Betriebssystem für Data Center und Clouds

Mesosphere will preiswerte Alternative zur AWS-Welt sein

23.10.2017 von Bernhard Haluschak
Zwei deutsche Gründer machen mit dem alternativen Betriebssystem Mesosphere DC/OS im Silicon Valley Furore. Wir erläutern, wer und was hinter Mesosphere steckt und warum der Ansatz tatsächlich den Betrieb von Rechenzentren und Cloud-Infrastrukturen auf den Kopf stellen könnte.
Mesosphere Gründer Tobi Knaup und Florian Leibert.
Foto: Mesosphere

Mesosphere wurde im März 2013 von den drei Gründern und Freunden Tobi Knaup, Florian Leibert und Benjamin Hindman in San Francisco gegründet. Mittlerweile flossen über 120 Millionen Dollar Risikokapital in das Unternehmen. Zu den wichtigsten Geldgebern zählen IT-Größen wie Hewlett Packard Enterprise und Microsoft, aber auch Venture Capitalists wie Andreessen Horowitz, Khosla Ventures und Fuel Capital.

Florian Leibert, CEO und Founder, "brennt" für sein Produkt, das wurde in einem Gespräch mit der COMPUTERWOCHE-Redaktion schnell klar. Die ersten Ideen zu Mesosphere DC/OS sind demnach 2010 in San Francisco entstanden, wo Leibert bei Twitter und Knaup bei Airbnb arbeiteten.

Zum damaligen Zeitpunkt hatte der Nachrichtendienst Twitter massive Server- und Stabilitätsprobleme. Um das Unternehmen aus den technischen Schwierigkeiten herauszuführen, arbeitete Leibert zusammen mit Hindman an der Einführung von Mesos. Überzeugt von der Technologie führte Kaup das System 2013 auch bei Airbnb ein. Von dem Erfolg beflügelt, schlossen sich die drei Freunde zusammen und gründeten 2013 Mesosphere.

Die Technik hinter DC/OS

Bei DC/OS von Mesosphere handelt es sich um ein "Data Center Operating System", das in dem Systemkernel von Apache Mesos wurzelt. Es beinhaltet einen Cluster Manager, eine Containerplattform und ein Betriebssystem. Aus der Architekturperspektive ist DC/OS eine Cluster-Plattform, die verteilte Container-Software wie Apps, Jobs oder Services ausführt und damit den Rechenzentrumsbetrieb quasi standardisiert. Dabei ist das Betriebssystem komplett von der Infrastrukturschicht getrennt. Die Infrastruktur kann aus virtueller oder physischer Hardware bestehen, sollte aber Rechen-, Storage- und Netzwerkkomponenten beinhalten. Hier kommt also auch ein Infrastruktur-as-a-Service-(IaaS)-Stack in Frage. Für Leibert ist die Infrastruktur "Commodity".

Entscheidend sind für ihn die "Platform Services", die über der DC/OS-Schicht liegen. Diese Struktur geht über Platform as a Service (PaaS) hinaus, so Leibert. Diese Ebene kann zum Beispiel eine Datenbank, eine Message Queues oder auch Machine Learning as a Service wie TensorFlow oder MXNet enthalten. Das bildet Mesosphere auf einer Hardware- und Cloud-übergreifenden Basis ab - sowohl für Public- als auch für Private-Cloud-Infrastrukturen.

Der Mesosphere-Stack im Detail.
Foto: Mesosphere

Der Clou an der Technologie liegt darin, dass sie skalierbar, hochverfügbar und fehlertolerant ist und sich wie ein einziger Computer verhält, obwohl sie sich aus mehreren Systemen zusammensetzt. DC/OS übernimmt dabei selbstständig und systemübergreifend das Management der Ressourcen, verwaltet die internen Arbeitsprozesse und erleichtert die Prozesskommunikation zwischen den Systemen. Beansprucht zum Beispiel ein Dienst mehr Rechenleistung, allokiert das System selbstständig mehr Recheninstanzen und umgekehrt. Darüber hinaus vereinfacht es die Installation und das Verwalten von Systemservices. Microservices und Container-Technologien wie Docker unterstützt das System ebenfalls.

Die Kommunikation zum DC/OS-Stack erfolgt wahlweise über eine Web-Schnittstelle oder ein administrationsfreundliches Kommandozeilen-Interface (CLI). Damit lässt sich das System nicht nur aus der Ferne verwalten, sondern auch die Cluster und seine Dienste überwachen.

