen der Aussage zu: "Die Fokussierung auf Cloud Computing Services ist aus unserer Sicht richtig und wichtig." Besser sieht es beim Thema Mobile aus. 67 Prozent der Befragten halten die Ausrichtung von Microsoft-Lösungen auf mobile Plattformen für richtig.

Unternehmen gehen den Microsoft-Weg nicht mit

Die Analyse zeige, "dass viele Unternehmen in Deutschland momentan diesen Weg nicht mitgehen wollen - oder können", kommentiert Avispador-Geschäftsführer Axel Oppermann. "Gleichzeitig können - oder wollen - die Unternehmen Microsoft nicht den Rücken kehren." Zu groß sei noch die Abhängigkeit im Bereich Office-Produktivitätslösungen oder Client-Betriebssysteme.

Knapp 9 Prozent der Cloud-Ausgaben in Unternehmen entfallen derzeit auf Microsoft-Services.

Die Zurückhaltung beim Thema Cloud ist auch an den Ausgaben für Software- und Serviceprodukte ablesbar. Zwar liegt der Microsoft-Anteil an den gesamten Ausgaben für Software den Befragten zufolge bei gut einem Drittel. Der Ausgabenanteil für Cloud-Services fällt hingegen mit 8,5 Prozent mager aus. Allerdings soll der Wert in 12 bis 18 Monaten auf 12 Prozent steigen. Oppermann sieht darin denn auch eine gute Nachricht für den Softwarekonzern: "Microsoft gewinnt in einem wachsenden Segment Marktanteile." (Weitere Einschätzungen des Anlaysten sehen Sie im Video.)

Zum Video: Microsoft-Kunden hadern mit neuer Strategie

Weniger als ein Drittel der Befragten sehen in der engeren Verzahnung von Microsoft-Produkten einen Vorteil für sich.

In diesem Kontext ist die immer engere Verzahnung der Microsoft-Produkte für die Nutzer ein zweischneidiges Schwert. Gemeint ist damit, dass sich bestimmte Funktionen nur in Kombination mit anderen Produkten und insbesondere mit anderen Cloud-Services nutzen lassen. Einerseits glauben 70 Prozent der Befragten, dass sich damit die Produktivität verbessert. Andererseits fürchten 90 Prozent eine größere Abhängigkeit von Microsoft-Produkten und Services. Der Aussage, die Verzahnung sei vorteilhaft, weil sie der eigenen Strategie entspreche, verstärkt auf Cloud-Services zu setzen, mag nicht einmal ein Drittel der Umfrageteilnehmer zustimmen.

Office 2010 und Windows 7 am häufigsten im Einsatz

Nur 3 Prozent der Unternehmen nutzen aktuell Cloud-Dienste aus dem Azure-Portfolio.

Dazu passt der noch relativ niedrige Einsatzgrad von Microsofts Cloud-Produkten. Die Cloud-fähige Suite Office 365 nutzen derzeit nur zehn Prozent der Befragten, weitere 4 Prozent setzen auf Office 365 ProPlus. Das am häufigsten genutzte Office-Paket heißt Office 2010. Immerhin wollen künftig 13 Prozent Office 365 und 11 Prozent die ProPlus-Variante einsetzen. Das Betriebssystem der Wahl ist für 92 Prozent Windows 7. Nur 35 Prozent nutzen Windows 8 oder 8.x. Dieser Wert soll künftig auf 44 Prozent steigen. IT-Infrastruktur-Services aus Microsofts Cloud-Portfolio "Azure" sind dagegen erst bei drei Prozent der Befragten im Einsatz. Immerhin wollen künftig acht Prozent solche Dienste nutzen (siehe Grafik).

Microsofts Update-Zyklen überfordern die Anwender

Dass Microsoft in Sachen Strategie und Produkte noch viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit leisten muss, belegen weitere Ergebnisse der Umfrage, beispielsweise zu den verkürzten Update-Zyklen für Office 365 und Azure. Der Aussage "Die Update und Service-Politik von Microsoft trifft unsere Anforderungen und passt genau zu unserer Strategie" mögen 68 Prozent nicht folgen. Ebenso viele sind sogar der Meinung, der Anbieter überfordere sie mit den schnellen Updates und sie könnten das Tempo nicht mitgehen. Eine Mehrheit von 70 Prozent konzediert darüber hinaus, "keinen umfassenden Überblick über Neuerungen und Entwicklungen bei den jeweiligen Produkten" zu haben.

Die große Mehrheit der Befragten fühlt sich durch die schnellen Microsoft-Updates überfordert.

