Gesellschaft, Unternehmen, Arbeitsmarkt, Kultur, Politik und letztlich auch jedes Individuum - die Auswirkungen der Digitalisierung werden alle betreffen und sich in viele verschiedene Facetten auffächern. Entwicklung und Wirkung seien heute vielfach noch gar nicht absehbar, so das Credo vieler Experten. Klar ist nur, dass gravierende Veränderungen anstehen. Entscheidende Frage dabei: Will man dabei eine aktive Rolle einnehmen und die Veränderungen mit gestalten und antreiben oder beschränkt man sich selbst auf die Rolle des Getriebenen, der nur noch reagieren kann.
Diese Aspekte standen im Mittelpunkt des von DellEMC veranstalteten Impuls-Summit "The Next Now", der am 16. Januar im Berliner Congress Center stattfand. Der Infrastrukturanbieter Dell, der nach der Milliarden-Übernahme von EMC nun ab Februar hier in Deutschland in der neuen Firmenkonstellation und unter dem neuen Label "Dell Technologies" an den Start geht, will sich seinen Kunden als End-to-End-Anbieter für sämtliche Digitalisierungsaspekte andienen.
"Wir wollen der führende IT-Infrastrukturanbieter für die vierte industrielle Revolution sein", beteuerte der CEO von Dell Technologies Michael Dell gegenüber den rund 700 Besuchern des Summit. Deutschland sei ein wichtiger Markt, so der Dell-Gründer, der viertgrößte der Welt. Er rief dazu auf, die Chancen der Digitalisierung in den Vordergrund zu stellen und zu ergreifen. Maschinen würden den Menschen nicht ersetzen, sondern in erster Linie produktiver machen. "Die beste Kombination ist: Mensch plus Maschine." Befürchtungen, mit der Digitalisierung würden viele Menschen ihre Arbeit verlieren, widerspricht der Manager: "Jedes Werkzeug, das der Mensch erfunden hat, hat Jobs zerstört, aber auch neue Jobs geschaffen." Das habe schon mit der Erfindung des Rads angefangen.
Die Entscheidung, sein Unternehmen von der Börse zu kaufen und später mit der Übernahme von EMC zu verstärken, bezeichnete Dell als den richtigen Weg. Es habe viel Spaß gemacht, das neue Unternehmen zu schmieden und auf den Weg zu bringen. Die Mitarbeiter seien dabei ein elementarer Bestandteil gewesen. Dell definierte die Kundenzufriedenheit als maßgebliche Kenngröße für das künftige Business. Man müsse das Geschäft vom Kunden aus denken und aufbauen. Mit dem Hinweis auf zwei Milliarden Kundeninteraktionen pro Jahr sieht Dell auch handfeste Vorteile für Dell als Anbieter und Entwickler. "Von den Kunden, die uns fordern, lernen wir am meisten." Mit Hilfe der so gewonnenen Informationen ließen sich bessere Produkte und Services entwickeln.
Im gleichen Atemzug rief Dell Unternehmen und Mitarbeiter dazu auf, mehr zu wagen. Viele Menschen nutzten nur ein Bruchteil ihres Potenzials, weil sie Angst vor Fehlern hätten. Dabei bedeute Innovation, Risiken einzugehen und Fehler zu machen. "Es wäre ein Märchen zu glauben, dass immer alles von Anfang an richtig funktioniert." Die Digitalisierung ist aus Sicht von Dell eine strategische Aufgabe, die sich nicht auslagern lasse. Auch wenn die IT eine wichtige Rolle dabei spiele, müsse vor allem das Management dahinter stehen.
Führung braucht ein neues Mindset
Um die Unternehmen jedoch erfolgreich durch die Digitalisierung zu steuern, brauchen die Lenker besondere Fähigkeiten und das richtige Händchen, ist Führungs- und Managementexperte Reinhard Sprenger überzeugt. "Management ist ein Handwerk - Führung eine Haltung." Dabei ist die Aufgabe alles andere als einfach. Heute funktioniere es nicht mehr, die Zukunft aus den Erkenntnissen der Vergangenheit heraus zu meistern. Zumal auch die Branchengrenzen zunehmend verschwimmen. Die Konkurrenz der Lufthansa seien nicht andere Airlines, sondern die Anbieter von Video-Conferencing-Lösungen, nennt Sprenger ein Beispiel. Das künftige Geschäft der Unternehmen dürfe nicht mehr darauf basieren, was sie können und haben. Die entscheidende Frage sei: Was braucht der Kunde?
Sprenger plädiert für einen neuen Mindset in Sachen Führung. Es gelte Täter und Treibender zu sein, nicht Opfer und Getriebener. Menschen bräuchten heute weniger Führung für die Organisation ihrer Arbeit, als vielmehr auf einer emotionalen Ebene. Es gelte, eine Heimat zu schaffen. Führungskräfte dürften es sich nicht zu bequem in ihrer Komfortzone machen, sondern auch die Konfrontation mit anderen Meinungen suchen.
Alle Produkte werden intelligenter
Wie neue Techniken die Geschäftsgrundlage eines Unternehmens umkrempeln können, berichtete Volkswagen-CIO Martin Hofmann. Seiner Einschätzung nach könnte es das Geschäftsmodell von Automobilunternehmen grundlegend verändern, wenn in Zukunft Robotaxis parat stehen, sobald man sie braucht, und der Kunde sie nicht erst rufen muss. "Künstliche Intelligenz in den Produkten wird künftig ein entscheidender Faktor sein", ist sich Hofmann sicher.