Was die Software leistet

Marc Andreessen, Mitgründer vom Netscape und des Venture-Capital-Unternehmens Andreessen Horowitz, erkannte das Potenzial von Mesosphere und investierte massiv in das Projekt. "Marc hat uns damals gefragt: Wenn Geld keine Rolle spielen würde, ob wir dann eine Technologie bauen könnten, die dasselbe kann wie die Platform-Services von AWS - nur viel preiswerter", so Leibert. Aus dieser Überlegung heraus entstand das Data Center Operating System DC/OS.

Im Prinzip handelt es sich dabei um einen Baukasten für moderne Anwendungen. Die Basis ist ein Layer mit verschiedenen Open-Source-Komponenten, der den Plattformangeboten von AWS ähnelt, aber auf beliebiger IaaS-Infrastruktur aufsetzen kann. Mit Mesosphere beziehungsweise DC/OS sind wir in der Lage, mit Open-Source-Komponenten das nachzubauen, was AWS an Plattform-Services bietet beziehungsweise was der Anwender an Services wünscht, betont Leibert. Spezialwissen sei dabei nicht erforderlich, man könne die Software einfach nutzen.

Doch Mesosphere hat auch Grenzen. So sind monolithische Anwendungen wie etwa SAP für diese Architektur nicht geeignet. Allerdings lassen sich Daten, die aus diesen Anwendungen generiert werden, mit einem Mesosphere-Service weiterverarbeiten.

Der Software-Katalog von Mesosphere DC/OS bietet jede Menge Services, um IT-Infrastrukturen mit entsprechenden Funktionen auszustatten.
Foto: Mesosphere

Auf DC/OS sind mittlerweile über 100 Technologien integriert. Im Bereich Data Services, Machine Learning und AI findet man zum Beispiel Apache Spark, Hadoop, Cassandra, Elastic, Kafka oder Alluxio. Als Entwicklungstools stehen Jenkins und GitLab zur Verfügung für Container-Orchestrierung sind Kubernetes und Marathon nutzbar.

Laut Leibert hat der Anwender mit dieser Technologie keinen Vendor-Lock-in-Effekt. Zudem bezahlten Kunden nach dem Flatrate-Prinzip - ein "All you can eat" für die IT: "Sie zahlen einen Betrag und können so viel Cassandra konsumieren beziehungsweise nutzen wie sie wollen." Nach Leibert, sind bei AWS die Platform Services proprietär und teuer, so dass es sich viele Unternehmen nicht leisten könnten, ihre Datenbanken in die AWS-Cloud zu verlagern.

Qua Vadis Mesosphere

Mesosphere hat weltweit mittlerweile fast 300 Mitarbeiter. Neben der Zentrale in San Francisco hat das Unternehmen weitere Niederlassungen in New York, Peking und in Hamburg.

Das Startup setzt auf Partner wie etwa HP, HCL, Dell, Hitachi Data Systems und Microsoft. Weitere namhafte Firmen sollen dazukommen. Sowohl in Amerika als auch in Deutschland hat Mesosphere bereits zahlreiche Kunden, darunter Verizon Wireless, Time Warner, Ebay, PayPal, Twitter, aber auch hierzulande die Bundesagentur für Arbeit sowie große Automobilkonzerne und Zulieferer.

Leibert blickt zuversichtlich in die Zukunft, bringe DC/OS doch alle Eigenschaften mit, die zukünftig von einer agilen und skalierbaren IT-Infrastruktur erwartet würden. Dabei will der Unternehmer seine Software-Lösung weiter stark wachsen sehen und schließt in diesem Zusammenhang strategische Partnerschaften oder gar eine Übernahme nicht aus. Dafür sei es aber noch zu früh. Vorerst will er in Schlüsselmärkten wie China expandieren.

Leibert glaubt, dass der Digitalisierungsdruck und insbesondere der Trend zu Internet-of-Things-(IoT-)Technologien Mesosphere helfen wird. Künftig werde mehr und mehr Computing "at the Edge" benötigt, wofür sich die Plattform bestens eigne. Zudem favorisierten die großen Carrier für den kommenden 5G-Standard Mini-RZs in den Verteilzentren - DC/OS sei dafür prädestiniert.