Standard-Server

Microsoft adelt Open Compute und ärgert HP

06.02.2014 von Carlo Velten
Microsoft tritt dem Open Compute Project bei und setzt Hewlett-Packard (HP) weiter unter Druck. Steht das Business Modell für Standard-Server vor dem Aus? Anteil von ODM-Servern verdreifacht sich bis 2018 nach Einschätzung von Crisp Research.

Was hat es zu bedeuten, wenn der weltweit größte Anbieter von proprietärer Software einer Community beitritt, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Server- und RZ-Architekturen im Open-Source-Modus zu entwickeln und zu verbreiten?

Microsoft hat sich in den letzten Jahren geziert, offiziell dem Open Compute Project beizutreten. Galt doch die Partnerschaft mit HP (und auch Dell) als eine langjährige, unzerbrechliche Ehe, in der sich beide Partner eine Trennung nur schwer vorstellen konnten. Doch die Basis der Verbindung erodiert zunehmend.

Die Ankündigung seitens Microsoft, das Server- und Chassis-Design seiner Cloud-Server unter Open-Source-Lizenz im Rahmen des Open Compute Projects (OCP) freizugeben, zeigt deutlich, wie sich die Kräfte im IT-Markt immer weiter verschieben.

Open Source + Hardware = "Open Hardware".

So hat es das 2011 von Facebook initiierte OCP geschafft, eine schlagkräftige Gruppe an Internetfirmen und Technologielieferanten (Facebook, Goldman Sachs, Intel, AMD) zusammenzubringen. Gemeinsam versuchen sie, eine neue Generation an Server- und Rechenzentrumsarchitekturen zu entwickeln, die quelloffen und frei verfügbar sind. Getreu dem Motto: Open Source + Hardware = "Open Hardware".

Anfänglich als Privatinitiative von Facebook belächelt und teils falsch verstanden (Lagert Facebook nun sein Server- und RZ-Design nach Crowdsourcing-Prinzipien an eine Community von Freiwilligen und Startups aus?), zeigen sich nun die elementaren Auswirkungen des Projektes und einer Bewegung die weit darüber hinaus geht - BYOS oder auch "Build Your Own Server".

Mit der voranschreitenden Digitalisierung von Geschäftsprozessen und der Verlagerung von Applikationen in die Cloud, zentralisieren sich die IT-Infrastrukturen auf Seiten der großen Cloud- und Internet-Firmen. Schon heute werden über 30 Prozent der produzierten x86-Server (Standard- und Individual-Server) in die Rechenzentren von Microsoft, IBM, Google & Co geliefert.

Cloud-Firmen kaufen keine Standard-Hardware mehr

Was sich in den letzten fünf Jahren im Verdeckten abspielte kommt mit dem Beitritt von Microsoft zum OCP nun ans Tageslicht - immer mehr Cloud-Service-Provider lassen ihre eigenen Server fremdfertigen und kaufen keine Standard-Server mehr bei HP, Dell & Co. Dies gilt nicht mehr nur für Google, sondern auch kleinere Internetfirmen und Hosting Companies, wie zum Beispiel Rackspace, lassen sich mittlerweile eigene Server fertigen.

Während die jährlichen Wachstumsraten im Cloud-Business (IaaS, PaaS, SaaS) noch über 40 Prozent liegen, ist der Markt für x86-Standard-Server in den letzten drei Jahren nur um magere 3,5 Prozent gewachsen. Auch die Profitabilität leidet unter dem hohen Preis- und Wettbewerbsdruck, so dass kürzlich IBM sein x86-Hardware-Geschäft an Lenovo abgegeben hat. HP verzeichnete in 2013 in seiner Sparte "Enterprise Group" einen Umsatzrückgang von fünf Prozent gegenüber 2012. Demgegenüber wachsen die Fremdfertiger (Original Design Manufacturer, ODM) von Servern und Elektronik-Equipment weiter stark.

HP in Bedrängnis - Steht das Standard-Server Geschäftsmodell vor dem Aus?

Zwar macht das Geschäft mit Standard-Servern mit zwölf Milliarden Dollar nur rund elf Prozent des HP-Umsatzes von 112 Milliarden Dollar aus. Trotzdem ist es ein wesentlicher Portfolio- und Innovationsbaustein für HP und determiniert wesentlich HPs Rolle in der IT-Wertschöpfungskette. Zudem ist HP derzeitiger Marktführer und steht für über 30 Prozent des weltweiten Umsatzes. Aber was nützt diese Position wenn die Margen gering und der Anteil an der Wertschöpfung marginal ist?