Dafür gebe es viele Beispiele. So könnten Algorithmen lernen, wie Städte funktionieren - mit dem Ziel, Verkehrsströme effizienter zu steuern. Auch die Art und Weise, wie Autos entwickelt und gebaut würden, werde sich durch Künstliche Intelligenz nachhaltig ändern. Das zeige bereits heute das Beispiel Audi. Dort soll das Fließbandprinzip durch flexiblere und effizienter arbeitende Fertigungsinseln ersetzt werden, die robotergestützt mit Bauteilen beliefert würden. Aufgabe des Menschen werde dann zunehmend Steuerung und Überwachung sein.
Bots übernehmen immer mehr Aufgaben
Ein anderes Beispiel seien sogenannte Enterprise Bots, kleine Softwareschnipsel, wie Hofmann sie nennt, die mehr und mehr Aufgaben übernehmen könnten, beispielsweise in der Planung, dem Controlling oder im Human-Resources-Bereich (HR). "Die Algorithmen lernen mit und entlasten den Menschen von Routinetätigkeiten wie Buchführung über Krankenstände oder Urlaubstage", sagte der Volkswagen-CIO. Einsatz und Möglichkeiten dieser Bots nähmen zu, so Hofmann. "Die Bots werden Mitarbeiter darin unterstützen, schneller und präziser zu entscheiden. KI analysiert also große Informationensmengen und gibt auf dieser Basis Entscheidungsempfehlungen. Die Entscheidung aber bleibt dem Menschen vorbehalten. Die Bots tun, was der Mensch will", betonte Hofmann. Die Digitalisierung werde Arbeitsaufgaben, Arbeitsweisen und Unternehmensstrukturen verändern, ist er überzeugt. Und das gelte nicht nur für die Autobranche, sondern für einen großen Teil der Wirtschaft.
Roboter machen künftig die Arbeit
Mit den Folgen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt von morgen beschäftigt sich auch der Philosoph Richard David Precht. Was momentan im Zusammenhang mit der Digitalisierung passiere, sei keine vorübergehende Erscheinung, die wieder vorbei gehe. Precht spricht von einer Revolution. "Es wird nichts beim Alten bleiben." Seiner Einschätzung nach werden etliche Jobs in Zukunft wegfallen: 40, 50, 60 und mehr Prozent der Stellen, beispielsweise im Finanzsektor bei Banken und Versicherungen.
Precht sieht darin nicht unbedingt etwas Negatives. "Es ist ja nicht so, dass Arbeit unbedingt immer Spaß macht." Den seit über 300 Jahren verinnerlichten Codex, dass Tugend mit Tüchtigkeit verbunden sei, gelte es über Bord zu werfen. Die Arbeit werde schließlich künftig zum Großteil von Robotern und IT gemacht. In der Folge sei es die Aufgabe unter anderem der Politik, ein strategisches Bild der künftigen Gesellschaft zu zeichnen. Das gelinge heute jedoch kaum. "Die Politik agiert nicht, sie reagiert nur." Sie hinke den Auswirkungen der Digitalisierung hinterher.
Die große Unbekannte - der Arbeitsmarkt von Morgen
Precht brachte Aspekte wie ein bedingungsloses Grundeinkommen sowie eine Reform der Bildungspolitik ins Spiel. Bis dato sei es deren Aufgabe gewesen, möglichst genau auf den Arbeitsmarkt passende Absolventen hervorzubringen. Das werde allerdings zunehmend schwerer, weil "wir den Arbeitsmarkt der Zukunft nicht kennen".
Der Philosoph forderte, primäre Bildungsaufgabe müsse sein, starke Persönlichkeiten zu bilden und hervorzubringen. Man müsse die Menschen befähigen, sich mit sich selbst beschäftigen zu können, kreativ zu sein. Doch diesem Aspekt werde im Zuge der Digitalisierung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, bemängelt Precht. "Die technischen und wirtschaftlichen Folgen des Umbruchs werden von der Politik geahnt, deren gesellschaftlichen Folgen aber verdrängt."
"Demokratie kann ein zäher Prozess sein"
Dorothee Bär, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, räumte ein, dass Demokratie ein zäher Prozess sein kann. Es dauere an der einen oder anderen Stelle sicher zu lang. Grund dafür sei vielfach schichtweg die Angst der Menschen. Bär berichtete gerade im Bildungsbereich von vielen Vorurteilen, wenn beispielsweise WLAN in den Schulen mit der Asbestverseuchung von Gebäuden verglichen werde, was man schnell wieder loswerden müsse.
Bär monierte, dass vieles rund um die Digitalisierung negativ besetzt sei, und rief dazu auf, Angstmachern zu widersprechen. Gleichzeitig müsse man daran arbeiten, die Menschen mitzunehmen und ihnen Brücken zu bauen. Das sei wichtig, um das Potenzial der Digitalisierung auch zu heben. "Nur weil wir ein erfolgreiches Industrieland sind, heißt das nicht, dass wir auch ein erfolgreiches Digitalland sind."