AR-Brille

Microsoft Hololens ausprobiert

20.05.2015 von Panagiotis Kolokythas
Die Kollegen der PC-Welt durften auf der BUILD 2015 als eine der ersten deutschen Websites Microsoft Hololens ausprobieren. Hier der Erfahrungsbericht von PC-Welt-Redakteur Panagiotis Kolokythas.
Microsoft Hololens: Neue Demos auf der Build 2015
Foto: Microsoft

Microsoft hat ausgewählten Journalisten auf der Entwicklermesse //build/ 2015 in San Francisco die Möglichkeit gegeben, endlich mal selbst die AR-Brille Hololens auszuprobieren, nachdem bisher nur Demos gezeigt wurden. Wir waren mit dabei und gehören somit zu den erst wenigen deutschen IT-Websites, die Hololens bereits selbst anfassen und ausprobieren durften.

Live-Präsentation unter strengen Sicherheitsauflagen

Dazu mussten wir zunächst den BUILD-Veranstaltungsort (das Moscone Center) verlassen und wurden zu einem nahe gelegenen Luxus-Hotel gebracht. Dort hatte das Hololens-Team gleich mehrere Etagen angemietet. Inklusive Sicherheitsleuten, denn Microsoft schützt alles, was mit Hololens zu tun hat, derzeit noch mit großem Sicherheitsaufwand.

Microsoft Hololens
Microsoft Hololens
Microsoft Hololens
Microsoft Hololens
Microsoft Hololens

Beim Betreten der ersten Hololens-Etage - dem Empfang der Hololens-Gäste - durften wir zunächst Hololens in einer Glasvitrine fotografieren. Anschließend mussten wir aber alle elektronischen Geräte in einem Schließfach verstauen. Fotografieren und Filmen war ab diesem Zeitpunkt streng verboten. Von nun an begleitete uns auch ständig eine so genannte Hololens-Botschafterin.

Kurze Einweisung und Abmessung

Es folgte die kurze Einweisung in der Nutzung von Hololens. Dabei wurden wird darüber aufgeklärt, dass sich Hololens auf drei Arten steuern lässt: Per Blick, Gesten und Sprache. Die Hololens-Kameras registrieren, wohin man blickt und es erscheint immer ein heller Punkt an der Stelle, wo die beiden Augen aktuell hinsehen.

Die wichtigste Gestenbewegung wurde uns dabei auch gleich beigebracht. Den Arm mit gekrümmten Ellenbogen knapp 18 Zentimeter vom Körper weghalten, die Hand zu einer Faust ballen, den Daumen und Zeigefinger zu einem „L“ ausstrecken und dann den Zeigefinger schnell zum Daumen führen. Damit bestätigt der Hololens-Nutzer Befehle in der AR-Welt. Das ist also quasi der Linksklick in der Hololens-Welt.

Vor der ersten Nutzung von Hololens wurde dann noch der Abstand unserer Pupillen vermessen. 67,5 spuckte das Messgerät aus. Der Wert wurde kurze später zur Justierung unserer Hololens verwendet. Nebenbei erfuhren wird, dass Hololens keinerlei Probleme mit Brillen hat und Brillenträger ihr Nasenfahrrad bei der Nutzung von Hololens also auflassen dürfen. Wir tragen keine Brille, also ist uns das eh egal.

Nach der Einweisung ging es per Fahrstuhl in die nächste Etage. Vor jeder Hoteltür standen hier Hololens-Mitarbeiter, die jeden Teilnehmer der kleinen Gruppe in Empfang nahmen und in das Hotelzimmer brachten. Auffällig: Auch auf dieser Etage hatte Microsoft mehrere bullige Sicherheitsleute postiert, die das Geschehen mit wachsamen aber auch freundlichen Augen verfolgten.

Später hakten wir dann doch noch mal nach, warum so ein Sicherheitsaufwand betrieben wird. Hat Microsoft Angst vor der Konkurrenz oder das ein Journalist mit einer Hololens durchbrennt? Als Antwort erhielten wir nur ein Lächeln von unserer Hololens-Botschafterin. Das gehöre zu den Fragen, die nicht beantwortet werden. Ebenso wie die Fragen, wann genau Hololens erscheint (offizielle Aussage: "im Zeitfenster von Windows 10"), wie groß das Hololens-Team ist und wie genau das technische Innenleben der Hololens aussieht.

Zum Video: Microsoft Hololens ausprobiert

Die Hololens-Demo kann beginnen

Im Hotelzimmer dürfen wird nun zum ersten Mal die Hololens selbst aufsetzen. Sie ist erstaunlich leicht! Hololens besteht aus einem angenehm gepolsterten Kopfhalteband, das sich per Drehschalter an die Größe des Kopfes anpassen lässt.

