Das Netz und das liebe Geld: Die virtuelle Kleingeldbörse Flattr will Autoren von frei zugänglichen Inhalten belohnen. Doch bislang zahlt sich das System nur für wenige aus.
Von Sebastian Kunigkeit, dpa
Die Idee ist simpel: Wer im Netz ein Video, einen Text oder einen Podcast für besonders gut und wertvoll hält, der zahlt dafür. Nicht aus Zwang, sondern freiwillig. Nicht viel, sondern einige Cent. Seit dem Frühjahr 2010 ermöglicht es der Mikro-Bezahldienst Flattr, die Schöpfer von frei zugänglichen Online-Inhalten mit einem Klick auf eine Schaltfläche zu belohnen. Dabei geht es auch um den Beweis, dass Urheber im Internet ohne Bezahlschranken Geld verdienen können. Nach zweieinhalb Jahren gibt es erfolgreiche Beispiele für die Nutzung des Systems, doch der große Durchbruch steht aus.
Mehr als eine Million Mikro-Zahlungen habe der Dienst bereits abgewickelt, sagte Mitgründer Linus Olsson der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Das Budget der Nutzer, das diese vorab festlegen und dann mit ihren Klicks verteilen, liege im Schnitt bei 4,50 Euro im Monat. Die Zahl der Nutzer steige. Doch wie viele Teilnehmer es gibt und wie hoch der Umsatz ist, verrät Flattr nicht. In der breiten Öffentlichkeit ist der Dienst nach wie vor wenig bekannt, ein Erfolg liegt in weiter Ferne.
Einigen Urhebern hat Flattr in der Tat einen unverhofften Geldregen gebracht. "Ich nutze das System seit einer Weile, und ziemlich erfolgreich", erzählte Tim Pritlove. Der Medienkünstler und Veteran des Chaos Computer Clubs diskutierte in dieser Woche auf der Social Media Week in Berlin mit Linus Olsson.
Pritloves Podcasts - Audiostücke, die Nutzer im Netz abrufen können - erreichen eine große Fangemeinde, die dafür auch auf den Flattr-Button klickt. Von Zeit zu Zeit legt er seine Einkünfte offen, zuletzt im Mai 2012. Da brachten ihm die Klicks nach Abzug der Umsatzsteuer bis zu 2.500 Euro pro Monat.
Bei der Tageszeitung "taz" hingegen haben sich die Einnahmen über den Mikro-Bezahldienst seit dem Frühjahr 2011 halbiert. Rund 670 Euro kamen im August in die Kassen, teilte die Zeitung mit. Und viele Blogs sind weit von den Klickzahlen dieser beiden Flaggschiffe entfernt - vor allem, wenn sie speziellere Themen behandeln.
Auch bei bekannten Bloggern wie dem Anwalt Udo Vetter mit seinem "law blog" belaufen sich die Einnahmen eher auf ein besseres Taschengeld. "Das hat sich zwischen 200 und 300 Euro im Monat eingependelt", erzählte er. "Das ist nichts, wovon man leben könnte, aber auch nicht völlig zu vernachlässigen." Er habe überhaupt nicht mit nennenswerten Beträgen gerechnet. "Das ist erfreulich, weil ein Blog, in den man sonst nur investiert, ansatzweise kostendeckend wird." Ebenfalls positiv: Die Nutzer wüssten Qualität zu schätzen - gute Artikel bekämen mehr Flattr-Klicks als durchschnittliche.
Der Wirtschaftsinformatiker Key Pousttchi hält die Flattr-Idee für "bestechend" - trotzdem ist er skeptisch. "Das ganze System setzt ein bisschen darauf, dass jeder, der mitmacht, ehrlich sein Budget in den Topf tut", erläuterte der Leiter der Forschungsgruppe wi-mobile an der Universität Augsburg. "Am Ende des Tages stehen wir vor demselben Problem wie beispielsweise der Sozialismus in der DDR. Sozialismus ist eine tolle Idee, wenn alle mitmachen - sonst schwierig, weil der Ehrliche immer verliert." Ob Flattr ein Erfolg werde, sei völlig offen. "Ich befürchte, die menschliche Natur steht dagegen."
Flattr aber will die Utopie greifbar machen und das System noch simpler gestalten. "Auf lange Sicht wollen wir die Belohnung oder Finanzierung von kreativen Inhalten direkt mit dem Konsum verknüpfen", sagte Olsson. Seine Vision: Künftig müssen Nutzer nicht einmal mehr auf einen Knopf klicken - wer ein Video anschaut, honoriert automatisch dessen Autoren.
Doch das ist nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern läuft bisweilen auch den Interessen anderer Akteure zuwider. Apple verstieß die Podcast-App "Instacast" kurzzeitig aus seinem Online-Laden, weil sie eben diese Idee umgesetzt und Flattr integriert hatte. Erst, nachdem die Macher der App die Funktion veränderten, konnten sie ihr Programm wieder über den Appstore vertreiben. (dpa/rw)