"Die Planungssicherheit für Unternehmen ist gering", urteilt Experte Oppermann. "Auch wenn Microsoft für einzelne Produkte seit Neuestem Roadmaps veröffentlicht, ist die Kenntnis der Entscheider über die Entwicklung zentraler Produkte oder Funktionen mangelhaft." Er sieht darin ein großes Problem für die Anwender - aber auch für Microsoft.

Ist Microsoft ein fairer Lieferant?

Nichtsdestotrotz ist Microsoft für 85 Prozent der befragten Kunden ein strategischer Lieferant. Etwas weniger (75 Prozent) halten den Konzern auch für einen fairen Zulieferer. Der Aussage "Die Lösungen und Services von Microsoft haben ein gutes Preis-Leistungsverhältnis" stimmen allerdings nur 53 Prozent zu.

Für die meisten Unternehmen ist Microsoft ein strategischer Lieferant. Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis attestiert nur gut die Hälfte den Produkten der Windows-Company.

Wie groß die Abhängigkeit vieler Unternehmen von Microsoft ist, zeigen auch die Angaben zur Ersetzbarkeit einschlägiger Produkte durch Lösungen anderer Anbieter. Die große Mehrheit etwa gibt an, Windows als Client-Betriebssystem sei nur schwer durch ein alternatives System abzulösen. Ähnlich stellt sich die Situation bei den Windows-Server-Produkten dar. Dementsprechend bezeichnen die meisten Umfrageteilnehmer einen Systemwechsel in diesen Kategorien als unwahrscheinlich. Etwas einfacher schätzen die Befragten einen Wechsel der Office-Produktivitätslösungen ein. Für mehr als 70 Prozent ist ein Umstieg aber dennoch unwahrscheinlich.

Microsoft-Lizenzen: Kunden fehlt der Durchblick

Großen Informationsbedarf gibt es unter Microsofts Kunden offenbar auch beim Thema Lizenzen und Software-Nutzungsverträge. Neben dem Einzelhandelspaket (Full Packaged Product) kennen etwa nur 60 Prozent die Angebote Open-Value, Open-Value-Subscription und Open-License. Das "Enterprise-Subscription-Agreement (EAS)" ist lediglich 42 Prozent bekannt; von der relativ jungen Option "Server & Cloud Enrollment (SCE)" hat bis dato nicht einmal ein Viertel der Befragten gehört.

42 Prozent der Umfrageteilnehmer rechnen damit, dass der Zeitaufwand für die Beschaffung und Lizenzierung von Microsoft-Produkten künftig steigen wird. Für Oppermann hängt dies auch "mit einer wahrgenommenen Steigerung der Komplexität der Service- und Lizenzbestimmungen sowie fehlender strategischer Herangehensweise" zusammen. Gleichwohl kann derzeit weniger als die Hälfte (48 Prozent) der Befragten für Beschaffung und Lizenzierung auf spezialisierte Mitarbeiter zurückgreifen.

Eine Mehrheit von 58 Prozent der Microsoft-Kunden unterhält einen Volumenlizenzvertrag, 8 Prozent verzichten darauf und haben nur einzelne Produkte unter Wartung ("Software Assurance"). Auffällig hoch ist mit 28 Prozent die Zahl derer, die zwar Microsoft-Produkte nutzen, aber keinerlei Systeme unter Wartung haben. 18 Prozent kaufen ohnehin nur vereinzelt Microsoft-Produkte (siehe Grafik).

Mehr als die Hälfte der Microsoft-Kunden hat einen Volumenlizenzvertrag abgeschlossen.

Den sogenannten Premier Support, mit dem Microsoft ein eigenes Support-Angebot bewirbt, nutzen lediglich 12 Prozent, 44 Prozent kennen ihn gar nicht. Immerhin halten diejenigen, die den Dienst nutzen, ihn auch für leistungsfähig. Knapp die Hälfte dieser Nutzer bezieht deshalb weniger Support-Dienste von Microsoft-Partnern.

Beschaffung von Microsoft-Produkten ist Chefsache

Die Beschaffung von Microsoft-Produkten ist in den meisten Unternehmen Chefsache. In die finale Kaufentscheidung sind die IT-Abteilung mit 87 Prozent und die Geschäftsführung mit 81 Prozent am stärksten eingebunden. Fachabteilungen spielen dabei in 36 Prozent eine wichtige Rolle.

Trotz oder gerade wegen der häufig unzureichenden Kenntnisse in Sachen Softwareprodukte und -lizenzen nehmen die Umfrageteilnehmer das Thema Software-Inventarisierung (Software Asset Management) offenbar ernst. 63 Prozent geben an, die in ihrem Unternehmen eingesetzte Software und vorhandene Lizenzen systematisch zu erfassen und zu inventarisieren. Mehr als 60 Prozent setzen dazu ein Tool für das Software Asset Management ein. (wh)

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