Auf der Oberseite des Geräts befindet sich der Visor, der vor die Augen geklappt wird. Der Ausschnitt, in dem Hololens die AR-Inhalte einblendet, ist nicht allzu groß, wird sich aber später als durchaus üppig und ausreichend erweisen. Der Visor selbst verdunkelt die Sicht nicht, so dass man jederzeit sieht, was in der realen Welt Drumherum passiert. Beim Aktivieren der Hololens werden ein Windows-Logo und ein Rechteck angezeigt. Die Hololens ist kalibriert, sobald sich das Windows-Logo exakt in der Mitte des Rechtecks befindet.

In unserem Hololens-Demo-Hotelzimmer hatte Microsoft einen Rechner aufgebaut und links daneben ein aus Pappe gefertigtes 3D-Modell mit kleinen Gebäuden und in der Mitte einer großen Lücke. Auf dem Rechner war eine Architektur-Software installiert. In dem geöffneten Fenster sahen wir bereits ein großes Gebäude auf dem Bildschirm.

Der Hololens-Mitarbeiter erklärte uns, dass ein Architekt das Gebäude, das in die Mitte des 3D-Modells soll, in der Software entwerfen könne, aber ihm dort der Eindruck fehle, wie sich das Gebäude in der Nachbarschaft einfüge. Klar, könne er bei jeder kleinen Veränderung ein neues Modell basteln, um es ins 3D-Modell einzusetzen, aber das koste Zeit und Geld.

"Schauen Sie mal nach links auf das 3D-Modell", wies uns der Microsoft-Mitarbeiter an. Wir blickten mit aufgesetzter Hololens nach links und da war es: Das in der Software gezeichnete Gebäude konnten wir nun im 3D-Modell im AR-Bildschirm-Bereich der Hololens sehen. So als hätte jemand aus Holz das Gebäude geschnitzt und es in die eben noch leere Mitte des realen Modells gesetzt. Der Übergang vom AR-Bildschirm zum durchsichtigen Ausschnitt des Visors ist absolut fließend.

"Das Gebäude ist noch nicht perfekt, machen Sie doch mal einfach das Dach höher", forderte uns der Hololens-Mitarbeiter an. "Und wie?", fragten wir zurück. Er erklärte uns, den Mauszeiger vom Monitor nach links in Richtung des realen 3D-Modells zu ziehen. Mit aufgesetzter Hololens konnten wir nun nicht nur im 3D-Modell das hinein gezeichnete Gebäude sehen, sondern auch den Mauszeiger. Per Klick markierten wir das Dach und zogen es dann mit gedrückt gehaltener linker Maustaste nach oben. Fertig waren zwei, drei zusätzliche Etagen des Gebäudes.

Als nächstes wurden wir aufgefordert, auf den Boden des 3D-Modells zu schauen und mit der Maustaste an irgendeine Stelle zu klicken. Hololens blendete daraufhin einen blauen Marker mit einem Männchen ein - Streetview lässt grüßen, denken wir noch und tatsächlich - nach einem weiteren Klick stehen wir dank Hololens auf einer Straße und blicken auf das eben noch höher gezogene Gebäude. Wir können uns nun auf der Straße bewegen und das Gebäude von allen Seiten betrachten. Krass.

Aber es geht noch weiter. Wir werden in einen kleinen Nebenraum des Hotelzimmers geführt. Mit Hololens sehen wir nun ein Teil des Inneren eines Gebäudes. Als wir in eine Richtung der eigentlich leeren Hotelzimmerwand blicken, begrüßt uns aufgrund der aufgesetzten Hololens eine Polygon-Person. Es ist der Architekt, der uns auf ein Problem hinweisen möchte. Per Daumen-Zeigefinger-Geste hören wir über Lautsprecher an der Hololens die vom Architekten hinterlassene Nachricht. Ein Pfeiler sei falsch und müsse umgesetzt werden. Wir blicken in die Richtung, in der der Polygon-Architekt nun zeigt und der betreffende Pfeiler blinkt rot auf. Anschließend wird der Pfeiler an die Position gesetzt, die der Architekt empfiehlt. Ob wir damit einverstanden seien, fragt der Architekt. Wir bejahen dies mit einer Daumen-Zeigerfinger-Geste.

Nun sind wir dran. Über Hololens betrachten wir erneut den ganzen virtuellen Raum, in dem wir den Kopf drehen und uns dabei etwas bewegen. Uns fällt ein falsch positioniertes Rohr auf. Wir markieren es mit der Daumen-Zeigefinger-Geste. Es leuchtet blau auf. Wir können nun über das in Hololens eingebaute Mikrofon eine Sprachnachricht verfassen, in der wir den Architekten auffordern, das Rohr an einer anderen Stelle zu verlegen. Sobald der Architekt mit Hololens den virtuellen Raum das nächste Mal betritt, wird er sofort unsere Sprachnachricht mit dem blau markierten Rohr vorfinden.