Schon heute setzen HP, Dell & Co intensiv auf Fremdfertiger bei der Produktion ihrer Standard-Server. Die Kernkomponenten (Chipsätze und Speicher) werden ebenfalls zugeliefert. Was bleibt sind Server Design und Architektur, Systems-Management und Marketing.

Doch die IT-Industrie tickt anders als das Consumer-Business. Nike kann das Image seiner Sneakers auch auf Dauer monetarisieren. Marketing ist der Erfolgsfaktor im Markt für Sport und Lifestyle. Dies gilt im IT-Markt aber nur bedingt. Unternehmen werden sich und ihre IT-Service Partner zukünftig fragen, ob und warum sie Premium- Preise für Marken-Server zahlen müssen.

Form follows Function - Warum auch CIOs demnächst eigene Server bauen

Doch es sind nicht nur Preis- und Kostenaspekte, die bei der Entwicklung des Open Compute Project eine Rolle spielen. Auch stellt sich für viele CIOs und CTOs die Frage, ob Standard-Server für die Bewältigung spezifischer Aufgaben die richtige Wahl sind. Oder ob nicht individuelle Server-Konfigurationen für zum Beispiel Memory- oder CPU-intensive Workloads die richtige Lösung sind. Denn nur wenn die Server-Architektur und -Ausstattung ideal zum geplanten Workload passen, lassen sich eine hohe Performance und Kosteneffizienz erreichen. Festzustellen ist, dass "One Size fits all" zwar bei Baseballmützen, aber weniger gut im Umfeld hochkomplexer Computing-Aufgaben funktioniert. Steht der Standard Server damit vor dem Aus?

Das Open Compute Project ist für sehr große Unternehmen und Technologie-Startups eine geeignete Plattform zum Gedankenaustausch und gemeinsamen Lernen, wie Server- und RZ-Architekturen in einem Open Source-Modell entstehen und weiterentwickelt werden können. Langfristig können auf dieser Plattform neue Industrie-Standards und Best Practices entstehen. Gerade was Cloud- und energie-optimierte Architekturen angeht.

In den kommenden Jahren werden die Fremdfertiger (OMD) im Geschäft mit x86-Servern kontinuierlich an Marktanteilen gewinnen, zulasten der großen fünf Anbieter.
Foto: Crisp Research

Für die CIOs von Großunternehmen eröffnet das Open Compute Project in Kombination mit der Möglichkeit zum günstigen Fremdfertigen ganz neue Sourcing-Optionen. So geht Crisp Research davon aus, dass sich noch im Lauf dieses Jahres die ersten vier oder fünf Konzerne an das Design und die Fremdfertigung eigener Server-Linien auf Basis von OCP herantrauen werden. Die wichtigsten Kunden der Fremdfertiger (ODM) bleiben vorerst aber die großen Internet-Firmen. Sie sorgen auch dafür, dass das ODM-Geschäft in den kommenden fünf Jahren seinen Anteil am x86-Server-Markt auf über 20 Prozent zulegen wird.

Für das Gros mittelständischer Anwender bliebt das Fremdfertigen in den kommenden zwei bis drei Jahren Zukunftsmusik. Hier gilt es zuvorderst, erste hybriden Cloud-Umgebungen aufzubauen und die vielen Integrationsbaustellen zu schließen, die durch die Verbindung unterschiedlicher Server-, Virtualisierungs- und Cloud-Plattformen entstehen.

Boehringer Ingelheim oder Deutsche Bank - Die neuen Server-Brands?

Vor zehn Jahren war noch nicht absehbar, dass der damalige Online-Versandhändler Amazon zum weltweiten Marktführer von On-Demand IT-Infrastrukturen aufsteigen würde. Aus einem Anwender wurde ein Anbieter.

Es ist durchaus möglich, dass zukünftig große IT-Anwender wie z.B. Allianz, Boehringer Ingelheim oder die Deutsche Bank eigene Server- und Rechenzentrums-Designs entwickeln und diese in der Folge sogar vermarkten. (jha)