Die Demo ist beendet. Schade. So schnell können 10 Minuten vergehen...

Zweite Demo: Hololens trifft auf Skype und Minecraft

Als Zugabe und kleine Entschädigung – wir mussten zu Beginn etwas länger als geplant auf den Start der ersten Demo warten - erhielten wir noch eine zweite Hololens-Demo, die allerdings zwei Hololens-Entwickler selbst vorführten. Der eine Mitarbeiter verschwand hinter einer Tür in ein anderes Zimmer. Der zweite Entwickler setzte die Hololens auf. Über Monitore konnten wir verfolgen, wie der eine Mitarbeiter mit aufgesetzter Hololens-Brille seine Umgebung sieht, während er über eine Hololens-Skype-Version mit seinem Kollegen ein Video-Gespräch führt.

In der Mitte des Raums blendet Hololens zunächst eine virtuelle, interaktive Wand mit den Gesichtern verschiedener Skype-Kontakte ein. Per Daumen-Zeigefinger-Geste wählt der Hololens-Träger das Gesicht seines Kollegen aus und startet damit das Video-Gespräch. Es öffnet sich im realen Raum wieder ein neues, großes virtuelles Fenster, in dem der Kollege zu sehen ist. Das Fenster kann beliebig vergrößert und verkleinert werden. Als das Fenster auf einen realen Tisch gezogen wird, der im Zimmer steht, reagiert das virtuelle Fenster sofort, erkennt also eine feste Oberfläche und legt sich dort ab. Der Hololens-Träger geht um das Video-Player-Fenster herum und demonstriert damit, dass es sich um ein echtes 3D-Objekt handelt. Auf der Rückseite des Video-Player-Fensters prangt ein großes Skype-Logo.

Die beiden Mitarbeiter reden miteinander über Skype und als erstes wird demonstriert, dass der in der Ferne sitzende Gesprächspartner in den Raum des Hololens-Trägers Informationen einblenden kann. Wie beispielsweise einen Pfeil, wo doch demnächst eine Vase stehen könnte.

Als nächstes zeigt der Gesprächspartner dem Hololens-Träger, was er neulich in Minecraft mit vielen, vielen Klötzchen nachgebaut hat. Den in Seattle stehenden Space Needle. Einen Mausklick später steht das Klötzchengebäude als Modell im Zimmer des Hololens-Trägers. Er kann es nun mit Gesten verkleinern oder vergrößern. Schließlich stellt er es als Trophäe auf einem real im Zimmer stehenden Schrank. Auch hier erkennt das virtuelle Objekt den realen Boden des Schranks und lässt sich physikalisch korrekt dort ablegen.

Auch diese Demo ist beendet. Diese Demo hat gezeigt, wie Konsumenten in ihren eigenen vier Wänden Hololens einsetzen können. Beispielsweise zum Zweck der Unterhaltung oder um gemeinsam kreativ zu werden.

Fazit: Wir sind von Hololens äußerst positiv überrascht

Bisher hatten wir von Hololens nur einige Demos gesehen. Zuerst, bei der Erstvorstellung von Hololens im Januar und zuletzt bei der Eröffnungs-Keynote zur BUILD 2015. Jetzt haben wir Hololens selbst ausprobiert und sind verblüfft, wie gut Hololens bereits jetzt funktioniert und welche neuen Möglichkeiten die Technologie bietet. Und vor allem, wie flüssig sich die AR-Inhalte in die reale Welt einfügen und wie schnell Hololens auf unsere Blickrichtung, Kopf- und Körperbewegungen reagiert. Da ist keinerlei nennenswerte Latenz zu verzeichnen.

Und: Die gesamte Demo lief innerhalb von Hololens und damit vollständig in der AR-Brille. Es stand also nirgends ein Rechner, der Daten an die Brille sendete. Hololens ist ein ungebundender ("untethered") holografischer Computer, hatte Microsoft bisher immer über Hololens gesagt. Das durften wir nun selbst erleben.

Auf der BUILD 2015 hat Microsoft auch demonstriert, wie leicht sich dank dem Prinzip der universellen Apps für alle Windows-10-Geräteklassen - und damit inklusive Hololens - Anwendungen entwickeln lassen. Wir sind gespannt, auf welche Ideen die Entwickler kommen werden. Hololens eröffnet jedenfalls viele neue Möglichkeiten in den Bereichen Forschung, Bildung und der Medizin. Und ja – auch im privaten Bereich in den eigenen vier Wänden dürfte Hololens viel Spaß bereiten. (PC-Welt/mb)